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Rechtsrock & Rechtsterror – Teil 3 „Oidoxie“

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(Quelle: AAS)

Die Rechtsrock-Band „Oidoxie“ wurde 1995 in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) gegründet. Bis heute ist der Gründer und Sänger Marko Gottschalk nicht nur die Führungsfigur der Band, sondern auch einer der einflussreichsten Neonazis Deutschlands im militanten Spektrum. Gottschalk, der lange Mitglied der „Kameradschaft Dortmund“ um Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt gewesen ist, besuchte 1999 gemeinsam mit Borchardt die Hochzeit des extrem rechten Multifunktionärs Thorsten Heise. Als 2003 das Haus des „Oidoxie“-Sängers im Zuge polizeilicher Ermittlungen durchsucht wurde, stießen die Ermittler*innen im Telefonbuch des Musikers auf die Nummer Heises. Als 2005 die CD „Terrormachine“ zum 10-jährigen Bandjubiläum veröffentlicht wurde, erschien sie auf dem Label „W+B Medien“ des Multifunktionärs. Auf der CD singt Gottschalk: „Fighting for our nation, fighting against the scum | If you see the hate in our face, you should better run | Fighting for better nations, we want our cities clean | This is the terrormachine, this is Combat 18!“ Die engmaschige Verflechtung zwischen Gottschalk und Heise ist einer der Schlüssel, um das rechtsterroristische Potenzial der deutschen Neonazi-Szene verstehen zu können. Denn nach umfassenden Recherchen der antifaschistischen Plattform „EXIF“ eint sie die Verbindungen in das Milieu von „Blood & Honour“ (B&H, deutsch: „Blut und Ehre“) und „Combat 18“ (C18, deutsch: „Kampfgruppe Adolf Hitler). C18 ist der paramilitärische Arm von B&H.

„We are Combat 18, who the fuck are you?“

Der Rechtsrock-Experte Jan Raabe schrieb 2016, keine andere Band aus Deutschland beziehe sich derart stark auf C18 wie „Oidoxie“. In der Tat hat sich die Dortmunder Rechtsrock-Band in ihrer 25-jährigen Geschichte in mehreren Liedtexten zur C18-Militanz bekannt. Man denke neben „Terrormachine“ (2005) an das 2009 veröffentlichte Lied „Ready for War“: „We are full of hate for you, C18 stands on our banner | A radical army for freedom, aryan blood, pride and honour“. Am Ende fragt Gottschalk: „We are Combat 18, who the fuck are you?“ Das Rechtsrock-Projekt „Straftat“, bestehend aus Gottschalk und einem „Oidoxie“-Bandkollegen, veröffentlichte im selben Jahr den Tonträger „Hail C18“. Das gleichnamige Lied glorifiziert die „freedom fighters in the darkness“ und richtet sich gegen die „ZOG“ („Zionist Occupied Government“, deutsch: „zionistisch besetzte Regierung“). Das Akronym ist ein Code für das angebliche „Weltjudentum“. In den letzten Jahren lässt sich ein Wandel in den Liedtexten feststellen. Die unmissverständlichen C18-Bezüge bleiben aus. Allerdings spart die Band keineswegs mit Gewaltdrohungen. Gottschalk singt auf dem Album „Wir bleiben unbequem“ (2018): „Wir sind brennendes Benzin“ und „Wir sind hier, um zu verletzen | Mit unseren Worten und unseren Texten | […] | Dies ist eine Warnung, legt Euch nicht mit uns an | […] | Doch stellt ihr Euch uns in den Weg | Dann bleibt Euch nichts erspart“. Im Lied „Don’t Back Off“ drohen die Musiker mit Selbstjustiz gegen die Feinde: „They are killing our country | Thousands of crimes every day | We can’t take this anymore | We have to make them pay“. Das Album, das auf dem Label Heises erschien, wurde bis heute nicht indiziert.

2012: C18-Neustrukturierung, 2020: Offizielles C18-Verbot

2012 gründete sich laut „EXIF“ die „autorisierte“ deutsche C18-Division. Die Mitglieder der deutschen C18-Division stammen zum „signifikanten Teil“ aus der „Oidoxie Streetfighting Crew“ (OSC), die sich 2002/03 um die Rechtsrock-Band „Oidoxie“ bildete. Somit ist die OSC die „wichtigste Vorläuferstruktur“ der Division. Entsprechend bildet der Raum Dortmund einen regionalen Schwerpunkt der C18-Struktur. Die C18-Neustrukturierung wurde laut EXIF am 03. März 2012 im Rahmen des „Frihetsrock“-Konzerts mit „Oidoxie“ in Schweden beschlossen. Die Neonazis reisten u.a. aus Deutschland, England und den skandinavischen Ländern an. Sie ist wohl lediglich die Weiterführung einer militanten Struktur, die bereits seit den 1990er Jahren besteht. Mit der Neustrukturierung setzte die verstärkte Vermarktung des C18-Labels ein. Beispielsweise erschien 2018 ein „Combat 18 Deutschland“-Sampler, der auf dem Cover ein C18-Emblem samt Hakenkreuz zeigt. Auf dem Tonträger ist „Oidoxie“ mit einem Coversong der britischen Rechtsrock-Band „No Remorse“ vertreten. Das offizielle Verbot der deutschen C18-Division (23.01.2020) traf, so die Einschätzung von „EXIF“, bloß einen Bruchteil der rechtsterroristischen Struktur. Es fand u.a. eine Razzia bei Stanley R. aus dem Raum Kassel statt. Laut „Panorama“ sammelte der „Sektionsführer“ über Jahre hinweg die C18-Mitgliedsbeiträge. Gottschalk kennt R. seit Jahren: Auf dem Cover der „Straftat“-CD „Steh wieder auf!“ (2007) sind die beiden im OSC-Shirt abgebildet und im Beiheft der CD „Hail C18“ (2009) werden Grüße an „Stanley und die Kasseler“ und „C18 worldwide“ gerichtet. C18-Divisionen existieren mittlerweile in ca. 25 Ländern. Die ausländischen Divisionen sollen teils im Rahmen von „Oidoxie“-Konzerten ins Leben gerufen worden sein.

