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August 2017 Internet, Social Media, Hate Speech

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Löste Diskussionen aus: Dunja Hayalis Antwort auf ein Hassposting, dass sie erhielt. "Emre" hat immerhin verstanden - und sich entschuldigt. (Quelle: Screenshot Facebook, 08.09.2017)

 

Zusammengestellt von Simone Rafael

 

Umgang mit Hate Speech

 

Löschen

Facebook richtete ein deutsches Hassrede-Löschzentrum mit weiteren 500 Mitarbeiter_innen in Essen ein (Stuttgarter Nachrichten); in Österreich wird derweil ein „Ethik-Codex“ von Facebook gefordert (Standard).

Nach der rechtsextremen Demonstration in Charlotteville (USA) wenden mehrere amerikanische Internet-Unternehmen ihre AGBs an und werfen Rechtsextreme und Rassist_innen aus ihren Angeboten: Cloudflare (The Daily Stormer), Web.com (Stormfront), Reddit (Subreddit „Physical_Removal“), Facebook (z.B. „White Nationalist United“, „Genuine Donald Trump“ und „Right Wing Death Squad“), PaypalApple, und noch weitere im Silicon Valley; außerdem MasterCard.

Vergleiche: Belltower.News: Nazis Öffentlichkeit im Netz nehmen? Ja, bitte!

Nicht von Unternehmens-Seite, sondern von staatlicher Seite wird gegen die linke Plattform Indymedia vorgegangen: Das Bundesinnenministerium verbietet den Verein hinter dem deutschen Teil der Website Indymedia und den Weiterbetrieb der Website (Berliner MorgenpostWeltSpiegelND). Dabei geht es um Gewaltaufrufe und Polizistenbeschimpfungen – legitim, dass als Hassrede einzuordnen, interessant allerdings, deshalb sofort eine ganze Website stilllegen zu wollen. Im rechtsextremen Bereich dauert das weit länger (siehe Thiazi-Forum). Einen schalen Beigeschmack gibt, dass das Verbot auch  durch angebliche Waffenfunde bei Hausdurchsuchungen bei den Betreiber_innen legitimiert wurde. Allerdings konnte netzpolitk.org recherchieren, dass die offizielle Darstellung so nicht stimmt. Die Waffen gehörten nicht den Betreiber_innen, sondern wurden in einem autonomen Kulturzentrum gefunden, in dem sich auch, aber natürlich nicht nur, die Indymedia-Macher_innen trafen. Die Behörden jedenfalls vermissen Indymedia als Beobachtungs- und Recherchequelle (Vice).

Kommentar: Löschen von Online-Hasskommentaren ist nicht die beste Lösung. In Online-Diskussionen herrscht oft ein rauer Ton. Besonders heftig wird es bei Hate Speech, die als aggressive Verbal-Attacke extrem gefährliche Züge annehmen kann. Es geht dabei um Machtstrukturen, Deutungshoheiten und Manipulationen. Löschen der Kommentare löst die Probleme auf lange Sicht aber nicht (migazin; vgl. ARD)

 

Melden

Neue Meldestelle in Baden-Württemberg gegen Hass im Netz: „Respect!“ (FocusRNZ)

 

Anmelden

China: Wenn ein Dienst im Netz dort den Nutzern erlaubt, Beiträge zu erstellen, also zum Beispiel eigene Kommentare, dann ist der Dienst ab Oktober verpflichtet, die Identitäten der Nutzer abzufragen und vorzuhalten. Schreibt dann also jemand etwas, was gegen chinesisches Recht verstößt, dann haben die Behörden im Handumdrehen dessen Identität und können dementsprechend handeln. Ähnliches haben auch Konservative aus Deutschland bereits mit Aktionen gegen Internet-Anonymität gefordert. MobileGeeks erklärt, warum das keine gute Idee ist.

