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Trump Von einer der ältesten Demokratien zur neuesten Diktatur?

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Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in New Hampshire. (Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Matt Rourke)

Die erste Vorwahl der Republikaner, ausgerechnet im wichtigen „Swing State“, dem US-Bundesstaat Iowa, hat Donald Trump klar für sich entschieden. Der Ex-Präsident konnte mehr als doppelt so viele Stimmen für sich verbuchen wie der Zweitplatzierte Ron DeSantis, der erzkonservative Gouverneur Floridas, der auf dem besten Weg ist, den „Sunshine State“  zur No-Go-Zone für Frauen und LGBTQ* zu machen. DeSantis will nicht mehr antreten und unterstützt jetzt Trump. Auf Platz drei landete Nikki Haley, ehemalige Gouverneurin von South Carolina und während desssn erster Amtszeit Trumps Botschafterin bei den Vereinten Nationen. Haley gilt als die einzige etwas gemäßigtere Bewerberin der Republikaner um das Präsident*innenamt. Abgeschlagen auf Platz vier landete Vivek Ramaswamy. Der hunderte Millionen schwere Hedgefondsmanager hat seine Bewerbung ebenfalls zurückgezogen und ruft seine Anhänger*innen nun auch auf, Trump zu unterstützen.

Erst Mitte Juli wird auf dem Parteitag der Republikaner final entschieden, wer für die konservative Partei in den Wahlkampf ziehen wird. Bis dahin wird es noch mehrere Vorwahlen geben. Schon am 23. Januar geht es in New Hampshire weiter, im Februar dann in Nevada, South Carolina und Michigan. Der erste Höhepunkt der Vorwahlen findet am 5. März statt, dem sogenannten Super Tuesday, an dem 15 Bundesstaaten über den oder die republikanische Kandidat*in abstimmen. Und doch sind die Umfragen aktuell eindeutig.

Donald Trump ist der klare Favorit bei den Vorwahlen. Die Chancen, dass der Ex-Präsident für die Republikaner*innen antritt, sind hoch. Und auch die Umfragen zur Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 tendieren aktuell eher zu Trump. Die US-Amerikaner*innen bieten in den Umfragen erneut ein sehr gespaltenes Bild. Nur wenige Prozentpunkte trennen Amtsinhaber Joe Biden und den Ex-Präsidenten. Eine Umfrage vom 18. Januar von Redfield & Wilton Strategies etwa sieht Biden bei 41, Trump bei 42 Prozent. Das Umfrageinstitut Harris sieht Biden bei 40, Trump bei 43 Prozent. YouGov prognostiziert hingegen 44 Prozent für Biden und 43 Prozent für Trump.

Es sind bemerkenswerte Zahlen. Denn offenbar haben die unendlichen Skandale vor, während und nach seiner ersten Amtszeit dem ehemaligen Präsidenten nicht geschadet. Zahllose unerfüllte Wahlversprechen, Vorwürfe von Korruption und sexueller Belästigung, seine Rolle bei der „Erstürmung“ des Kapitols am 6. Januar 2021, insgesamt 91 Verfahren, anhängige Gerichtsprozesse, die offensichtlichen Lügen über die angeblich gestohlene Wahl: Seinen Wähler*innen ist es egal. Vielmehr scheint es sie in ihrem Wahlvorhaben zu bestärken.

Was die USA und die Welt in einer zweiten Amtszeit Trump erwarten könnte, muss Demokrat*innen global große Sorgen bereiten. Immerhin: Der Ex-Präsident hat mittlerweile mehrfach bestätigt, kein Bewunderer von Adolf Hitler zu sein. Was für einen Kandidaten für die US-Präsidentschaft unter normalen Umständen selbstverständlich sein sollte, wurde beim 45. Präsidenten der USA infrage gestellt, nachdem Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in New Hampshire gesagt hatte, dass Einwander*innen „das Blut des Landes vergiften“. Doch Trump stellt in einem Radiointerview klar: „Ich weiß gar nichts über Hitler. Ich bin kein Schüler von Hitler. Ich habe seine Werke nie gelesen. Er hat es übrigens auch nicht so gesagt wie ich. Es ist ein ganz anderes Statement. Was ich sage, wenn ich über Leute rede, die in unser Land kommen ist, dass sie unser Land zerstören.“

Auch seine Ankündigung, die USA, immerhin eine der ältesten Demokratien der Welt, an seinem ersten Tag im Amt als Diktatur zu führen, stieß auf Kritik. Sofort will der Präsident nämlich die Grenzen des Landes schließen und nach Öl und Gas bohren lassen. Offenbar auch auf Land, das bisher nicht erschlossen werden darf. „Danach bin ich kein Diktator mehr“, so Trump im Interview mit dem Nachrichtensender FOX. Doch auch in seinem Wahlprogramm geht es vor allem darum, die Macht der Exekutive drastisch auszubauen und die der Judikative stark zu beschneiden. Insbesondere die Gerichte hatten Trump das Leben immer wieder schwer gemacht, man denke nur an den viel beschworenen „muslim ban“, der durch verschiedene Gerichte immer wieder gekippt wurde. Oder die Versuche, die angebliche gestohlene Wahl 2020 anzufechten, die unter anderem von mehreren von Trump selbst eingesetzten Richter*innen abgeschmettert wurden.

