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Barbaria Schmölln Rechtsextremes Kampfsportangebot für die Jugend im Altenburger Land

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Aktivist*innen des III. Wegs bei Barbaria (Quelle: Screenshot III. Weg)

Schmölln ist eine kleine Stadt im thüringischen Altenburger Land mit knapp 14.000 Einwohner*innen. Für junge Menschen gibt es in Schmölln ein paar Freizeitangebote. Es gibt einen Jugend- und einen Musik-Club, eine Kletterhalle und verschiedene Sportvereine. Auch zwei Fitness- beziehungsweise Kampfsportstudios hat der Ort zu bieten. Den Fitnesspark und den Kampfsport-Verein „Barbaria Sportgemeinschaft e.V.“. Immer mehr Menschen zieht es ins Fitnessstudio, besonders junge Männer wollen mittels Krafttraining einem Fitnessideal näher kommen. Während Fitnesspark eine Monatsgebühr von etwa 40 Euro verlangt, kostet sie bei „Barbaria“ nur rund 30 Euro. Ein beträchtlicher Unterschied also, besonders für junge Menschen, bei denen das Taschengeld knapp ist. 

Das große Problem ist jedoch, „Barbaria“ ist ein rechtsextremes Gym. Die Gefahr, so schildert es und sein Sozialarbeiter aus der Region sei, nicht, dass die Kids Lust auf Kampfsport haben. „Das Problem ist vielmehr, dass Barbaria so ein günstiges Angebot macht und es kaum Alternativen gibt.“

Bereits seit 2013 existiert der extrem rechte Kampfsport-Verein „Barbaria Sportgemeinschaft e.V.“ im Altenburger Land. Die NS-Ideologie des Vereins ist bereits im Logo erkennbar: eine Lebensrune. Zu Beginn der völkischen Bewegung wurde die Rune als Lebensrune gedeutet und ihr umgedrehtes Pendant als Todesrune. Unter dem NS-Regime wurde die Lebensrune als Lebensborn-Zeichen verwendet. Der Lebensborn war in der NS-Zeit ein von der SS getragener, staatlich geförderter Verein, dessen Ziel es war, auf der Grundlage der nationalsozialistischen Rassenhygiene und Gesundheitsideologie die Erhöhung der Geburtenziffer „arischer“ Kinder herbeizuführen. Die völkisch-nationalistische Ideologie hinter dem Verein wird auch auf einigen Shirts von Barbaria deutlich. Hier steht in unter anderem, in runenartiger Schrift: „Widerstand für Volk und Land“.

Ein derart offenes neonazistisches Kampfsport-Gym scheint in Deutschland einzigartig. Und dennoch bekommt das rechte Treiben wenig (mediale) Aufmerksamkeit. 

Die Räumlichkeiten: Platz für mehr

Der Verein „Barbaria“ bietet in seinen Räumen Trainings im Bereich Kickboxen und Mixed Martial Arts (MMA) an und richtet seine Angebote explizit auch an Kinder. Für die Trainings kann der Verein in Schmölln auf eigene Räumlichkeiten mit Boxring und verschiedenen Fitnessgeräten zugreifen. Im April 2021 war die ehemalige Immobile des Vereins vollständig abgebrannt.

„Barbaria“ zog daraufhin nur wenige Meter weiter in ein Gebäude mit einer Fläche von mehreren Hundert Quadratmetern. Wie es bei rechtsextremen Immobilien häufig üblich ist, werden auch hier die Räumlichkeiten für vielfältige rechtsextreme Vernetzungstreffen genutzt. So fand dort beispielsweise Anfang Dezember 2022 ein Rechtsrock-Konzert mit etwa 70 Teilnehmer*innen statt. An jenem Abend trat dort die rechtsextreme Band „Legion S“ aus Tschechien auf. Spät in der Nacht wurde die Veranstaltung durch die Polizei beendet. Laut Verwaltung in Schmölln dürfen die Neonazis ihr Gym derzeit jedoch nicht für Kampfsport nutzen, da sie offenbar versäumt haben, einen Umnutzungsantrag zu stellen, seit sie in die neuen Räume gezogen sind. 

„Unsere Aufgabe ist es, dass wir uns positionieren“, bekräftigt der Schmöllner Bürgermeister Sven Schrade, der in einem Gespräch immer wieder auf die Gefahr hinweist, die von „Barbaria“ ausgeht. Er ist sehr besorgt über das rechte Treiben in Schmölln. „Wir dürfen unsere Augen hier nicht verschließen. Ich sehe es als meine große Pflicht, darüber zu sprechen.“ Dabei sei es wichtig, auch Angebote zu machen, „denn schließlich ist Kampfsport nicht per se rechts.“

Martin Langner

Kopf des Vereins „Barbaria“  ist Martin Langner. Er ist selbst Kampfsportler und kämpfte im Januar 2017 bei dem unpolitischen MMA-Eventausrichter „We Love MMA“. Eine bundesweit stattfindende MMA-Veranstaltung mit Tausenden von Zuschauer*innen und Live-Übertragungen. Dieser Kampf machte Langner auch überregional bekannt. Dabei war er schon damals Neonazi und besuchte neonazistische Veranstaltungen, mit seinen rechtsextremen Freunden. Im April 2018 stand Langner dann im Rahmen des neonazistischen Festivals „Schild und Schwert“ bei einer Kampfsporteinlage im Ring. Am 2. November 2018 trat er mit einem „Barbaria Schmölln“-Team beim faschistischen Kampfsportevent „Kampf der Nibelungen“ (KdN) im sächsischen Ostritz an. Immer wieder nimmt Langner an Demonstration der neofaschistischen Kleinstpartei „III. Weg“ teil. „Martin Langner gehört zum festen Inventar der bundesdeutschen Neonazi-Szene“ erklärt Felix Steiner, Pressesprecher von mobit, der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen. „Er ist hier seit vielen Jahren aktiv und offenbar bestens vernetzt“.

