Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

AfD in Gremien Erinnerungspolitik und Rechtsextremismus-Prävention mit Rechtspopulisten

Von|
Schickt die AfD einen Vertreter in ein Gedenkstättengremium, dem Gedenken in der Tat ein Anliegen ist, gefällt das der Parteibasis nicht, die den "Schuldkult" gern komplett beenden will. (Quelle: Screenshot Facebook, 28.02.2018)

 

Erinnerungspolitik mit Rechtspopulist_innen?

AfD Thüringen-Chef Björn Höcke fordert die „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“.  AfD-Richter und Bundestagsabgeordneter Jens Maier möchte „den Schuldkult“ für „beendet“ erklären – gemeint ist ein Ende des Gedenkens an die Verbrechen des Nationalsozialismus. AfD-Bundesvorsitzender Alexander Gauland möchte auf „Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“ stolz sein. Mehrfach hat die AfD im vergangenen Jahr 2017 die Streichung von Geldern für Gedenkstätten gefordert – etwa will die  AfD Niedersachsen Gelder streichen für die KZ-Gedenkstätte Schillstraße in Braunschweig, für den „Denkort Bunker Valentin“ in Bremen, dem die „Junge Alternative“ „Mahntourismus“ vorwirft, oder die die AfD Baden-Württemberg für die NS-Gedenkstätte in Gurs.

Nichtsdestotrotz hat die AfD mit ihrem Einzug in Landesparlamente und Bundestag Anspruch auf Sitze in Gremien, die sich mit Erinnerungskultur und Rechtsextremismus-Prävention auseinandersetzen. Für alle Beteiligten eine neue Situation. Was erwartet diese Gremien mit der Beteiligung von AfD-Funktionären?

Je prominenter, desto absenter

Institutionen, die bereits Erfahrung mit der Situation haben, sind die Landeszentralen für politische Bildung (LpB), in deren Kuratorien die AfD Einzug gehalten hat, nachdem sie in entsprechende Landtage gewählt wurden. Hier gibt es verschiedenste Erfahrungen. Im Kuratorium der LpB in Thüringen ist etwa AfD-Hardliner Björn Höcke Kuratoriumsmitglied. Auswirkungen hat das bisher allerdings keine: Der ehemalige Geschichtslehrer habe bislang „nur selten“ an Sitzungen des Kuratoriums teilgenommen, so die Auskunft aus der Landeszentrale.  Je prominenter das AfD-Kuratoriumsmitglied ist, desto größer offenbar auch die Chance, dass es gar nicht kommt.

Eine Strategie: Wenig Öffentlichkeit

Aktivere AfD-Erfahrungen hat dagegen die Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg. In deren Kuratorium sitzen Vertreter aller gewählten Parteien, davon 3 von der AfD und sieben unabhängige Mitglieder. Hat sich das Gremium durch die AfD-Präsenz verändert? Der stellvertretende Direktor Karl-Ulrich Templ verneint das: Weder Themen noch Umgang miteinander hätten sich dadurch geändert, dass das Kuratorium nun Mitglieder hat, die andererseits im Landtag beantragen, die LpB aufzulösen:  „Wir geben keiner Partei einen Sonderstatus, der es ihr ermöglicht, sich als Benachteiligte oder als Opfer staatlichen Handelns darzustellen. Wir wollen nicht, dass die AfD auf Grund von formalen Fehlern Aufmerksamkeit erfährt.“ Die Auseinandersetzung im Kuratorium werde argumentativ geführt:  „Wir diskutieren über problematische Aussagen und zeigen rechtspopulistischen Thesen und Behauptungen gegenüber Haltung, aber immer an der konkreten Sache, nicht wegen der Partei-Zugehörigkeit.“ Das funktioniere bisher gut.  Die AfD-Vertreter benähmen sich auch nicht provokativ, diskutierten sachlich und hätten bisher auch inhaltlich keinen Einfluss nehmen wollen – was etwa bei der Extremismus-Prävention ja durchaus vorstellbar wäre. „Aber ein Kuratorium ist ja auch internes Gremium ohne Öffentlichkeitswirkung – deshalb sucht auch die AfD hier nicht den Schauplatz für den politischen Schlagabtausch“, sagt Templ. Deshalb lautet auch seine generelle Empfehlung: „Einen unaufgeregten Umgang suchen, argumentativ und sachlich. Und nicht auf die AfD-Politiker starrten wie ein Kaninchen auf die Schlange, sondern sich nicht in der Arbeit behindern lassen.“