 

Vor die Twitter-Zentrale sprühen

Twitter löscht fast überhaupt keine Hate Speech (zumindest im deutschsprachigen Twitter), Aktivist Shahak Shapira sprüht ihnen deshalb Hassbotschaften aus Kreide auf den Bürgersteig vor der deutschen Dependance. Folge: Viel Aufmerksamkeit in den Medien. Twitter tut nichts (FAZDeutschlandfunkTagesspiegel).

 

Anzeigen

Rechte fabulieren im Internet von einem gewalttätigen „Ausländermob“ im bayerischen Schorndorf, den es gar nicht gab. Adressaten der verbalen Hetze waren Mitarbeiter_innen der Stadtverwaltung und der Oberbürgermeister von Schorndorf, die der falschen Nachricht entgegentraten. Da vieles, was die Stadtverwaltung erhielt, in den strafrechtlich relevanten Bereich viel, erstattet die nun Anzeige gegen die Hetzer_innen (ViceStuttgarter Zeitung).

 

Zurückpöbeln

Ein Facebook-User bepöbelt ZDF-Journalistin Dunja Hayali auf ihrer Facebook-Seite. Die setzt mal nicht auf sachliche Auseinandersetzung, sondern pöbelt in gleicher Diktion zurück. Wenig später ruft der Mann sie an und entschuldigt sich für seine Ausfälle (SpiegelAugsburger AllgemeineDerWesten).

 

Ausstellen

Ausstellungsmacher Enno Lenze in Berlin bekommt bis zu 500 Hassnachrichten in der Woche, seit seien Ausstellung „Hiter – wie konnte es geschehen“ eröffnet wurde. Er wählt 120 der härtesten aus und lässt auf Facebook über die schlimmsten abzustimmen. Sie kommen dann auf eine Ausstellungstafel, um die Stimmungslage in Deutschland 2017 zu illustrieren. Dazu werden Spenden für ein Aussteigerprogramm gesammelt (Berliner MorgenpostTagesspiegel).

 

Öffentlich machen

Die NPD pöbelt gegen den schwarzen SPD-Abgeordneten Karama Diaby aus Halle/Saale. Der stellt Strafanzeige, macht den Vorgang öffentlich – und erhält Solidaritätsbekundungen aus ganz Deutschland: „Das bestärkt mich in meiner Arbeit für eine offene und solidarische Gesellschaft. Wir dürfen dieses Land nicht denen überlassen, die spalten wollen. Sie begehen Raubbau an der Demokratie. Sie versuchen mit ihren rassistischen Kommentaren, Demokraten einzuschüchtern und mundtot zu machen. Ich habe deshalb entschieden, Strafanzeige gegen einzelne rassistische Kommentatoren zu stellen.“ (SWRNWZMZ-Webstern)

Mehr Strafverfolgung

Großbritannien: Die britische Staatsanwaltschaft will härter gegen strafbewehrte Hasskommentare vorgehen und angesichts der wachsenden Verbreitung von Hetze vor allem über soziale Medien wie Facebook oder Twitter „Online-Verbrechen genauso ernst behandeln wie Offline-Delikte“, hat der „Crown Prosecution Service“ (CPS) am Montag bekanntgegeben. Der Strafverfolgungsdienst der Krone hat unter dem Aufhänger #HateCrimeMatters eine Online-Kampagne gestartet, um Betroffene und Beobachter zu ermutigen, solche Vorfälle anzuzeigen (heise).

Neue Gesetze

Deutschland hat den Kampf gegen Hass im Internet mit einem eigenen Gesetz eröffnet. Das Beispiel könnte auf europäischer Ebene Schule machen. Europaabgeordnete von CDU und Grünen haben sich für europaweit einheitliche Regeln im Kampf gegen Hasskommentare in sozialen Medien ausgesprochen. „Wir benötigen ein effizientes System und eine ebenso effiziente Kontrolle, um Hassinhalte zu stoppen“, sagte der rechtspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Axel Voss (CDU), dem Handelsblatt. Schön wäre es, wenn dies mit einer „freiwilligen Selbstkontrolle“ bereits erreicht werden könne. „Wir kommen meines Erachtens jedoch um eine gesetzliche Regelung nicht umhin, insbesondere, da auch eine Abgrenzung zur Meinungsfreiheit gezogen werden muss“, so Voss. (Handelsblatt)

