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Gegen sexuelle Vielfalt im Schulunterricht Verstörende Teddy-Kampagne der AfD Sachsen

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Die AfD bewirbt die Kampagne gegen "Genderwahn" auch auf Social Media - hier stellen Rolf Weigand (rechts) und Jörg Urban (ganz rechts) die Kampagne mit dem imaginierten Sextoy-Teddy in den Armen eines geschminkten kleinen Mädchens vor. (Quelle: Screenshot )

Antifeministische und queerfeindliche Parolen und Verschwörungserzählungen gehören schon seit jeher zum festen Repertoire der AfD Sachen. Der Landesverband der rechtsextremen Partei kündigt, laut MDR, eine Kampagne gegen „sexuelle Vielfalt an Schulen“ in ganz Sachsen an.

Kaum ein AfD-Politiker in Sachsen verfolgt und schürt den Hass gegen diversitätsgerechte Bildung an Schulen so pedantisch wie Rolf Weigand. Die Hetze gegen sexuelle Vielfaltserziehung teilt er neben rassistischer Hetze nicht nur auf seiner Facebook-Seite, sondern verbreitet sie auch bei öffentlichen Auftritten, wie zuletzt am 11. Mai 2023 im Erzgebirge auf einer Veranstaltung unter dem Titel „Sexuelle Bildung – Perversion im Klassenzimmer“. Hier trat er
gemeinsam auf mit Kerstin Kramer, Abtreibungsgegnerin vom antifeministischen Bündnis „Demo für Alle“. Es ist anzunehmen, dass der tendenziöse Titel gerade im teils christlich-fundamentalistisch geprägten Erzgebirge auf offene Ohren traf.

Für die AfD normal: Kleine Anfrage nach „gebärfähigen Frauen“ in Sachsen

In seiner Funktion als bildungs- und wissenschaftspolitischer Sprecher der AfD Sachsen im Landtag hat Weigand im Februar 2020 eine kleine Anfrage im sächsischen Landtag gestellt – zur Anzahl „gebärfähiger Frauen“, unterteilt in (sächsische) Landkreise, Alter und Nationalität. Diese Anfrage diene, so die AfD Sachsen, der „parlamentarischen Arbeit“. Die Vermutung liegt nahe, dass es Rolf Weigand und seiner Fraktion viel mehr um die Verbreitung der antifeministischen, rassistischen und antisemitischen Verschwörungsideologie des „Großen Austauschs“ ging und die Frage, ob es mehr „gebärfähige“ Frauen mit oder ohne Migrationshintergrund gebe.

Auf seiner Facebook-Seite verbreitet Weigand antifeministische, queerfeindliche und rassistische Verschwörungserzählungen. Dabei bezieht er sich unter anderem auch positiv auf den ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán, dessen queerfeindliche Positionen mittlerweile das Leben von trans und queeren Menschen in Ungarn bedrohen, deren Menschenrechten empfindlich eingeschränkt werden.

Queerfeindlichkeit führt zu Gewalt

Zentrale Motive im völkischen Antifeminismus der AfD sind der Wahn einer angeblich drohenden Frühsexualisierung von Kindern und Kampfbegriffe des angeblichen „Gender-Gaga“. Aber auch andere rechtsradikale Akteure bedienen sich immer wieder dieser Schlagworte, wie etwa das Compact-Magazin oder in Sachsen die rechtsextreme Kleinstpartei „Freie Sachsen“, um gegen diversitätsgerechte Bildung, feministische Emanzipationsbewegungen und queere Menschen zu hetzen.

Diese Hetze verbleibt in ganz Deutschland, aber auch in Sachsen, nicht in den Parlamenten, sondern resultiert in Gewalt gegen queere Menschen und Aktivist*innen. Insbesondere in den ländlichen Regionen in Sachsen sei eine rechte Raumnahme anhand von Übergriffen auf queere Personen deutlich spürbar, berichtet die Opferberatung RAA Sachsen e.V.. Laut der Statistik der RAA Sachsen kam es im Jahr 2022 zu 21 gezielten Attacken gegen queere Menschen in Sachsen. Das ist eine Zunahme an insgesamt 163 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021.

Verstörend: Penis-Teddy

Jetzt holt die AfD Sachsen zu einer neuen Hasskampagne gegen sexuelle Vielfalt aus. Dabei in treibender Position: Rolf Weigand. Laut eines Berichts der Leipziger Volkszeitung vom 10. Mai 2023 will die Partei mit einer sachsenweiten Kampagne Sexualkundeunterricht verhindern, der ihnen zufolge „Werbung für Transsexualität“ an Schulen verbreite. Der AfD-Landesabgeordnete Jörg Urban fordert, dass das „Leitbild der Familie aus Vater, Mutter und Kindern“ gelehrt werde. Damit die Kinder nicht auf den Gedanken kommen, es gäbe noch andere Formen des Lebens.