Ein Problem: Laute AfD-Vertreter

Wer einen provokanteren AfD-Vertreter ins Kuratorium bekommt, dem wird Gelassenheit manchmal weniger leicht fallen. Im Beirat des „Bündnisses für Demokratie und Toleranz“ sitzt seit Ende 2017 der rassistische AfD-Richter Jens Maier, der auch sofort nach Ernennung anfing, sich herabwürdigend über den Beirat zu äußern („Heute erste Sitzung des Bündnis für Demokratie und Toleranz. Zeit, Licht in die dunkle Höhle zu werfen“, auf Twitter).

„Der Beirat hat dies per Beschluss missbilligt, was wiederum Maier missbilligt hat. Grundsätzlich ist der Beirat des ‚Bündnisses für Demokratie und Toleranz‘ besetzt mit Menschen, die eine Gemeinsamkeit in Haltung und Engagement haben und starke Werte und demokratische Prinzipien vertreten. Daran ändert auch ein AfD-Vertreter nichts“, sagt Dr. Andreas Eberhardt, selbst Mitglied des Beirats. „Unser Gremium ist inhaltlich gut aufgestellt und kann es verkraften, wenn im Beirat Mitglieder mit verschiedenen Meinungen vertreten sind. Debatten mit gegensätzlichen Positionen auszuhalten gehört zum demokratischen Diskurs.“  Eine fundierte Auseinandersetzung mit klaren Aussagen wünscht sich Eberhardt, mutige Diskussionen und Klarstellungen, wenn Äußerungen rote Linien überschreiten. „Wir sollten uns dabei immer fragen, wann wir mit Reaktionen den Strategien der AfD auf den Leim gehen“,  so Eberhardt.

Ein Problem: Leise AfD-Vertreter

Dafür fällt bei weniger provokativen AfD-Mitgliedern die Distanzierung  schwerer. Die AfD beansprucht etwa auch einen Sitz im Kuratorium der „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“. Hierfür hat die Partei den AfD-Bundestagsabgeordneten Uwe Witt aus NRW nominiert. Auf seinem Social Media-Account zeigt sich Witt zwar in Einklang mit der Parteilinie in Feldern wie Islamfeindlichkeit, Elitenschelte und Maulen gegen Rundfunkgebühren, doch beim Thema Erinnerungspolitik ist er anderer Meinung als etliche seiner Parteifreunde. In einem Interview mit der Funke Mediengruppe sagt Witt, der sich selbst der „Alternativen Mitte“ zuordnet, er habe für den Posten beworben, weil der Holocaust das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte sei: „Es darf niemals vergessen werden, wozu Menschen fähig sind.“ Es sei ihm deshalb ein „persönliches Bedürfnis“, das Andenken an den Holocaust zu wahren. Dafür kassiert er bei Facebook von AfD-Anhängern sofort harsche Kritik („Witt nicht den Altparteien gefällig werden“, „Alternativer voll im Mainstream-Gedenkritual! So wird man gesellschaftsfähig“, „Wir wollen die Geschichte nicht mehr in die Zukunft importieren, der Deutsche hat diesen Schuldkomplex lange genug ertragen müssen“), auf die er verstimmt und mit Feststelltaste reagiert: „ES GEHT HIER NICHT UM SCHULDKOMPLEX. SONDERN UM DEN GRÖSSTEN MASSENMORD DER WELT!! ICH FÜHLE MICH NICHT VERANTWORTLICH FÜR DIESE TATEN! Das bedeutet aber doch nicht, dass man Menschen nicht in Erinnerung ruft was Menschen in der Lage sind für schreckliche Taten zu vollbringen.“ Was tut man mit so einem Kuratoriumsmitglied, der offenbar Gedenken für wichtig hält, dafür aber Ungleichwertigkeit und Rassismus im Jetzt propagiert? Noch sei keine offizielle Nominierung eingagangen, sagt die „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, und enthält sich ansonsten derzeit eines Kommentars.

