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Rechtsextremismus kompakt in Stichworten und Zahlen

Von|

Zusammengestellt von Simone Rafael

Was ist Rechtsextremismus?

Eine Einstellung, die die Gleichwertigkeit aller Menschen ablehnt, auf Ungleichwertigkeiten zielt.
Wichtigste Elemente:
Rassismus
Antisemitismus
Autoritarismus
Chauvinismus
Völkisches Denken / Volksgemeinschaft statt Individualismus
– Aggressiver Nationalismus
Revisionismus / NS-Verherrlichung
– Ablehnung des Wertepluralismus einer liberalen Demokratie

Auswirkung rechtsextremer Einstellungen

– Ablehnung und Gewalt gegen Gruppen, die als nicht ins Weltbild passend gesehen werden
– Rassismus
– Antisemitismus
Islamfeindlichkeit
Homophobie
Obdachlosenfeindlichkeit
Behindertenfeindlichkeit
Angriffe auf ?politische Gegner?

Diese Ablehnung äußert sich als verbale Hetze, Anfeindungen, Bedrohungen und als Gewalt.

Organisierte Rechtsextreme

– Rund 25.000 Menschen gehören in Deutschland zum rechtsextremen Spektrum (2009: 26.600, 2008: 30.000)
– Davon sind 9.600 in Parteien Mitglied (2009: 11.300)
– 2.500 gehören zu rechtsextremen Organisationen (2009: 2.500)
– 5.600 gelten als ?Neonazis?, die sich in Kameradschaften organisieren (2009: 5.000)
– 9.500 gelten als ?gewaltbereit?

Rechtsextreme Einstellungsmuster

– Nicht jeder der so denkt, handelt auch messbar entsprechend ? wählt eine Partei, wird Mitglied einer Kameradschaft usw.
– 2010 vertraten insgesamt rund 8 Prozent der Menschen in Deutschland rechtsextreme Einstellungen (das sind 6,4 Millionen Menschen)
– Rechtsextreme Einstellungen werden von mehr Frauen als Männern vertreten – beim Wahlverhalten ist es umgekehrt.
– Sie werden mehr von alten als jungen Menschen vertreten – beim Wahlverhalten ist auch das umgekehrt.
– Rechtsextreme Einstellunge werden mehr von Menschen aus bildungsfernen Schichten als Menschen aus gebildeten Schichten
– und mehr von Menschen aus dem ländlichen Raum als von Menschen aus Großstädten

Insgesamt sind verzeichnet Wilhelm Heitmeyer in seiner Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ abnehmende Werte für Fremdenfeindlichkeit (deutlich), Etabliertenvorrechten (deutlich), Islamfeindlichkeit (leicht), Behindertenfeindlichkeit (leicht), Obdachlosenfeindlichkeit (leicht), Sexismus (deutlich), Rassismus (deutlich) und die Abwertung von Langzeitarbeitslosen (leicht). Zustimmung zu Homophobie und Antisemitismus dagegen steigen.

Rechtsextreme Organisationsformen

Parteien der rechten Szene

NPD
– 6.600 Mitglieder (2009: 6.800)
– ?Nationale Sozialisten?, offen NS-verherrlichend, Ziel: ?Systemüberwindung?, enge Zusammenarbeit mit der freien, gewaltbereiten Szene
– Spezialität: Kommunalpolitik, Instrumentalisierung sozialer Fragen
DVU
– 3.300 Mitglieder (2009: 4.500)
– Zwischen rechtsextrem und rechtspopulistisch, nennt sich selbst ?national-freiheitlich?, vertritt völkisch-rassistische Ansichten
– Derzeit aufgrund finanzieller und personaler Querelen auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit

Pro Köln / Pro NRW / Pro Deutschland
– Der Verein „Pro Köln“ hat 220 Mitglieder, die Partei „Pro NRW“ 80 (Verfassungsschutzbericht NRW 2009) – die Vereinigung selbst spricht von 1.500
– Rechtspopulistisch, rassistisch
– Spezialität: Islamfeindschaft
– Schwerpunkt ist Nordrhein-Westfalen, streben aber bundesweite Kandidaturen an

Republikaner
– 6.700 Mitglieder (2009)
– Bis 2006 als rechtspopulistisch-nationalistische Partei vom Verfassungsschutz beobachtet
– danach Bekenntnis zur Demokratie, rechtskonservativ, aktuell bedeutungslos

Rechtsextreme Organisationen insgesamt (außer Parteien)

gesamt: 217 rechtsextremistische Organisationen und Personenzusammenschlüsse ohne Parteien (2009: 193)

davon

subkulturell geprägt: 1 (2009: 1)
Neonazi-Gruppen: 153 (2009: 132)
Sonstige: 63 (2009: 60)

Kameradschaften, „Freie Kräfte“

?Freie Kameradschaften? (auch ?Freie Kräfte? genannt):
– Lockerer regionaler Zusammenschluss von Rechtsextremen, die für Aktionen gemeinsam in Erscheinung treten.
– Geben sich radikaler, moderner, offener, aktionistischer, militanter als Parteien.
– Schließen sich zu ?Kameradschaftsverbänden? oder ?Aktionsbündnissen? für größere Aktivitäten zusammen.
– identitätsstiftende Sammelbegriffe : „Freie Nationalisten?, ?Nationaler Widerstand“.
– Rund 153 in Deutschland (2009: 132).

