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Parlamentarische Anfragen Die AfD versucht, Zweifel an der Demokratie zu nähren

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Die AfD appelliert – auch in den Anfragen – an Emotionen wie Angst und Bedrohung und will sie über die Antworten bestätigt bekommen. (Quelle: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)

Parlamentarische Anfragen sind ein wichtiges Mittel in der Demokratie, um Informationen aus der Verwaltung für die Medien und die Öffentlichkeit transparent zu machen. Vom Recht, der Regierung Fragen zu stellen, macht traditionell vor allem die Opposition Gebrauch – es ist ein Instrument parlamentarischer Kontrolle. Doch nicht immer wird dieses Mittel effektiv genutzt – sondern teilweise sogar als Provokationsstrategie.

Die AfD hat daran großen Gefallen gefunden. In der vergangenen Wahlperiode von Oktober 2017 bis Oktober 2021 stellte sie 19 Große Anfragen. Die Linke und die Grünen stellten je sechs und die FDP vier. Dann sind da noch die Kleinen Anfragen. Mehr Kleine Anfragen als die AfD, mit 3.479, stellte nur die FDP mit 3.747. Und auch in dieser Legislaturperiode ist die AfD bisher knapp Spitzenreiter, vor der Linken.

Die Kleinen Anfragen der AfD erwecken zunächst den Eindruck, die Partei würde sich vielfältig interessieren: Die 78 Abgeordneten stellten in dieser Legislaturperiode beispielsweise Anfragen über die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Kosovo, den Personalbedarf der Deutschen Bahn, zur Ethik der Künstlichen Intelligenz oder zum Zustand irgendwelcher Straßen und Brücken. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass die Partei hauptsächlich ihre Kernthemen bedient: Rassismus verbreiten und anzweifeln, dass Vertrauen in demokratische Institutionen berechtigt ist. 

Die AfD appelliert – auch in den Anfragen – an Emotionen wie Angst und Bedrohung und will sie über die Antworten bestätigt bekommen. Die rechtsradikale Partei nutzt parlamentarische Anfragen, um politische Gegner*innen, Geflüchtete, Muslim*innen, Sinti*zze und Rom*nija zu diffamieren und um ihnen unliebsame Institutionen zu diskreditieren. Wobei das Thema Migration, das bei der AfD stets rassistisch aufgeladen ist, bereits seit der letzten Legislaturperiode an Frequenz verloren habe, erklärt Dr. Gerd Wiegel, Politologe und Referent für Rechtsextremismus für Die Linke im Bundestag gegenüber Belltower.News. „Wir können in den parlamentarischen Anfragen der AfD klar eine Themenverschiebung ablesen“, so Wiegel.

Die AfD-Abgeordneten versuchten sich in ihren Kleinen Anfragen als „Anwälte der Bürger*innen“ darzustellen, beispielsweise in dem sie aufzuzeigen versuchen, an welchen Punkten der Staat vermeintlich Steuergelder verschwende. Auffällig sind zudem die zahlreichen kleinteiligen Anfragen zu den einzelnen Ministerien. Spezifische AfD-Anfragen beziehen sich beispielsweise auf die Ministerien und unterfüttern das rechtspopulistische Narrativ der korrupten und verschwenderischen Machtelite.

Angriffe auf „Demokratie leben!“-Projekte häufen sich

In letzter Zeit häufen sich dabei die Anfragen, die versuchen, vermeintliche Steuergeldverschwendung von „Demokratie leben!“ aufzuzeigen – ein durch das Familienministerium finanziertes Bundesprogramm zur Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit für Demokratie. Einzelne AfD-Parlamentarier*innen beziehungsweise ihre Mitarbeiter*innen – schließlich sind sie es in der Regel, die die Kleinen Anfragen verfassen – picken sich einzelne Initiativen oder Projekte heraus, um zu versuchen, angebliche Steuergeldverschwendung darzustellen – oder sie zumindest zu inszenieren. Ein weiteres Lieblingsthema: um Projekte oder einzelne Mitarbeiter*innen zu diskreditieren, werden sie in die vermeintliche Nähe eines verfassungsfeindlichen Linksextremismus gerückt.

