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Rechter Terror Haftstrafen für „Revolution Chemnitz“

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Einer der Angeklagten im Prozess gegen die rechtsextreme Terrorgruppe "Revolution Chemnitz". (Quelle: picture alliance/Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa)

Nach dem Tod von Daniel H. am 26. August 2018 am Rande des Chemnitzer Stadtfestes, gründeten Christian K., 32, Sten E., 29, Martin H., 22, Maximilian V., 29, Marcel W., 32, Sven W., 29, Christopher W., 29, und Tom W., 32 am 10. September 2018 auf dem Messenger-Dienst Telegram eine Chatgruppe namens „Revolution Chemnitz“ und planten schwere staatsgefährdende Straftaten. Schon am 3. Oktober 2018, dem Tag der deutschen Einheit, wollten sie zur Tat schreiten. Sie wollten Nicht-Deutsche, politische Gegner*innen und Politiker*innen angreifen und töten: „Linksparasiten, Merkel-Zombies, Mediendiktatur und deren Sklaven“. Es gab Pläne ein Maschinengewehr zu kaufen. In der Chatgruppe war von Bürgerkrieg die Rede, eine Revolution sollte es geben. Anführer Christian K. schrieb „Revolution Chemnitz“ würde den NSU wie eine „Kindergarten-Vorschultruppe“ aussehen lassen. 

Am 14. September 2018 wurde die Gruppe zum ersten Mal als „Bürgerwehr“ aktiv. Nach einer Demonstration des extrem rechten Bündnisses  „Pro Chemnitz“ versuchten sie zunächst Ausweise zu kontrollieren, schließlich greifen fünf der Angeklagten und etwa zwölf weitere Personen Jugendliche auf der Schlossteichinsel an, einem Park in Chemnitz. Sie sind schwarz gekleidet und tragen abgebrochene Bierflaschen als Waffen bei sich, außerdem Quarzhandschuhe und Elektroschocker. Laut Zeugenaussagen laufen sie schreiend auf die Gruppe zu und bezeichnen sie als „Fotzen“ und „Feiglinge“. Danach geht es gegen eine Gruppe aus Pakistanern, Iranern und Deutsche. „Ausländer raus“ wird gerufen. Ein Iraner wird von einer Bierflasche am Hinterkopf getroffen. Christian K. wurde noch am selben Tag wegen schwerem Landfriedensbruch festgenommen. Die Ermittler werden auf die Chatgruppe aufmerksam. Der Angriff vom 14. September gilt als Probelauf für weitere Terrorattacken.

Der Generalbundesanwalt übernimmt noch im September die Ermittlungen, am 1. Oktober 2018 kommt es zu Verhaftungen in Sachsen und Bayern. Die Männer stehen unter dem Verdacht der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung. Am 25. Juni erhebt die Bundesanwaltschaft Anklage gegen die acht jetzt verurteilten Männer. Der Prozess beginnt am 30. September 2019. Kurz vor dem Ende geriet das Gericht noch einmal unter Druck: wäre es wegen der Corona-Krise zu einer Unterbrechung der Verhandlung gekommen, die länger als zehn Tage gedauert hätte, hätte der Prozess wiederholt werden müssen. Dazu kam es jedoch glücklicherweise nicht.

Corona war aber auch noch vor dem Urteil Thema vor Gericht. Der Verteidiger von Anführer Christian K. bat im Namen seines Mandanten darum, die möglichen Haftstrafen der Mitangeklagten zur Bewährung auszusetzen, „damit sie in diesen schweren Zeiten bei ihren Lieben sein können“. Dem folgt das Gericht nicht und verurteilt die Gefangenen wegen Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie schwerem Landfriedensbruch zu Haftstrafen von bis zu fünf Jahren und sechs Monaten. Für drei der Männer wird die Strafe aber tatsächlich wegen der bereits abgeleisteten Untersuchungshaft ausgesetzt. 

Es sind relativ milde Urteile, die auch mit der recht kurzen Existenz der Gruppe zusammenhängen. Tatsächlich waren es nur fünf Tage, die von Gründung bis zu ersten Verhaftungen vergingen. Wie groß das tatsächliche terroristische Potential der Gruppe war, war dementsprechend auch Gegenstand des Prozesses: „Es gab noch keine Pläne, die zum Bürgerkrieg führen sollten. Die Waffen waren noch nicht beschafft“, heißt es in der Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters Hans Schlüter-Staats. Aber er erwähnt auch die Eigendynamik dieser neuen Form des Rechtsterrorismus und zieht eine Verbindung zur „Gruppe Freital“ und der „Oldschool Society“. 

Die Verteidigung hatte immer wieder argumentiert, es handle sich um eine politische motiviertes Verfahren und dass die Planungen der Angeklagten nicht ernstzunehmend gewesen seien. „Es ging um die Gründung einer Chatgruppe“, so Rechtsanwalt Marcel Bröger und um „dummes Geschwatze“. Ein weiterer Anwalt führte auf den letzten Metern ebenfalls erfolglos die Corona-Krise an und erklärte dramatisch: „Die Welt ist im Umbruch. Was gestern noch wichtig war, bewegt sich heute in der Bedeutungslosigkeit.“

Ohnehin versuchten die Anwälte ihre Mandanten als unschuldig oder gar unfähig darzustellen. Begriffe wie „dumm“, dilettantisch“ und „unbeholfen“ fielen im Prozess. Ein Verteidiger bezeichnete seinen Mandanten als „durchschnittlichen deutschen Spießbürger.“ Die Vergangenheit dieser „deutschen Spießbürger“ ist dabei selbst für sächsische Verhältnisse gar nicht so „durchschnittlich“. Christian K. beispielsweise war zum Beispiel Mitglied der bereits seit Jahren verbotenen Neonazi-Kameradschaft „Sturm 34“. Auch der 30-jährige Angeklagte Tom W. war hier vorne mit dabei. Etliche gefährliche Körperverletzungen gehen auf das Konto der Gruppierung, eine Brandstiftung, Sachbeschädigungen und Hausfriedensbrüche. Das Magazin „der rechte rand“ hat hier sehr genau nachrecherchiert, welche Verbindungen es zwischen „Sturm 34“ und „Revolution Chemnitz“ gibt.

Der Versuch, die Angeklagten als zu dumm für Terrorismus darzustellen, hat am Ende nicht gefruchtet. „Selbst verwirrte Köpfe sind gefährlich“, heißt es in der Urteilsbegründung.

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