NSU & Ermordung Mehmet Kubaşıks: Welche Rolle spielen „Oidoxie“?

Der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) – das rechtsterroristische Netzwerk um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, das zwischen 1999 und 2007 für mindestens zehn Morde, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verantwortlich ist – erschoss unter anderem auch Mehmet Kubaşık (04.04.2006, Dortmund) und Halit Yozgat (06.04.2006, Kassel). Die Polizei ermittelte lediglich im familiären Umfeld der Opfer. Hätte sie im Falle des Dortmunder NSU-Mordes zur lokalen Neonazi-Szene ermittelt, wäre sie auf die Rechtsrock-Band „Oidoxie“, die OSC und eine aktive C18-Zelle gestoßen. Obwohl die Nebenklage im Münchener NSU-Prozess eine Vielzahl an Beweisanträgen gestellt hatte, konnte – bis heute – nicht aufgeklärt werden, ob das NSU-Kerntrio durch lokale Netzwerke unterstützt wurde. Es bleibt z.B. die Frage offen, ob lokale Unterstützer*innen an der Auswahl des Tatortes beteiligt waren. Der Rechtsanwalt Carsten Ilius, der die Witwe von Mehmet Kubaşık im Prozess vertrat, stellte den Kenntnisstand in seinem Plädoyer dar. Das umfangreiche Plädoyer ist 2018 im Buch „Kein Schlusswort. Nazi-Terror, Sicherheitsbehörden, Unterstützernetzwerk“ erschienen. Im Folgenden werden die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst: „Oidoxie“ pflegte Kontakte im sächsischen und thüringischen NSU-Umfeld. So trat die Band im Oktober 1996 mit „Westsachsengesocks“ um Ralf „Manole“ Marschner in Wildenfels (Sachsen) auf. Der Zwickauer Neonazi und ehemalige V-Mann, dessen Telefonnummer im Rahmen einer Razzia in Gottschalks Wohnung gefunden wurde, gilt als eine Schlüsselfigur im NSU-Umfeld. Außerdem trat „Oidoxie“ am 27. Dezember 1997 im regelmäßigen Treffpunkt des „Thüringer Heimatschutzes“ in Heilsberg (Thüringen) und am 14. Juli 2001 mit der Rechtsrock-Band „Blitzkrieg“ in Belgien auf. „Blitzkrieg“ setzte sich aus Chemnitzer Neonazis des engen NSU-Umfeldes zusammen. Das Konzert wurde von der rechtsterroristischen, 2006 verbotenen B&H-Gruppe „BBET“ („Bloed-Bodem-Eer-Trouw“, deutsch: „Blut-Boden-Ehre-Treue“) veranstaltet.

… OSC & die C18-Zelle?

Die OSC, die übrigens bis heute besteht, organisierte Konzerte und stellte Saalschutz. Die Mitglieder stammten aus dem Umfeld der „Kameradschaft Dortmund“ und der Kasseler Kameradschaft „Sturm 18“. Neben Gottschalk sollen Robin Schmiemann und der ehemalige V-Mann Sebastian Seemann die einflussreichsten Mitglieder aus Dortmund gewesen sein. In dieser Zeit sollen mehrere OSC-Mitglieder eine militante C18-Zelle gegründet haben. 2006, im Jahr des Mordes an Mehmet Kubaşık, stellte die Zelle ihre Aktivitäten ein. Die C18- und OSC-Mitglieder waren – und sind – militant. Beispielsweise äußerte Seemann im Jahr 2005 gegenüber nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden, dass er Schusswaffen an Neonazis verkauft sowie Schrotflinten und eine Pistole bei Neonazis gelagert habe. Gemeinsam mit Michael Berger hatte er Schießübungen durchgeführt, ehe jener am 14. Juni 2000 drei Polizisten in Dortmund und Waltrop erschoss. Schmiemann, späterer Briefkontakt von Beate Zschäpe, überfiel 2007 einen Supermarkt und verletzte einen tunesischen Kunden schwer. Er gestand, Seemann habe ihn zum Raubüberfall angestiftet und ihm die Tatwaffe besorgt. Trotz der Militanz unterließ die Polizei, selbst nach der Selbstenttarnung des NSU-Kerntrios, sämtliche Ermittlungen in den lokalen C18- und OSC-Strukturen. Nach Einschätzung des Nebenklage-Anwaltes Ilius hätten die Ermittlungen in den lokalen Strukturen spätestens einsetzen müssen, nachdem Seemann behauptete, er könne Angaben zur C18-Zelle (er nannte sie „Kampfgruppe Gottschalk“) sowie zur möglichen Herkunft der NSU-Tatwaffen machen. Aber die Ermittlungen gegen Gottschalk & Co. sind unterblieben. Weder Gottschalk noch Seemann wurden im Prozess befragt.

Lesen Sie auch Teil eins („Landser“ und die „Lunnikoff Verschwörung“) und Teil zwei („Race War“ und „Heiliger Krieg“) dieser Reihe. 

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