Aktivitäten von Kameradschaften

– Organisation von Aufmärschen und Konzerten
Gewalttaten
– Propaganda vor Ort, z.B. Flyer, Aufkleber verteilen, z.T. auch logistische Hilfe für rechtsextreme Parteien
– Propaganda im Internet
– Terroristische Aktionen
– Aufbau einer ?rechtsextremen Parallelwelt?: eigene Zeitungen, Versände, Clubs, Partys, Tanzgruppen, Handwerksbetriebe

Autonome Nationalisten

– Aktuelle Spielart der ?Freien? Nazi-Szene, stark jugendkulturell-erlebnisorientiert und gewalttätig
– Übernahme linker (linksautonomer) Symboliken, Ausdrücke, (Protest-) Songs, um attraktiver und moderner zu wirken ? inhaltlich aber nicht weniger gefestigt, was z.B. NS-Verherrlichung , Antisemitismus, Demokratiefeindlichkeit angeht
– Anti-Antifa-Arbeit: Ausspionieren und Bedrohen ?politischer Gegner?
– rund 1.000 Personen (2009: 800, 2008: 500)
– neue Themen, z.B. Anti-Globalisierung, Anti-Krieg, Tier- und Umweltschutz

Bürgerinitiativen

– Versuch der Neonazis, durch ein bürgerlich-gemäßigtes Auftreten mehr Zulauf zu bekommen
– Beispiele rechtsextremer Gründungen / Dominanzen: ?Bürgerinitiative Schöner Wohnen in Wolgast? (gegen eine Asylbewerber-Unterkunft)
– „Initiative für eine gentechnikfreie Region Nebel/Krakow am See? (Versuch, über den Anti-Gentechnik-Ansatz Kontakt zu Menschen außerhalb des rechtsextremen Spektrums zu bekommen)

Vereine

– Organisationsform zur Unterstützung der Szene
Beispiele:
– ?Junge Landsmannschaft Ostdeutschland?, organisiert Neonazi-Aufmärsche in Dresden
– ?Deutsche Rechtsbüro? berät und vertritt Neonazis vor Gericht
– ?Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene? unterstützt Nazis im Gefängnis
– 2 wichige Vereine sind 2009 verboten worden: Collegium Humanum (?Denkfabrik?, Holocaustleugnung) und ?Heimattreue Deutsche Jugend? (Arbeit mit Kindern)

Rechtsextreme Aktivitäten

Parlamente

– Aktuell ist die NPD nicht im Bundestag vertreten.
– Aber dafür ist die NPD in 2 Landtagen vertreten (Sachsen, 8 Mandate, Mecklenburg-Vorpommern, 6 Mandate)

Kommunalpolitik

– Die NPD ist mit rund 330 Mitgliedern in Kommunalparlamenten in 14 Bundesländern (alle außer Bremen und Hamburg) vertreten
– Pro NRW ist mit 17 Personen in Kommunalparlamenten in Nordrhein-Westfalen vertreten

Soziale Frage / „Kümmerer“

– Bürgerbüros
– Hausaufgabenhilfen für Schüler
– Feste in ländlichen Gegenden, wo es wenig Aktivitäten gibt
– Engagement in Bürgerinitiativen

Jugend- und Subkulturen

– 165 rechtsextreme Bands in Deutschland kennt der Verfassungsschutz (2009: 151)
– Rechtsextreme Liedermacher und Liedermacherinnen: 29 (2009: 33)
– 128 rechtsextreme Konzerte (2009: 125)
– Rechtsextreme Bands oder Gruppierungen gibt es in nahezu allen jugendlichen Subkulturen, neben Rock, Heavy Metal, Volksmusik, Liedermacher z.B. HipHop, Techno; aktuell besonders verbreitet: NS-Hatecore (NSHC), NSBM (National Socialist Black Metal)

Erlebniswelt / Parallelwelt Rechtsextremismus

– 87 rechtsextreme Versände und Musikvertriebe (2008: 68)
– 31 rechtsextreme Verlage: bringen 81 rechtsextreme Publikationen heraus, die mindestens quartalsweiseerscheinen; auch Bücher, DVDs
– Clubs und Partys
– Hobby: Tanzgruppen, Geschichtsvereine
– Handwerksbetriebe, Bauernhöfe

Internet

– 1.872 rechtsextreme Internetseiten
– Websites von Gruppierungen und Parteien, Informationsportale
– Einfacher Zugang zu rechtsextremer Musik, Videos, Propagandamaterial
– Auch skurrile Zugänge (Humor, Sprühschablonen, Nazi-Flirtbörsen)
– Wachsend: Beiträge in Sozialen Netzwerken: 2009 = 2.000 beobachtete Beiträge, 2010 = 6.000 beobachtete Beiträge.

