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Wird heute die NPD verboten? Update Nein

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Und schon feiert die NPD auf Facebook als "zweifacher Verbotsverfahrenssieger": Rund 168.500 Menschen gefällt das. Die politische Hass-Botschaft wird weiterhin gehört. (Quelle: Screenshot Facebook, 17.01.2017)

 

 

Die NPD kann nun feiern. Obwohl offen verfassungsfeindlich, mit dem Ziel, die Demokratie zu vernichten, Gewalt bejahend und menschenfeindlich, wird sie auch 2017 nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten. Sie sei ohne Sitze in Landesparlamenten und mit nur 6.000 Mitgliedern zu unbedeutend, um ihre Ziele zu erreichen. Sagen Zahlen genug über den Einfluss einer politischen Organisation? Allerdings stimmt: Nachdem die 1964 gegründete rechtsextreme Partei in den 2000er Jahren so erfolgreich in die Landtage von Sachsen und  Mecklenburg-Vorpommern einziehen konnte, hat sie jetzt nur noch auf regionaler Ebene Mandate, die NPD-Funktionäre sind dort aber in der Regel isoliert. In einer Zeit massiver rechtspopulistischer und flüchtlingsfeindlicher Agitation scheint die NPD ihren Einfluss an andere Akteur_innen verloren zu haben, ist nicht mehr Stichwortgeber der Rechtsaußen-Szene, sondern läuft scheinbar nur noch mit. Grund genug, für viele Menschen zu sagen: Das Verbot der NPD ist inzwischen überflüssig. Die zerlegt sich doch selbst. Die Neonazis weichen, wenn sie Parteien weiterhin interessieren, in extremer Parteien wie „Die Rechte“ oder „Der III. Weg“ aus und dürfen dort auch offener Neonazis sein, als sie es bei der NPD zuletzt durften. Diejenigen, denen es eher um eine Verbreitung der Ideologie ging, den Rassismus, die Islamfeindlichkeit, die Hetze gegen politische Gegner_innen,  den völkischen Nationalismus, die kommen in rechtspopulistischen und neurechten Strukturen unter.

Wenn die NPD nun nicht verboten worden wäre, weil die Verfassungsrichter_innen Zweifel daran hätten, dass die Partei gegen die Verfassung und Demokratie in Deutschland agitiert, wäre dies überraschend, weil die NPD dies immer offen gesagt hat (vgl. Tagesschau), aber akzeptabel. Parteienverbote sind in Deutschland mit hohen Hürden belegt, und diese müssen natürlich erfüllt sein, um eine Partei zu verbieten. Nun aber wird die NPD vor allem deshalb nicht verboten, weil sie offenbar als bedeutungslos erachten wird. Das ist ein fragwürdiges Signal für eine wehrhafte Demokratie. Denn wie misst sich dann die Stärke einer rechtsextremen, gegen die Gleichwertigkeit und Menschenrechte gerichteten Partei? Wenn ihr Treiben erst verboten werden kann, wenn sie bereits wirklich gefährlich für Strukturen des demokratischen Systems ist – könnte es dann nicht auch zu spät sein?

Die NPD wird, das stimmt ohne Zweifel, wohl kaum bald in der Lage sein, die parlamentarische Demokratie abzuschaffen. Gefährlich für die demokratische Kultur in Deutschland war und ist sie dennoch: Dort etwa, wo sie durch die aus der Parteienfinanzierung gewonnenen Steuergelder den Aufbau rechtsextremer Strukturen unterstützt hat, aus denen Migrant_innen und politische Gegner_innen bedroht und angegriffen werden. Diese Strukturen bleiben, auch wenn die Parteienfinanzierung oder qua Verbot die ganze Partei verschwindet: NPD-Funktionäre und -Anhänger_innen mischen an allen Stellen des Rechtsaußen-Spektrums mit, wo man sie lässt: Sie sind oft federführend in lokalen Protesten gegen Geflüchtete oder die begleitende Hetze online, setzen Themen über die neurechte „Identitäre Bewegung“, mischen in anderen Parteien oder Organisationen wie „Pegida“ mit.

