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Prozess um rassistischen Angriff in Frankfurt Politische Motivation vor Gericht ausgeblendet

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„Sind wir hier jetzt in Bagdad? Nur noch Kopftücher hier.“ rief Christian K. (Symbolbild)

 

Im Prozess gegen Christian K., der im Oktober 2017 auf der Frankfurter Zeil die Passantin Filiz E. wegen ihres Kopftuches beschimpft und im Anschluss einem Mann mit einer Reizgaspistole ins Gesicht geschossen haben soll, schließt das Frankfurter Amtsgericht einen Zusammenhang zwischen der Tat und einer möglichen rechtsextremistischen Einstellung des Angeklagten bislang aus. Aus Sicht der Nebenklageanwälte ist dieses Vorgehen nicht nachvollziehbar:

„Obwohl Christian K. in der Vergangenheit Aussagen wie ‚Es ist eine Zumutung, mit Ausländern in einem Haus zu leben‘ oder ‚Man kann auch auf Hitler wieder stolz sein‘ geäußert bzw. unterstützt haben soll, lässt das Gericht keine Anträge zur rechtsextremen Vergangenheit des Angeklagten zu“, sagt Nebenklageanwalt Yalçın Tekinoğlu. „Der Staatsschutz hat nicht einmal den politischen Hintergrund des Angeklagten ermittelt, obwohl dieser ehemals Schatzmeister der hessischen AfD-Jugendorganisation ‚Junge Alternative‘ (JA) war, die in einigen Bundesländern unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht.“ Das Gericht verletze damit Art. 2 und 6 der UN-Konvention gegen Rassismus, nachdem Betroffene ein subjektives Recht gegenüber den Gerichten und Strafverfolgungsbehörden auf Beachtung und Schutz von diskriminierenden Handlungen haben, so Tekinoğlu weiter.

Recherchen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zufolge war Christian K. in der Vergangenheit mehrfach durch rassistische und flüchtlingsfeindliche Kommentare in Internet-Foren aufgefallen. Der Angeklagte soll im Oktober 2017 auf der Frankfurter Zeil die Passantin Filiz E. wegen ihres Kopftuches mit den Worten „Sind wir denn jetzt in Bagdad? Nur noch Scheiß-Kopftücher hier!“ beschimpft haben. In einer darauffolgenden Auseinandersetzung mit zwei Männern, die dazwischen gingen, zog Christian K. eine Reizgaspistole und schoss einem der Männer ins Gesicht – einige umstehende Passant*innen wurden dabei ebenfalls verletzt.
Nach Ansicht der Richter*innen lasse die allgemeine politische Einstellung K.s jedoch keine Rückschlüsse auf die konkrete Tat zu. Auch für Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler, der die Nebenkläger*innen im NSU-Prozess vertreten hatte, ist das ein völlig falscher Ansatz:

„Der Angeklagte hat die Tat basierend auf seiner rassistischen Ideologie herbei geführt. Es ist keineswegs bedeutungslos, dass der Angeklagte vor der Tat erklärt, Muslime sollen erschossen werden und schließlich eine Situation herbeiführt, in der er Menschen muslimischen Glaubens rassistisch beleidigt und auf sie mit einer Reizgaspistole schießt.“

Die hessische Beratungsstelle response für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt, die den Prozessverlauf beobachtet, warnt davor, dass rassistisch motivierte Gewalt vor Gericht bagatellisiert wird: „Für Betroffene ist die Ausblendung eines politischen Tatmotivs hochproblematisch“, sagt response-Leiterin Olivia Sarma. Beim ersten Prozesstag seien K.s mögliche rassistische Motive überhaupt nicht von Interesse gewesen, vielmehr ging es vorwiegend um eventuelle Provokationen durch die Geschädigten. „Die Täter-Opfer-Umkehr ist ein bekanntes Muster in Fällen von rechter und rassistischer Gewalt: Wenn Betroffenen erleben, dass ihnen eine Mitschuld an der Tat unterstellt wird, wirkt sich das oft zusätzlich traumatisierend aus“, so Sarma weiter. Aus Sicht der Betroffenen sei eine Sensibilität von Richter*innen und Staatsanwält*innen für Rassismus dringend gefordert. „Gerade nach den Erfahrungen mit dem NSU-Komplex sollte eine andere Botschaft von den staatlichen Institutionen ausgehen: Der Staat sollte alles daran setzen, ein mögliches rassistisches Motiv zu ermitteln und die Betroffenen zu schützen.“

Nebenklageanwalt Daimagüler kritisiert, dass das Gericht die Änderung des §46 StGB ignoriere, die infolge des NSU-Prozesses eingefügt wurde und explizit die Berücksichtigung einer rassistischen Tatmotivation bei der Festlegung des Strafmaßes vorsieht: „Der §46 StGB läuft ins Leere, wenn das Gericht nicht bereit ist, das Verhalten des Angeklagten im Vorfeld der Tat zu untersuchen. Es macht bei der Strafzumessung einen Unterschied, ob die Tat ‚spontan‘ begangen wird, wie es der Angeklagte darzustellen versucht, oder ob sie das Resultat einer sich über Jahre entwickelten rechtsextremen Ideologie ist.“

Response – ein Angebot der Bildungsstätte Anne Frank
Response hat im Februar 2016 die Beratungsarbeit als Angebot der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt/Main aufgenommen. Ende 2017 ist eine Zweigstelle in Kassel hinzugekommen, um Betroffene aus dem Raum Nord- und Osthessen besser zu erreichen. response. wird im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie im Rahmen des Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport gefördert.

 

response. ist die erste Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt in Hessen und in der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt angesiedelt.

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