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Seitenblick Was passieren kann, wenn sich ein Opfer wehrt

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Bild aus einer Jugendausstellung in Neuruppin; Foto (Symbol): H. Kulick

Tibo R. (Name geändert) war am Abend des 24. September 2006 mit dem Zug in Bernburg angekommen und wollte von einer Telefonzelle vor dem Bahnhof noch ein Telefonat mit seiner Freundin führen. Die Telefonzelle war von einer jungen Frau belegt, so dass Zakaria S. wartete und währenddessen mit einem Passanten sprach. Ohne ersichtlichen Grund schrie ihn die Frau plötzlich an, er solle weggehen und beschimpfte ihn dabei mehrfach als „Scheiß Neger“. Daraufhin machte sich Tibo R. auf den Weg zum Asylbewerberheim. Kurze Zeit später bemerkte er, dass die Frau ihm folgte. Dann traf ihn unvermittelt ein Stein von hinten an den Rücken. Die junge Frau drohte ihm zudem, wenn er etwas gegen sie unternehmen würde, würden eine Gruppe von jungen Leuten, die in der Nähe stand, aussagen, er habe sie angegriffen. Danach warf die Frau einen zweiten Stein nach ihm. Tibo R. nahm beide Steine an sich und ging schnell weiter. Als die Frau einen weiteren Stein nehmen will, fordert er sie auf, aufzuhören und schlägt ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, ohne sie dabei zu verletzen.

Noch am gleichen Abend kamen zwei Polizeibeamte in die Flüchtlingsunterkunft. Tibo R. erzählte ihnen, was passiert war, übergab als Beweismittel die Steine und zeigte ihnen auch seine Verletzung am Rücken. Er hatte allerdings den Eindruck, dass die Beamten sich nicht ernsthaft dafür interessierten. Stattdessen versuchten sie, das Geschehene herunter zu spielen. Erst als der 36-jährige Flüchtling zwei Tage später als Betroffener einer rassistischen Beleidigung im Juli 2006, ebenfalls in Bernburg, bei der Polizei vernommen wurde, wurden Ermittlungen gegen die Frau eingeleitet. Der Leiter des Polizeireviers Bernburg bestätigte im Juni 2007 gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“ das Fehlverhalten der Beamten. Bereits im Falle der Beleidigung gegen den Betroffenen im Juli 2006 hatten Beamte der Bernburger Polizei falsch gehandelt und die Aufnahme einer Anzeige verweigert. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtages hat angekündigt, das Verhalten der Beamten in beiden Fällen zu untersuchen.

Für Tibo R. war es ein Schock, dass nun Anklage gegen ihn erhoben wird: „Ich bin aus meinem Heimatland Burkina Faso geflohen, um in Frieden leben zu können. Ich wollte keine Probleme mit dieser Frau auch wenn sie mich zutiefst gedemütigt hat. Es ist ungerecht und macht mich sehr traurig, dass ich nun auf der Anklagebank sitze.“, beschreibt Tibo R. seine Gefühle vor dem Prozess. Besonders bestürzt ist der Flüchtling über den Vorwurf, er hätte die Frau mit Steinen beworfen und sie mehrfach getreten. Zudem soll die Frau zum Tatzeitpunkt schwanger gewesen sein und das Kind kurz darauf verloren haben. „Tibo R. bleibt nichts anderes als darauf zu vertrauen, dass vor Gericht die Wahrheit zu Tage kommt und er freigesprochen wird,“ so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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