Dass sich ausgerechnet jetzt die Angriffe der AfD gegen die Demokratiearbeit häufen, verwundert Timo Reinfrank, den Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, nicht. „Die AfD versucht jetzt anzugreifen, weil sich die Ampel-Koalition auf der Zielgeraden befindet, ein Demokratiefördergesetz zu verabschieden. Ein solches Gesetz würde den Projekten, die der AfD seit jeher ein Dorn im Auge sind, mittelfristig mehr Sicherheit geben. Das wollen die Rechtsradikalen verhindern.“

In einem Fall wurde eine Kleine Anfrage sogar mit voller Namensnennung des unbelegt beschuldigten Projekt-Mitarbeiters veröffentlicht. Das ist äußerst ungewöhnlich, schließlich werden die Namen von Personen in Kleinen Anfragen üblicherweise pseudonymisiert beziehungsweise abgekürzt. Die AfD versucht mit jener Anfrage, den Mitarbeiter als verfassungsfeindlich zu brandmarken. Indem die Bundestagsverwaltung es zuließ, dass der ganze Name genannt wird, unterstützt sie die Feindmarkierung der AfD. 

Diese Angriffe passieren, weil die von „Demokratie leben!“ geförderte Projekte wichtige Demokratiearbeit vor Ort leisten. Dazu gehört eben auch oft, auf die verfassungsfeindlichen Inhalte der AfD hinzuweisen. Die AfD hat es denn auch besonders auf diese Projekte abgesehen „In gewisser Weise kann man diese Angriffe dabei auch als positiven Ausweis der eigenen Arbeit betrachten“, so Gerd Wiegel. „Hier zeigt sich, wo die AfD ihre realen Feindbilder sieht.“ Schließlich dienen die Anfragen der AfD sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene hauptsächlich dazu, das eigene Weltbild zu verkünden, damit zu provozieren und politische Gegner*innen zu diskreditieren.

Material für die rechtsextreme Medienblase

Darüber hinaus setzt die AfD gezielt Anfragen als politisches Mittel ein, um an Informationen zu kommen– das ist ein durchaus legitimes Mittel, das so auch von anderen Parteien genutzt wird. Doch der AfD geht es in ihren Anfragen nicht um eine konstruktive Kritik, sondern vor allem darum, alle vermeintlich schlechten, problematischen Seiten der Migrations- und Flüchtlingspolitik herauszustellen oder Eliten-Bashing zu betreiben, um damit das Vertrauen in die Demokratie zu erschüttern.

Die AfD erhält durch die Antworten auf die Anfragen zudem Material für ihre Kampagnen. Nicht selten landen die Inhalte der Anfragen schließlich in leicht abgeänderter Form in der rechtsextremen Medienblase um das Compact Magazin und PI-News und ziehen dort Kreise in rechtsextremen Milieus. Vergleichsweise selten, so der Politikwissenschaftler Wiegel, landen die Inhalte der AfD-Anfragen in klassischen Medien.

Das Verhalten der Medien

Eine zentrale Frage ist, wie Medien mit AfD-Anfragen umgehen sollten, die grenzüberschreitend oder scharf an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit sind. 2018 fragte die AfD beispielsweise, ob die Zahl schwerbehinderter Kinder in Deutschland seit 2012 zugenommen habe – mit der „Begründung“, wissen zu wollen, ob Menschen ohne deutschen Pass „Inzucht“ betrieben und deswegen mehr behinderte Kinder bekämen. Eine zutiefst rassistische Anfrage, die verdächtig nach NS-Ideologie klingt. Sollen Medien hier berichten und der AfD so die so sehr gewollte Aufmerksamkeit verschaffen – oder nicht berichten und somit die Grenzen des Sagbaren erweitern, weil es keinen Widerspruch gibt? 

Einige Anfragen der AfD verfolgen vor allem das Ziel, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Doch wenn Journalist*innen solche Anfragen unkommentiert lassen, tragen die Medien selbst zu einer Normalisierung menschenverachtender Thesen und einer rechten Diskurs-Verschiebung bei. Umso wichtiger ist es, der AfD zu widersprechen und dagegen zu argumentieren. Wenn über skandalöse Anfragen berichtet wird, sollten Medien die Fragen immer in einen Kontext setzen und überlegen, was damit eigentlich bezweckt werden soll. Besonders wichtig, doch häufig vergessen, ist die Solidarität mit Betroffenen, die von der AfD eingeschüchtert und diskreditiert werden sollen.

Ab und zu gelingt es der AfD dennoch, dank parlamentarischer Anfragen tatsächlich einen Missstand aufzudecken. Dann, so erleben wir, berichten Medien über jene Anfrage genau so, als wäre sie von einer der demokratischen Parteien gestellt worden – meist ohne Einordnung des Fragenden. „Solche Anfragen führen dann zu einem größeren Medienecho und das wiederum ist positiv für die Partei, weil es sie seriös erscheinen lässt“, so Gerd Wiegel.

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