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Scharnierorgane – Medien zwischen Rechtsextremismus und Mainstream

Scharnierorgane verbinden den Rechtsextremismus mit der übrigen Gesellschaft. Sie vertreten rassistische und nationalistische Positionen häufig in abgeschwächter Form und distanzieren sich von den aggressiveren Teilen der Szene. Dies gilt in der Regel für rechtsintellektuelle Blätter, die der so genannten ?Neuen Rechten? zuzuordnen sind.

 

Für die Bindegliedfunktion dieser Periodika ist es kaum erheblich, ob das Organ insgesamt als rechtsextremistisch im Sinne der Verfassungsschutzbehörden, das heißt als verfassungsfeindlich, an-zusehen ist. Das Scharnierorgan par excellence ist die Junge Freiheit (JF). Ihre Zielgruppe hat die JF recht genau im Blick: Sie fischt am Zusammenfluss von Rechtsextremismus und Wertkonservatismus nach akademisch gebildeten Rezipienten in der ersten Lebenshälfte. Sie ist das Flaggschiff der Neuen Rechten, die sich bedächtiger im Ton gibt und das Image der Ewiggestrigen loswerden will. Ein Leserbriefschreiber brachte den gewünschten Platz des Blattes auf den Punkt: Die Zeitung sei ein Ansatz, ?um die gewaltige Marktlücke zwischen Bayernkurier/Rheinischer Merkur einerseits und Frey-Presse andererseits zu füllen.?

Der rechte Rand des Vertriebenenspektrums wie auch des Burschenschaftswesens ist als Zielgruppe für Scharnierorgane besonders wichtig. Zum Scharnierorgan hat sich das Ostpreußenblatt, die Zeitung der Landsmannschaft Ostpreußen, entwickelt: Es tritt nach wie vor für die Rückgewinnung der ehemaligen deutschen Ostgebiete ein und hat verschiedentlich Aversionen gegen Flüchtlinge geschürt, die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost sowie Sympathie für die Republikaner erkennen lassen. Ähnlich wie in der JF finden sich hier sowohl Autoren und Werbeanzeigen des rechtsextremistischen Lagers als auch des wertkonservativen, demokratischen Spektrums. Deutlicher Position bezieht die Recklinghäuser Wochenzeitung Der Schlesier (Auflage: 8.500 bis 10.000), die an ihrer rechtsextremistischen Ausrichtung kaum Zweifel lässt. Die Landsmannschaft Schlesien hat sich daher 1988 von ihrem ehemaligen Hausblatt getrennt; heute dient die Zeitung als Sprachrohr der rechtsextremistischen Splittergruppe Zentralrat der vertriebenen Deutschen.

Dieser Auszug des Essays „Publikationen und Verlage“ ist aus dem Buch Handbuch Rechtsradikalismus, Thomas Grumke und Bernd Wagner (Hrsg.), Leske + Budrich, 2002

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