Und nicht zuletzt hat die NPD ausgiebig ausgetestet, was in Deutschland möglich ist im Bereich der Menschenfeindlichkeit: Wie offen rechtsextrem kann eine Partei und ihre Mitglieder agitieren und trotzdem noch gewählt werden? Welche Argumentationslinien kommen nur in der eigenen Szene, welche in der breiten Bevölkerung an? Wie lassen sich online Diskurse beeinflussen, wenn man keinen Zugriff auf positive Berichterstattung in traditionellen Medien hat? Wie viel soziales Engagement im ländlichen Raum gleicht aus, dass man auch offene Gewalttäter_innen in den eigenen Reihen hat?

Die NPD hat den Sprung zur wählbaren rechtspopulistischen Partei versucht, aber nicht geschafft. Während die Parteiführungsebene seit den 2000er Jahre deutlich auf dieses Ziel hinarbeitete, standen ihr doch die Neonazis in den eigenen Reihen im Weg, deren Gewalttaten, die NS-verherrlichenden „Trauermärsche“, die Verstrickung im Rechtsterrorismus des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) mit Ralf Wohlleben. Doch von den jahrelang off- und online erprobten Hass-Themen der NPD profitieren nun andere, die gesehen haben, was eine Chance auf breitere Zustimmung in der Bevölkerung hat: Rassismus, Islamfeindlichkeit, Hetze gegen Parteien und Parteiendemokratie, Medien und Geschlechtergerechtigkeit, Etabliertenvorrechte, völkische Argumentationen. Alle münden schlussendlich in die schrittweise Abschaffung der Gleichwertigkeit und Menschenrechte für alle Menschen in Deutschland.

Insofern hätte die NPD stolz auf sich sein können, egal, wie das Verfahren heute ausgeht: Sie hat ihre demokratiefeindlichen Themen gesetzt, sie hat Strukturen gebildet, die bleiben. Und so bleibt die NPD gefährlich, egal ob sie formal weiter existiert oder nicht.

Sie bleibt allerdings. Nun ist mit einer neuen Erstarkung zu rechnen: Denn das Verbotsverfahren hat die Partei offensichtlich beschäftigt, Energie gebunden. Wenn die NPD nun nicht verboten wird, ist das ein Motivationsschub für die ganze Rechtsaußen-Szene, die nun lautstark triumphieren wird, dass sie sich in Deutschland zunächst sehr viel erlauben kann. Wieder einmal wird es heißen, damit wäre bestätigt worden, dass menschenfeindliche, rassistische, Gewalt gutheißende Politik ins demokratische Meinungsspektrum gehörten und akzeptiert werden müssten. Nur wenige Minuten nach der Urteilsverkündung hatte die NPD auf Facebook schon ihr Titelbild geändert und feiert sich nun als „zweifacher Verbotsverfahrenssieger“. Damit einher gehen gleich rund 20 neue Likes für die Seite.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Bearbeitung in die Zivilgesellschaft zurückgegeben: Die soll sich nun wieder auseinandersetzen, zeigen, wie wehrhaft die Demokratie sei. Das zeigt sie schon seit vielen Jahren, egal, wie ermüdend das oft ist. Den Rücken gestärkt hat das Urteil allerdings den Demokratiefeind_innen.

 

Ergänzung: Kommentar der Amadeu Antonio Stiftung:

 

Viel zu lange stand die Diskussion um ein NPD-Verbot im Fokus der Auseinandersetzung mit der rechtsextremen Partei. Deswegen, so der Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank, ist mit dem absehbaren Scheitern des Verbotsverfahrens auch die Strategie in der Auseinandersetzung mit dem organisierten Rechtsextremismus gescheitert. Zivilgesellschaftliche Initiativen und Wissenschaftler forderten erst vor wenigen Wochen in einem offenen Brief gesteigertes Engagement gegen Rechtsextremismus und deren Ursachen sowie mit Rassismus, Rechtspopulismus und ein bereits im Koalitionsvertrag vereinbartes, aber noch nicht verabschiedetes Demokratiefördergesetz: „Demokratie muss jeden Tag neu ausgehandelt und geschützt werden. Deswegen brauchen wir das im Koalitionsvertrag vorgesehene Demokratiefördergesetzes auch noch in dieser Legislaturperiode.“ Mit dem Gesetz sollen zivilgesellschaftliche Initiativen und Maßnahmen, die der Prävention, Sensibilisierung und Bildung dienen, nachhaltig gesichert und gestärkt werden.