 

Verbannung

Die Entwickler des derzeit erfolgreichsten Multiplayer-Actionspiels ”Playerunknown’s Battlegrounds” stehen vor einem Problem: Rassistische, antisemitische, nationalsozialistische, sexistische und diskriminierende Formen von Audio-Kommentaren, wie sie kurz vor dem Beginn eines Spiels allzuoft in der offenen Insel-Lobby zu hören sind. Die Entwickler haben deshalb einen neuen Verhaltenskodex erstellt, in dem sie die Spieler bitten, andere fair und mit Respekt zu behandeln. Nutzern, die den Kodex nicht beachten, droht laut dem Entwickler eine zeitweise Sperre oder eine dauerhafte Verbannung (heise.de).

 

Urteile zu Volksverhetzung im Internet:

Dresden (“In Auschwitz noch Platz” – Freispruch)

Schweinfurt („Ganz Auschwitz auf und alle Migranten zum Duschen schicken“ – 70 Tagessätze, 25 Euro = 1.750 Euro)

Mönchengladbach („Germanys next Bombenleger“, Ratsher Dominik Roeseler (Ex-Pro NRW)

Willich: (Afrikaner herabgewürdigt – 1.000 Euro)

Neuenstein (BW) (nach Alibi während Brand in Flüchtlingsunterkunft gefragt – 70 Tagessätze, 30 Euro = 2.100 Euro).

Rockenhausen (zu Gewalt gegen Muslime aufgerufen – 3.600 Euro)

Aachen (Bei Putz-Aktion im Flüchtlingsheim solle Reinigungsbenzin und ein paar Feuerzeuge mitgenommen werden – Smiley – Ex-Polizist wird freigesprochen)

Langenseebold (Muslimen das Existenzrecht abgesprochen – 2.250 Euro)

Henningsdorf (Holocaust in Frage gestellt – 30 Tagessätze, 180 Euro = 5.400 Euro)

Oldenburg (schwarzem Kind den Tod gewünscht – 6 Monate auf Bewährung, 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit)

Wilhelmshaven (Bundesrepublik als „Mafia-Organisation“ und Flüchtlinge als „Menschenmüll“ – 1.800 Euro)

Volksverhetzungsprobleme: Was ist das eigentlich, Volksverhetzung?

 

Ermittlungen

AfD-Funktionärin Jeanette Ihme will „Flüchtlinge versenken“ (BildSaarbrücker Zeitung)

Feuerwehrmann aus dem Landkreis Meißen verliert Job nach Facebook-Post (Foto von einem Maschinengewehr: “Das schnellste Asylverfahren Deutschlands. Lehnt bis zu 1400 Asylanträge in einer Minute ab.“ – 2.400 Euro, Berufung steht aus, Job ist schon weg (Sächsische Zeitung).

Frankenthal: Ermittlungen gegen hochrangigen Stadt-Mitarbeiter wegen rassistischer Kommentare (SWR).

 

Analysen

Wie Pepe der Frosch ein Rassist wurde (taz)Hetze gegen Geflüchtete im Internet: Warum dieser Hass? (Analyse Kommentarspalten) (Stuttgarter Zeitung)Volksverhetzer im Visier: An der Hochschule verfolgen Studenten Spuren im Internet. Über deren Arbeit ist selbst der Innenminister erstaunt (Sächsische Zeitung).Empörungsmaschinerie im Netz: Facebook – Diskussionskultur auf Abwegen (Deutschlandfunk Kultur).

