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Toxische Szene Neonazi mit Verbindungen ins Rocker-Milieu in Cottbus erschossen

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Der Neonazi Martin Miethke beim Training. Am 1. Märt wurde er nach ersten Erkenntnissen erschossen

Am Sonntagabend, den 1. März 2020, ist die Polizei kurz nach 20:30 Uhr zum Puschkinpark in Cottbus gerufen worden, da Zeug*innen dort Schüsse gehört und einen schwer verletzten Mann gefunden hatten. Der Mann konnte trotz Reanimationsversuchen durch Rettungsdienst und Notarzt nicht gerettet werden und verstarb, teilte die Polizei  am Montag mit.

Bei dem Toten handelt es sich um den 31-Jährigen Martin Miethke, einen umtriebigen Neonazi aus dem Raum Cottbus, der tief verwurzelt war in eine extrem gewalttätigen Szene aus Rechtsextremen, Rockern und Kampfsportlern. 2008 saß Miethke eine Jugendstrafe ohne Bewährung wegen Körperverletzung ab. Seither kamen immer wieder Verfahren wegen Körperverletzung, räuberischer Erpressung und Verstoß gegen das Dopinggesetz hinzu. 2013 wanderte er wieder in den Knast, wieder wegen Körperverletzung. Es gab auch Verfahren wegen Volksverhetzung gegen den Neonazi (vgl. BZ)

„Kampfgemeinschaft Cottbus“: Verbindungen ins rechtsextrem Hooligan-Milieu

Im April 2019 war Miethke dann von einer lokalen Großrazzia gegen die rechtsextreme Hooligan-Szene in Cottbus betroffen. Bei den Hausdurchsuchungen fand die Polizei unter anderem Waffen und Pyrotechnik. Gegen die Mitglieder der sogenannten „Kampfgemeinschaft Cottbus“ wurde schließlich wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Laut dem Brandenburger Verfassungsschutz wurde die „Kampfgemeinschaft Cottbus“ im Jahr 2017 gegründet und umfasste 2018 etwa 115 Personen und ist ein eher loser Zusammenschluss von Rechtsextremen aus dem Hooligan-, Kampfsport-, Security- und Türsteher-Milieu. Beteiligt seien hier auch ehemalige Aktivisten der inzwischen verbotenen rechtsextremen Hooligangruppe „Inferno Cottbus“.  

Türsteher und Sicherheitsgewerbe 

Laut dem Rechercheblog „Runter von der Matte“ war auch Miethke in dieser hochexplosiven Mischzene aktiv. Zentral sei dabei die extrem rechte Kampfsportmarke „Black Legion Wear“ aus Cottbus, deren Schlüsselfiguren selbst hauptberuflich Tätigkeiten im Sicherheitsbereich anbieten, so „Runter von der Matte“. Auch Miethke habe an der Tür im „Scandale Club“ in Cottbus gearbeitet.

In Cottbus hat sich die Neonazi-Szene ein beachtliches Wirtschafts-Netz aus Kleidungsmarken, Hassmusik und Security-Gewerbe aufbauen können. Auch Miethke plante ein Geschäft für Fitnessprodukte und vegane Ernährung namens „Löwenzahn“ in Cottbus. Dazu kam es nicht. Der Laden wurde im Frühjahr 2019 wieder geräumt. Nicht weit entfernt des ehemaligen Standorts des „Löwenzahn“ fanden Zeug*innen am Sonntag den angeschossenen Miethke. 

„Kampf der Nibelungen“-Kämpfer: Rechtsextremer Kampfsportler

Eines seiner großen Hobbys war wohl das Stählen seines Körpers. Auf Social Media findet man zahlreiche Bilder, auf denen er sichtlich stolz seinen durchtrainierten Körper zur Schau stellt. 2018 trat er für das „Black Legion“-Team bei neofaschistischen Kampfsport-Event „Kampf der Nibelungen“ (KDN) im sächsischen Ostritz an. Laut „Runter von der Matte“ wurde er vom ehemaligen Vorsänger von „Inferno Cottbus 99“ und von einer Schlüsselfigur der „Spreelichter“ gecoacht. 

Martin Miethke 2018 beim faschistischen Event „Kampf der Nibelungen“

In jüngster Zeit konzentrierte sich der Tote jedoch eher aufs Bodybuilding und auf das Coaching. Offenbar wollte er im Mai 2020 an den Qualifikationsmeisterschaften des National Athletic Comitee Germany (NAC) in Fürstenwalde teilnehmen, einem Wettkampf für Bodybuilder.

Tipps für den Wettbewerb bekam er unter anderem von Maik Bunzel, der an den Meisterschaften 2018 teilgenommen hatte. Der Cottbusser Bunzel ist mittlerweile ein beliebter Szene-Anwalt. Zuvor war er  Sänger der Rechtsrock-Band „Hassgesang“. Die Band rief in ihren Liedern zu Morden an Jüd*innen, POCs und Politiker*innen auf und bekannte sich zum verbotenen terroristischen Netzwerk „Blood and Honour“, so ein Bericht von Spiegel TV. Bunzel galt zudem laut Brandenburger Innenministerium als zentrale Führungsfigur der „Spreelichter“, so der Tagesspiegel. Mittlerweile ist Bunzel als promovierter Anwalt tätig. Erstgutachter seiner Dissertation war ausgerechnet Ralph Weber, Professor an der Universität Greifswald und extrem rechter AfD-Politiker in Mecklenburg-Vorpommern. Bunzel wurde in Bayern Richter auf Probe, kam jedoch 2013 einer Entlassung aus dem Staatsdienst zuvor. Seither ist er Szeneanwalt.

Die explosive Allianz aus Rockern und Neonazis

Neben all diesen Verstrickungen kommt noch eine Vernetzung der rechten Szene ins kriminelle Rocker-Milieu hinzu. Generell tummeln sich alternde Neonazis gerne in Motorradgangs – und rechtsextremistische Bruderschaften kopieren das Verhalten einschlägiger Bikerclubs. So auch in Cottbus. Die Verbindungen zwischen Neonazis und Rockern werden hier so offen zur Schau gestellt wie selten. Die „Kampfgemeinschaft Cottbus“ hatte vor allem engen Kontakt zum „Provokateur MC“ (PMC). Und auch der nun getötete Miethke war mit dem PMC verbunden, das belegen zahlreiche Bilder, die ihn in freundschaftlicher Umgebung mit den Rockern zeigt. Der Rockerklub „Provocateur MC Eastside“ veröffentlichte eine Trauererklärung. Laut LKA Brandenburg wird der MC als Unterstützerklub für die „Hells Angels“ gelistet. 

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