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Antisemitismus Durchsuchungen nach Telegram-Hetze

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Symbolbild (Quelle: Flickr / kris krüg / CC BY-SA 2.0)

Am 6. Juli 2022 durchsuchte die Polizei mehrere Objekte in Hamburg, Bayern und Baden-Württemberg. Drei Männer und drei Frauen zwischen 39 und 58 werden beschuldigt, als Mitglieder eines Telegramkanals extremen antisemitischen Hass verbreitet zu haben. Es geht um Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und der Billigung von Straftaten gegen Juden und Jüdinnen.

Ein 58-jähriger Hamburger ist der Administrator der Telegramgruppe. Schon im Februar 2022 war ein Strafbefehl wegen Volksverhetzung gegen den Mann aus dem Stadtteil Hummelsbüttel verhängt worden. In seiner Wohnung stellte die Polizei Speichermedien, Laptops und Handys sicher. Die Staatsanwaltschaft Hamburg teilte mit, dass außerdem eine Cannabis-Aufzuchtanlage inklusive mehrerer Pflanzen beschlagnahmt wurde. Cannabispflanzen wurden auch in den Wohnungen zweier beschuldigter Frauen aus Tettnang (Baden-Württemberg) und Schliersee (Bayern) gefunden — bei einer von ihnen auch noch eine Waffe. Durchsucht wurde außerdem auch noch bei einer Beschuldigten in Langenargen (Baden-Württemberg), hier wurden Handy, Tablet und Laptop sichergestellt.

Der Telegramkanal um den es geht (der Name ist der Redaktion bekannt) besteht seit September 2020 und hat aktuell knapp 1.000 Abonnent*innen. Aktuell herrscht Funkstille im Kanal. Der letzte Post wurde am Dienstagabend abgesetzt, also am Vortag der Durchsuchungen.

Antisemitismus ist zentraler Bestandteil von Verschwörungsideologien — mal mehr, mal weniger versteckt. Hass auf Juden und Jüdinnen wird hinter Codes verborgen, wenn es zum Beispiel um die „Ostküste“ geht oder angebliche „Eliten“, die im Hintergrund die Fäden in der Hand halten. Wenn sich Teilnehmende von Anti-Maßnahmen-Demos gelbe „Ungeimpft-Sterne“ anheften, relativieren sie damit Holocaust und Nationalsozialismus und verhöhnen die Opfer, eine andere Art von Antisemitismus. Im Kanal der Beschuldigten findet sich das alles und viel mehr.

Während der Pandemie entstanden, dreht sich ein Teil der Posts immer noch um damit verwandte Verschwörungserzählungen. Dazu wurden mehrmals täglich andere, mehr oder weniger bekannte Verschwörungsstorys verbreitet, dabei handelt es sich meist um weitergeleitete Nachrichten aus größeren Kanälen, etwa dem von Ex-Tagesschausprecherin Eva Hermann oder anderer deutscher und internationaler Szenegrößen. Es geht um den „Great Reset“, Qanon, den „tiefen Staat“, die flache Erde oder darum, dass Finanzminister Christian Lindner „für Millionen an Deutschem Volksvermögen, eine pompöse Hochzeit auf Sylt“ feiert (sic!). Regelmäßig wird prorussiche Desinformation verbreitet, Putin wolle eigentlich nur den Frieden, seine ausgestreckte Hand würde vom Westen ausgeschlagen.

In einigen Verschwörungserzählungen tarnt sich Antisemitismus. In vielen von den Beiträgen, die hier geteilt werden, tritt er offen und vollständig unverblümt zutage. Etwa in einem Post, der Judenhass mit LGBTQ*-Feindlichkeit kombiniert. Demnach verfolge die queere Bewegung die „Agenda des Antichristen“, führe einen Krieg gegen „Natur und Gott“ und sei eigentlich eine „jüdische Pädophilen-Bewegung“. Ein anderer Post — weitergeleitet aus einem englischsprachigen Neonazi-Kanal —warnt davor, dass „kommunistische Juden“ via Nanotechnologie, die über Chemtrails verteilt wird, die nicht-jüdische Bevölkerung vergiften würden. Der Text endet mit einem Aufruf: „Warn everybody, we must take these pricks out, immediately“ — „Warnt alle, wir müssen diese Scheißkerle sofort ausschalten“. Ein anderes — vermutlich älteres Sharepic — zeigt Abu Bakr al-Baghdadi, den ehemaligen Anführer der Terrororganisation IS, daneben ist Barack Obama zu sehen, der als Boss von al-Baghdadi bezeichnet wird. Obamas Boss ist wiederum der israelische Ex-Premier Benjamin Netanjahu, dessen Chef ist Jacob Rothschild.

In den Posts des Kanals spiegeln sich uralte antisemitische und antijudaistische Erzählungen. Die „jüdische Weltverschwörung“, die hinter allem Leid und Elend steckt, Juden und Jüdinnen als Giftmischer, die Nicht-Juden ermorden wollen oder wenigstens versuchen, ihren zerstörerischen Einfluss wirken zu lassen.

Bislang erreichte der Kanal mit täglichem Antisemitismus gut 1.000 Personen. Noch ist der Kanal auf Telegram zu finden. In der jüngsten Vergangenheit hat Telegram Kanäle gelöscht oder eingeschränkt, die wiederholt Volksverhetzung betrieben haben. So sind mittlerweile etwa die Kanäle des Verschwörungsvegankochs Atilla Hildmann und des Neonazi-Aktivisten Nikolai Nerling nicht mehr aufrufbar. Beide haben zwar neue Kanäle im Messengerdienst erstellt, erreichen aber weitaus weniger Abonnent*innen als zuvor. Ob Telegram jetzt auch diesen Kanal sperren wird, bleibt abzuwarten. Belege für Volksverhetzung finden sich jedenfalls zuhauf.

Bild oben: Flickr / kris krüg / CC BY-SA 2.0

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