 

Rechtes Internet

Wikipedia-Kopien mit rechter Weltsicht: Conservapedia, Metapedia, Infogalactic (Deutschlandfunk Kultur).Epoch Times setzt auf Populismus (Berliner Zeitung).Anonymous jagt US-Rassisten und Neonazis wie den „Daily Stormer“ (WatsonSpiegelVice). Bot für Bitcoin-Spenden an Naziseiten: Ein Sicherheitsexperte hat einen Bot für die Suche nach Bitcoin-Spenden an Naziseiten entwickelt. Die Software veröffentlicht Betrag und Empfänger per Twitter und soll so auf die Geldsummen aufmerksam machen, die rechtsextreme Organisationen besonders in den USA erhalten (Wired).Neonazis schaffen sich eigene Online-Dienste: Hatreon, Gab.ai (Spiegel Online); ein bei Rechten beliebtes Forum: 4chan (Deutschlandfunk).Beliebte rechte Medien in Deutschland:  Epoch Times, „Anonymous News“ und „Journalistenwatch“. Alle drei holen mit reißerischen Überschriften in Sozialen Medien ihre Leser_innen ab. Ihre beliebtesten Themen: Flüchtlingsfeindlichkeit, Rassismus, Merkelhass und die AfD (taz).Troll-Porträt: Christian Normann Wagner (46) aus Remseck (Stuttgarter Zeitung)

 

 Umgang mit Fake News

In den Parteien: Die „Grüne Netzfeuerwehr“ rückt aus, wenn Lügen über Politiker_innen der Grünen verbreitet werden: Eine parteiinterne Facebook-Gruppe mit über zweieinhalbtausend Mitgliedern. Entdeckt jemand im Netz „Fake News“ über die Grünen oder einzelne Kandidaten schlägt er in der Gruppe Alarm. Der Gegenschlag durch Argumente und Likes beginnt. Die CDU klagt lieber. Die Linke nutzt Aufklärung und Humor. SPD stellt Fakten klar und klagt. FDP setzt auf Aufklärung durch Journalist_innen (BR). (Vgl. Heiko Maas, der sagt: Es gibt kaum rechtliche Handhabe gegen Fake News – ZVW).

Universitäres Experiment mit Fake News: Der Versuch der Universität Hohenheim zeigte, dass sich mit sehr wenig Aufwand eine große Reichweite erzielen lässt und selten Meldungen auf ihre Echtheit geprüft werden. Im Nachhinein wurde eine Richtigstellung von den Wissenschaftlern veröffentlicht, doch diese erreichte weitaus weniger Menschen als die Falschmeldung selbst. Im Gespräch mit tagesschau.de warnte Professor Schweiger: “Wir werden […] Filterblasen und Echokammern weiterhin in den sozialen Netzwerken haben. Wenn diese als Nachrichtenquelle an Bedeutung gewinnen, dann wird das auf jeden Fall die Polarisierung, die bei uns auch allmählich anfängt, verstärken.” (Euronews)

Mit Technik: Der Browseranbieter Mozilla hat in der vergangenen Woche selbst eine Initiative angekündigt. Dabei handele es sich um einen „umfassenden Ansatz, der dazu beitragen soll, das Internet glaubwürdig und gesund zu halten“. Bei seiner „Information Trust Initiative“ setzt das Unternehmen auf ein Potpourri an Methoden, die beim Aufspüren und Verhindern von Falschnachrichten helfen sollen. Darunter auch der Einsatz von virtueller Realität. Mozilla beschäftigt sich mit der Frage, wie Inhaltsempfehlungen verbessert werden können. Dabei ist Borchert klar, dass das nur mit sehr viel Feingefühl funktionieren kann: „Wir müssen uns hüten da nicht in eine Bevormundung zu rutschen und mit dem erhobenen Zeigefinger dem Nutzer vorzuschreiben, was er lesen darf und was nicht.“ Technologisch will die Initiative dafür auch an der Identifikation von Botnetzen und gefälschten Accounts forschen, da diese oft die Verbreitung von kritischen Inhalten vorantreiben. (Handelsblatt)

 

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