„Immer wieder haben wir seit dem Beginn des NPD-Verbotsverfahrens 2012 deutlich gemacht, dass mit Verboten den wachsenden Herausforderungen für die Demokratie nicht beizukommen ist.“, sagte Reinfrank. Vor allem in Hinblick auf den Bundestagswahlkampf weist Reinfrank auf die ideologischen Gemeinsamkeiten zwischen der NPD und Teilen der AfD hin: „Der Bundesrat stellte in seinem Verbotsantrag die Ideologie eines „ethnischen Volksbegriffes“ sowie die „Exklusion von Grundrechtsberechtigung“ bei der NPD in den Vordergrund. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungswidrigkeit dieser Ideologie im Kern bestätigt. Auch in der Programmatik der AfD findet sich beispielsweise die Forderung, das Grundrecht auf Religionsausübung für Muslime einzuschränken. Politik und Zivilgesellschaft müssen die Grundwerte unserer Demokratie entschlossen verteidigen.

Menschenverachtung und Hass finden immer ein Sprachrohr

Der Soziologe Matthias Quent, Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena, kommentiert: „Dies bedeutet vor allem das Ende einer jahrzehntelangen Phantomdiskussion. Die NPD ist bereits seit Beginn des Verbotsverfahrens im Jahr 2012 eine enorm geschwächte Partei im Wartestand. Viele Aktivisten und Aktivistinnen sind bereits in andere Parteien und Gruppen gewechselt. Die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern haben gezeigt, dass ein großer Teil der NPD-Wählerschaft ihr Kreuz nun bei der AfD macht. Der Hass findet immer ein Sprachrohr, daher reicht es nicht, die Symptome zu bekämpfen – es braucht eine Auseinandersetzung mit den Ursachen von Rechtsextremismus. Diese liegen nicht bei einem ‚extremen‘ Rand, sondern in der Gesellschaft.“

Reinfrank und Quent heben hervor, dass die NPD zwar parlamentarisch bedeutungslos ist, jedoch in einigen Regionen Ostdeutschlands noch immer die demokratische Kultur einschränkt und gefährdet. Das Urteil dürfe nicht als Freibrief für Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit verstanden werden.

 

Die Pressemittleiung des Bundesverfassungsgerichtes zum gescheiterten NPD-Verbot:

„Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) vertritt ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept. Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Die NPD arbeitet auch planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele hin. Allerdings fehlt es (derzeit) an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt, weshalb der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den zulässigen Antrag des Bundesrats auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Auflösung der NPD und ihrer Unterorganisationen (Art. 21 Abs. 2 GG) mit heute verkündetem Urteil einstimmig als unbegründet zurückgewiesen hat.“

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-004.html;jsessionid=2F8949F7EB4B2E8444E19C6F2219EEF7.2_cid394

Leider sagt das Urteil damit: Du kannst ruhig verfassungsfeindlich und demokratiefeindlich sein, solange Du erfolglos bist.

Dies werden Demokratiefeind_innen gegenüber denjenigen in Stellung bringen, die sich Rassismus, völkischem Nationalismus und der Abwertungsideologie gegenüber als „anders“ definierten Gruppen entgegen stellen.

Und wer bestimmt, wann „erfolglos“ endet?

Und die NPD feiert auf Facebook: „Der deutsche #Bundesrat hat auch den zweiten Versuch, die #NPD zu verbieten, verloren.Die Nationaldemokraten sind nun die einzige höchstrichterlich bestätigte Partei in Deutschland.“

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