Beobachter*innen sind sich sicher, dass viele von Trumps Plänen aus seiner ersten Amtszeit auch deshalb scheiterten, weil das Team des Präsidenten nicht wirklich auf den Sieg über Hillary Clinton vorbereitet war und auf erheblichen Gegenwind aus Behörden und Verwaltung stieß. Doch auch das soll sich im Falle einer zweiten Amtszeit ändern. Noch als Präsident hatte Trump Schedule F eingeführt. Eine „Executive Order“, die bis zu 50.000 Beamt*innen neu einstufte und ihre Entlassung oder Versetzung durch den Präsidenten erleichterte. Zwar machte die Biden-Administration die Verordnung umgehend wieder rückgängig, es gilt jedoch als sicher, dass Schedule F unter Trump zurückkehren wird. Offenbar stehen erzkonservative, wenn nicht quasi faschistische Organisationen wie die Heritage Foundation und das America First Policy Institute bereits in den Startlöchern, um Trump-treue Kader in allen Ebenen von Behörden und Verwaltung zu etablieren. Bei der Besetzung des Obersten Gerichtshofs ist dem Ex-Präsidenten das schon in seiner ersten Amtszeit gelungen. Er hatte mehrere extrem konservative Richter*innen eingesetzt, die den Supreme Court auf Jahre beeinflussen können.

Doch Trump will nicht nur in Behörden durch-, sondern auch politische Gegner*innen an anderen Fronten angreifen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im November 2023 kündigte er in einer Rede an, „Kommunisten, Marxisten, Faschisten und die linksradikalen Gangster, die wie Ungeziefer in unserem Land leben – die lügen und stehlen und bei den Wahlen betrügen“ an ihren Wurzeln zu bekämpfen.

Außenpolitisch wird eine zweite Amtszeit von Trump ebenfalls dramatische Veränderungen bedeuten. „I don’t give a shit about NATO“ – Die NATO sei ihm scheißegal – soll Trump gegenüber seinem ehemaligen Sicherheitsberater John Bolton gesagt haben. Während seiner ersten Präsidentschaft hatte Trump mehrfach angedroht, das Militärbündnis zu verlassen. Die zweite Amtszeit könnte diese Drohungen Realität werden lassen, weil auch in der republikanischen Partei keine gemäßigten Stimmen mehr übrig bleiben, die als Berater*innen Trump von einem Austritt – oder bei einer ausbleibenden Zweidrittelmehrheit im Kongress – vom Nichtnachkommen der NATO-Verpflichtungen, abhalten könnten, analysiert die Journalistin und Historikerin Anne Applebaum im Atlantic. Für die Ukraine, EU und zu guter Letzt auch Deutschland könnte sich damit angesichts der russischen Aggression ein extrem bedrohliches Bild ergeben.

Rechtsextreme Akteur*innen in den USA, aber auch Europa freuen sich jetzt schon auf vier weitere Jahre Chaos unter Trump. Die Abkehr von aufklärerischen Werten, Demokratie und Gleichwertigkeit, für die Donald Trump steht, ist für sie Idealvorstellung. Für die Alt-Right-Bewegung in den USA ist der 77-Jährige ein Held und wird seit seinem ersten Wahlkampf gefeiert. Aber der Ex-Präsident gilt antiemanzipatorischen und antidemokratischen Kräften auf der ganzen Welt als Vorbild. Rechtsextreme erhoffen sich, dass die USA sich weiter isolieren und weniger Einfluss auf die internationale Politik nehmen werden. Die Fans des rechtsextremen Aktivisten Martin Sellner etwa freuen sich unter einem Telegrampost des Österreichers zum Ausscheiden von Ron DeSantis aus dem Rennen um die Präsidentschaft schon auf Trumps möglichen Sieg und einen „Deutschland Erwache“-Moment: „Der Vorteil wird sein, dass wir uns in dem Moment, in dem die USA ihren Fokus von uns abwenden, selbst wieder aufrichten und von den USA emanzipieren können. Wenn wir Deutschen entfesselt sind, können wir großartige Dinge vollbringen.“

Es bleibt zu hoffen, dass die Erwartungen von Neonazis und Faschist*innen nicht erfüllt werden. Noch liegen die US-Wahlen in weiter Ferne. Erst im November wird sich abschließend klären, ob die Vereinigten Staaten sich weiter nach Rechtsaußen bewegen werden und ob aus einer der ältesten Demokratien für mindestens einen Tag eine Diktatur werden wird.

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