Die Frage ist allerdings, was die Kinder denken werden, die auf ihrem Schulweg die AfD-Kampagne sehen sollen. Umsetzen will die AfD Sachsen ihre Kampagne mit großflächigen Plakaten mit erfundenen Horrormotiven wie Riesenteddys mit Plüschpenissen in den Armen von kleinen Kindern, die die Schulwege in Sachsen säumen sollen.

Die Kampagnenidee der AfD ist völlig geschmacklos und übergriffig. Sie soll vor allem der Mobilisierung und Instrumentalisierung von Eltern dienen – und denen ordentlich Angst einjagen. Die Eltern sollen wohl angesichts in der Verbildlichung von queerfeindlichen Verschwörungserzählungen glauben, Schreckensszenarien wie Penisteddys im Unterricht drohten real, wenn Kinder im Sexualkundeunterricht erfahren, dass es auch queere Menschen in gibt. Das ist nicht nur bedenklich, sondern gefährlich.

„Die Kinder“ als Mobilisierungsmoment

Immer wieder greifen rechtsalternative Akteur*innen zu angeblich bedrohten Kindern, wenn sie Antifeminismus und Queerfeindlichkeit verbreiten wollen. Nicht zuletzt im Kontext der Corona-Proteste war das ein beliebtes Mittel von antifeministischen, völkischen und rechten Akteur*innen. Insbesondere Frauen werden über die Themen „Familie“ und „Kinder“ angesprochen und können mobilisiert werden. Deshalb treten sie auch öfter als Sprecher*innen zu diesen Themen auf.

Dass das Thema „gendergerechte Sprache“ zur Mobilisierung dient, wurde
bereits in den letzten Jahren deutlich. Nun ist die Frage, ob die Kampagne der AfD gerade in ländlichen Regionen Sachsens Chancen auf Zustimmung hat, wo die „Freien Sachsen“ ebenfalls ihre Erfolge verbuchen können. Der Hass gegen trans Menschen und Transrechte ist derzeit weltweit im Fokus, nicht nur in Deutschland. Die AfD hofft also auf transfeindliche Mobilisierung als anschlussfähiges Thema, um auch Noch-Nicht-AfD-Wähler*innen zu überzeugen.

Denn die gezielte Verbreitung von Antifeminismus durch die AfD stellt nicht nur im Hinblick auf rechte und rechtsoffene Personen eine Gefahr dar. Die Ergebnisse der diesjährigen Autoritarismus-Studie zeigen, dass Antifeminismus sowie Sexismus in der Gesellschaft über das Spektrum der Rechtsextremen hinaus weit verbreitet sind. Auch im Hinblick auf die Landtagswahlen in Sachsen im kommenden Jahr besteht daher die Gefahr, dass antifeministische Einstellungen der AfD als Brücke in die konservative „Mitte“ der Wähler*innenschaft in Sachsen dienen.

Bei einem Amoklauf am 7. Mai 2023 in Dallas, Texas, wurden zuletzt acht Menschen von einem Neonazi getötet wurden, dessen Weltbild von Antifeminismus und Queerfeindlichkeit geprägt war. Der Fall zeigt, in welche Gewalt verschwörungsideologischer Hass und Wahn gegen LGBQTI münden können. Dabei war dieses Attentat weder das erste, noch wird es das letzte gewesen sein, bei dem ein Täter aus antifeministischer Motivation heraus Menschen angreift und tötet.

Das Kultusministerium hat bereits auf die Kampagnenankündigung der AfD mit dem Verweis auf das Diskriminierungsverbot von diversen Personen laut Bundesverfassungsgericht von 2017 reagiert. Dass sich die AfD Sachsen daran orientieren wird, ist unwahrscheinlich. Die vom MDR dokumentierte Aussage von Rolf Weigand, wonach besonders im ländlichen Raum um Leipzig mit der Kampagne „zielgerichtet angegriffen“ werden soll, lässt eher vermuten, dass die Partei es eben auf die Provokation und Infragestellung des Diskriminierungsverbots absieht.

Die Zahlen des RAA Sachsen e.V. zeigen, dass die Gewalt gegen queere Menschen und Aktivist*innen in Sachsen schon längst alltägliche Realität ist. Mit  ihrer geplanten Kampagne befeuert die AfD Sachsen diesen Hass und nimmt nicht nur in Kauf, sondern provoziert gezielt, dass dieser auch in Gewalt mündet.

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