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Wenn Offenheit zum Schimpfwort wird – Antisemitismus als Lackmustest der Demokratie

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Blumen von der Synagoge in Kopenhagen. Hier wurde am 14.02. ein Zivilist erschossen und zwei Polizisten verletzt. Am gleichen Tag wurden bei einem Attentat zwei Menschen auf einer Diskussionsveranstaltung über Meinungsfreiheit erschossen. (Quelle: flickr/ Creative Commons / Kim Bach)

Wenn Europa nicht versteht, wie sehr der Antisemitismus mit der Feindschaft gegen die offene Gesellschaft zusammenhängt, wird es seine Offenheit nur schwer verteidigen können. Der Antisemitismus kehrt zu seinen Wurzeln zurück, er braucht längst nicht mehr den Umweg über Israelhass. Er ist die gemeinsame Ideologie von Islamisten, Antiimperialisten gegen Amerika (Russland ist zwar Imperium, darf es für diese Leute aber ungehindert sein), Verschwörungsideologen aller Art, Aluhüten und Pegidisten, Neonazis und durchknallten Technikfeinden. Dabei liegen sie auf der Hand: Vor 75 Jahren, am 13. Februar 1940 wurden alle Juden aus Pommern deportiert und von Stettin aus in die Vernichtung geschickt. Diese Aktion galt als Versuchsballon. Die deutschen Nazis, Kollaborateure und Profiteure wollten testen, ob sie mit Widerstand zu rechnen haben oder so weitermachen können. Wir kennen das Ergebnis. Fünf Jahre später bombardierten die Alliierten Dresden und bis heute ist es vielen Dresdnern nicht beizubringen, dass das eine mit dem anderen zu tun hatte.

Antisemitismus findet seine jüdischen Opfer. Die mag man mitunter zynisch ignorieren, weil sie bei den paar Juden, die übriggeblieben sind, kaum ins Gewicht fallen. Gewiss gibt es ein Vielfaches an Opfern von Rassismus, weswegen Rassismus zu Recht als großes Problem gesehen wird. Damit aber Antisemitismus zu relativieren, weil mangels Masse nur ab und zu Juden bespuckt, beschimpft, geschlagen oder erschossen werden, ist kurzsichtig. Denn heute steht er für eine Haltung gegen jede universalistische Liberalität und gegen den Kampf für Menschenrechte. Antisemitismus ist für sich ein Übel, doch darüber hinaus bleibt er der Lackmustest für das Gift in der Gesellschaft. Vor einigen Wochen konnten wir mit einem Bleistift kundtun, was wir vom Morden gegen die Freiheit halten. Das hat leider nicht lange vorgehalten. Vielleicht sollten wir jetzt den Bleistift beiseitelegen und uns darüber verständigen, ob wir in einer demokratischen Gesellschaft leben wollen oder in einer autoritären. Denn das sind ist die Alternativen, wenn die Herausforderungen und Gefahren nicht gesehen werden, die der Antisemitismus mit sich bringt. Ihn zu verniedlichen macht nichts besser – egal, wer der oder die Täter von Kopenhagen waren.

 

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