Schule

– Spezielle Angebote, um Schüler zu begeistern: Schulhof-CDs mit rechter Musik, Comics, (Schüler-) Zeitungen
– Mailings oder Briefe an Schülervertreter
– Engagement in sozialen Netzwerken im Internet, die Schüler besuchen

148 Demonstrationen (2009: 143)

Gewalttaten

– 182 Todesfälle rechtsextremer und rassistischer Gewalt nach 1990 (Zählung der Amadeu Antonio Stiftung; Innenministerium: 47)
– 2010: 15.905 rechtsextreme Straftaten: (2009: 19.468; 2008: 20.422) (mehr Info)
– Davon rechtsextreme Gewalttaten: 762 (2009: 959; 2008: 1.113), davon 738 Körperverletzungen
– Propagandadelikte: 11.384 (2009: 13.295)
Volksverhetzung: 2.279 (2009: 2956)
– Tendenz: relativ stabil auf hohem Niveau; 2008 leichter Anstieg, 2009 leichter Abstieg, 2010 weiter leichter Abstieg
| Chronik rechtsextremer Gewalt auf mut-gegen-rechte-gewalt.de

Sport

– Überschneidungen zwischen der Hooligan-Szene im Fußball und Rechtsextremen
– Wahrnehmungs-Problem: Oft erscheint politisch motivierte Gewalt als ?Rivalität unter Fans?
– Fanclubs und Vereine werden z.T. auch gezielt unterwandert, es gibt sogar rechtsextreme Fußballvereine
– Rassismus und Antisemitismus sind in unteren Ligen Alltag
– Deutscher Fußballbund engagiert sich, um dem entgegen zu treten

Warum werden Menschen rechtsextrem?

Darüber forscht die Wissenschaft noch kontrovers und kommt auf diverse Faktoren, die als sich ergänzend verstanden werden müssen.

Als Grundmuster ist zu erkennen: Wer selbst keine Anerkennung erfährt, versucht sie sich dadurch zu besorgen, dass er andere abwertet, um sich selbst aufzuwerten. Außerdem bieten rechtsextreme Einstellungen mit ihrem starren Weltbild scheinbar einfache Erklärungsmuster für komplexe Lebensprobleme, denn Schuld ist immer jemand anders. Dazu kommt, Menschen als ungleichwertig anzusehen und sich daraus das Recht abzuleiten, anderen Gruppen Menschenrechte abzusprechen – sogar durch Gewalt und Mord.

Rechtsextreme Einstellungen helfen:

– sich in einer komplexen Welt zu orientieren und einen Platz zu finden
– eine Identität zu finden
– sich eine komplexe Welt zu erklären
– Verantwortung für Probleme auslagern und abschieben zu können

Rechtsextreme Welterklärungsmuster liefern einfache scheinbare Verantwortliche für Probleme wie

– das Gefühl eines sozialen Abstiegs
– das Gefühl, unbedeutend zu sein und nur noch als Randgruppe wahrgenommen zu werden
– das Gefühl, nicht mehr zur Gesellschaft zu gehören
– das Angst vor einer unsicheren gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Zukunft.
– Wer andere abwertet, fühlt sich selbst dadurch aufgewertet.

Dazu kommt die Unzufriedenheit mit wirtschaftlich-sozialen und politisch-kulturellen Verhältnissen (Einheit, Demokratie, Zukunftspersepktive). Und als Persönlichkeitseigenschaften Ich-Schwäche, Autoritarismus, Dogmatismus und Konventionalismus.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Europa

– Europaweit gibt es hohe Zustimmungsraten zu
Islamfeindlichkeit (50%)
Fremdenfeindlichkeit (50%)
Antisemitismus (40%)
Rassismus (30%)
– In den östlichen Ländern Europas (untersucht wurden Polen und Ungarn) waren die Zustimmungsraten eher überdurchschnittlich.
– Deutschland liegt im Mittelfeld.

Quellen:
– Verfassungsschutzbericht 2010 (pdf zum Download)
– Verfassungsschutzbericht 2009 (Download)
– Pressematerialien zur Vorstellung der Studie „Deutsche Zustände. Band 8„, hrsg. von Wilhelm Heitmeyer
– Studie „Europäische Zustände“ von Andreas Zick
– diverse Presseberichte
„Kleine Anfragen“ im Bundestag von Petra Pau

– Richard Stöss: Rechtsextremismus im Wandel. Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin, 2010.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| Verfassungsschutzbericht 2010: Weniger Rechtsextreme, mehr Gewalt – vor allem im Osten

| Übersicht: Die wichtigsten Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht 2010

| Wie ist die Entwicklung im Vergleich 2008 und 2009? Verfassungsschutzbericht 2009: Rechtsextremismus weiter „auf hohem Niveau“

Zuletzt aktualisiert am 25.11.2011

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