Eine Strategie: Gesetzes- oder Satzungsänderungen

Um AfD-Vertreter_innen aus Gremien von Stätten der Erinnerungskultur oder Demokratiebildung fernzuhalten, sind in der Regel Satzungs- oder gar Gesetzesänderungen nötig. Diesen Weg geht das Land Niedersachsen, um AfD-Vertreter im Stiftungsrat der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten zu verhindern, zu der unter anderem die Gedenkstätte Bergen-Belsen gehört. Überlebende des Konzentrationslagers hatten  sich nach den Wahlerfolgen der AfD besorgt an die Stiftung gewandt, weil sie ein Präsenz von Rechtspopulisten in deren Stiftungsrat eine unerträgliche Vorstellung fanden.

Während die Gesetzesänderungs-Initiative mancherorts kritische Stimmen hervorruft, die finden, dass so ein „Lex AfD“ geschaffen und den Rechtspopulist_innen damit zu viel Aufmerksamkeit zuteilwerde,  ist der Leiter der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, Historiker Jens-Christian Wagner, damit vollkommen einverstanden.  Bisher darf jede Partei, die im Landtag sitzt, eine_n Vertreter_in in den Stiftungsrat entsenden. Mit der Gesetzesänderung werden es vier Landtagsabgeordnete beliebiger Parteien sein, die im Plenum mit Mehrheitvotum gewählt werden.

Jens-Christian Wagner geht diese Neuregelung eigentlich nicht weit genug:  „Ich wäre sogar dafür, dass gar keine Vertreter der Landtagsfraktionen im Stiftungsrat wären. So steht es etwa in den Gedenkstättengesetzen von Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Die Idee dabei ist, parteipolitische Debatten und Befindlichkeiten aus der Gedenkstättenarbeit heraus zu halten.“ Deshalb sagt er: „Die Regelung ist in meinen Augen also nicht ideal, aber ich begrüße sie, weil sie die AfD aus unserem Kuratorium heraushält.“

Eine Strategie: Viel Öffentlichkeit

Jens-Christian Wagner findet, dass die AfD in Stiftungsräten von Gedenkstätten-Stiftungen grundsätzlich falsch ist: „Das zentrale inhaltliche Argument gegen die AfD ist meiner Meinung nach, dass Stiftungsratsmitglieder sich mit dem Zweck der Stiftung identifizieren müssen und zum Wohle der Stiftung agieren müssen. Wer nicht gewillt ist, gegen Positionen der eigenen Partei vorzugehen, die sich gegen den gesetzlich definierten Stiftungsauftrag richten, ist als Mitglied im Leitungsgremium einer Gedenkstättenstiftung nicht tragbar.“

Ohne eine Gesetzesänderung ließe sich nicht durchsetzen, AfD-Vertreter auszuschließen, wenn sie sich von revisionistischen und den Holocaust verharmlosenden oder gar leugnenden Positionen nicht distanzierten. In jedem Fall, so Wagner, finde er eine inhaltliche Auseinandersetzung mit AfD-Positionen in der Öffentlichkeit wichtig: „Es muss es eine öffentliche Auseinandersetzung  etwa um geschichtsrevisionistische, antisemitische oder völkische Thesen geben. Eine Auseinandersetzung mit der AfD im Stiftungsrat, der nicht öffentlich tagt, bringt da wenig – wir wollen ja nicht einzelne AfD-Mitglieder ‚bekehren‘, sondern der Öffentlichkeit ermöglichen, sich mit problematischen AfD-Positionen auseinander zu setzen. Denn solche Positionen stillschweigend zu akzeptieren, das normalisiert sie und führt zu einer sukzessiven Anerkennung dieser Positionen. Wichtig finde ich aber auch: Keine reflexhafte Abwehr, sondern sachliche Argumentation. Gute Argumente haben wir reichlich.“

Weiterlesen

Eine Plattform der