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Antisemitismus-Prävention stärken „Plötzlich waren viele überrascht, dass es einen antisemitischen Anschlag gab“

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(Quelle: picture alliance/Federico Gambarini/dpa)

Pro Tag werden zwei antisemitische Übergriffe in Berlin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) gemeldet. Erst am Mittwoch kam die Meldung, dass ein 70-Jähriger Rentner bei einem Spaziergang in Berlin-Pankow antisemitisch beleidigt und nach verbalem Widerstand geschlagen wurde. Die Meldungen antisemitischer Übergriffe häufen sich. Die Dunkelzahl der Beleidigungen, Anfeindungen und Angriffe im Alltag sind aber um ein Vielfaches höher. Die Politik sei gefordert, es brauche langfristige Regelstrukturen.

Die lauteste, zermürbendste Meldung war die des Halle-Anschlags, bei dem ein schwer bewaffneter, rechtsextremer Terrorist eine Synagoge am Jom Kippur zu stürmen versuchte, mit dem Ziel möglichst viele Jüd*innen zu ermorden. „Plötzlich waren viele überrascht, dass es einen antisemitischen Anschlag gab“, so  Prof. Dr. Samuel Salzborn, Antisemitismus- und Rechtsextremismusforscher. „Menschen die in dem Bereich tätig sind wussten, dass es nur eine Frage der Zeit ist.“ Damit unterstreicht der Antisemitismus- und Rechtsextremismusforscher das Expert*innenwissen und die Notwendigkeit der Initiativen. Es gehe darum Antisemitismus mit einer Mischung aus Prävention, Intervention und Repression zu bekämpfen. „Und diese Arbeit muss endlich in Regelförderstrukturen überführt und langfristig finanziert werden, nur so kann Bildungsarbeit gegen Antisemitismus wirklich erfolgreich sein.“

Die viel kritisierte Umstrukturierung bei “Demokratie leben!”  sei ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt ein fatales Signal, teilt Ulrike Becker vom Mideast Freedom Forum Berlin mit. „Wenn Antisemitismus ernsthaft bekämpft werden soll, kann es nicht sein, dass dafür immer wieder neue Strukturen geschaffen werden müssen“, so Becker über die kurzfristigen Förderphasen der essentiellen Demokratie-Programme.

Antisemitismus ist, wie auch andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, ein strukturelles Problem in der Gesamtgesellschaft, dass in jüngster Vergangenheit immer sichtbarer wurde. „Antisemitismus hat viele Facetten und findet sich in allen sozialen und ethnischen Gruppen“, so Anetta Kahane, Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. „Notwendigerweise muss gerade die Arbeit gegen Rechtsextremismus sich auch gegen Antisemitismus richten“, denn es gebe keine Rechtsextremen, die nicht auch Antisemiten seien.

Lala Süsskind vom Jüdischen Bildungswerk für Demokratie und gegen Antisemitismus ergänzt, dass die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus der Lackmustest für die freiheitliche Demokratie in Deutschland nach der Shoah sei. „Es ist eine politische Bildungsarbeit notwendig, in der auch der positive Beitrag des Judentums zur Entwicklung des aufgeklärten Humanismus, der Bürger- und Menschenrechte sowie der freiheitlichen Demokratie vorkommt.“

Kürzungen im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ bedrohen zahlreiche Demokratieprojekte, darunter einige aus dem Bereich der Rechtsextremismus und Antisemitismus Prävention. Im Oktober wurde bekannt, dass die 400 durch das Bundesprogramm geförderten Modellprojekten der letzten fünf Jahre auf 100 reduziert werden soll. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) strukturierte das Förderprogramm zudem um, dass kommunale Projekte zu Lasten der Modellprojekte mehr Geld erhalten können. Ein breites Bündnis aus 140 Organisationen und Einzelpersonen hat darum in einem offenen Brief an Giffey mehr Geld für Demokratie-Programme gefordert.

 

 

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