Auch ein Blick auf Langners Social Media-Profil lässt keine Fragen zur Ideologie des Kampfsportlers offen. Schon sein Profilbild zeigt Langner in Siegerpose auf einem KdN-Event. Im Hintergrund hängt ein großes Transparent der Rechtsrock-Band „Oidoxie“. Eine Band, die eine zentrale Rolle im rechtsterroristischen Netzwerk der paramilitärischen Gruppe „Combat 18“ einnimmt.

Facebook-Profilbild von Martin Langner (Quelle: Screenshot)

Neben antisemitischen Verschwörungserzählungen, dass der jüdische Milliardär George Soros, die Menschheit versklaven wolle, betitelt Langner Urlaubsbilder mit „Heil dir Germania“ oder teilt Beiträge zu NS-Verherrlichung. 2017 schrieb Langner: „Die Zeiten werden hart und sowie es zur Zeit aussieht nicht besser, jeder Deutsche sollte an seiner Wehrhaftigkeit arbeiten. Wer ein ordentlicher Mensch ist, einen Sinn für Kameradschaft hat und endlich was für seinen Körper tun möchte, kann gern bei uns vorbei schauen.“ (sic!) Langner umschreibt hier, dass sich Deutsche, und wer als deutsch gilt, scheint er zu definieren, im Kampf trainieren müssen.

Enge Anbindung an den „III. Weg“

Im August 2021 und 2022 fanden im Zwickauer Stadtteil Neuplanitz nationalistische Fußball-Turniere statt, organisiert vom „III. Weg“-Stützpunkt Westsachsen. Als eigene Teams traten beide Jahre die Sportgemeinschaft „Barbaria Schmölln“ mit einer augenscheinlich jungen Mannschaft an. Auch Langner war dabei. 2021 erlangte das „Barbaria“-Team den ersten Platz. Der „III. Weg“ schreibt später, man habe an diesem Tag „deutschen Anwohnern unbeschwerte Stunden auf dem ansonsten häufig von Ausländerkindern und fremdländischen Jugendlichen belagerten Platz“ ermöglichen wollen. Im Jahr 2022 kam das „Barbaria“-Team auf den zweiten Platz. Wenig später schreiben die Neonazist*innen vom „III. Weg“: „Erneut wurde, völlig störungsfrei, ein Tag verlebt, der die Gemeinschaft nach innen stärkte und nach außen zum Ausdruck brachte, was wir im Großen anstreben: eine völkische Gemeinschaft, in der das Wir über dem Ich steht und in der die dekadente und egoistisch geprägte Ellbogengesellschaft der Vergangenheit angehört.“ Es scheint, als würden besonders junge Menschen über Langner und sein Gym an die militante rechtsextreme Szene herangeführt werden. 

Bürgermeister Schrade kritisiert, dass Teile der Schmöllner Bevölkerung das rechtsextreme Gym recht unproblematisch betrachten. „Es fehlt da teilweise an Sensibilisierung“, so Schrade. „Und genau das nutzen die Verantwortlichen aus. Sie treffen dabei auf einen Nährboden“.

Versuchte die neonazistische NPD noch, junge Menschen über Musik mithilfe einer „Schulhof CD“ zu ködern, versuchen Neonazis mittlerweile vielfach über Sport Jugendliche zu erreichen und zu rekrutieren. Ein Konzept, das erfolgversprechend scheint, schließlich erleben wir derzeit gesamtgesellschaftlich einen Fitnessboom, der alle Bereiche des Lebens abdeckt. Rechtsextreme versucht gezielt, über Sport die tödlichen Ideen des Rassismus und Faschismus in die Köpfe junger Menschen zu pflanzen. Das Angebot, das sie jungen Menschen machen, entspricht damit wohl dem Zeitgeist junger Neonazis, denen es oftmals nicht mehr so sehr ums Feiern, Alkohol und Musik geht. Stattdessen werden sie von militanten Neonazis im Straßenkampf ausgebildet. „Leute, die einfach nur Kampfsport machen wollen, könnten über Barbaria an die neonazistische Szene herangeführt werden“, warnt Felix Steiner von mobit. „Es besteht die Gefahr, dass hier auch Neonazis trainiert werden, die diese Fähigkeiten dann im Straßenkampf einsetzen.“

Vielfältige Vernetzung in die militante Neonazi-Szene

Langner selber scheint der neonazistischen Kleinstpartei „III. Weg“ sehr nah zu stehen. Bilder zeigen ihn auf „III. Weg“-Veranstaltungen, in Parteiuniform. Im Mai 2022 fand in den neuen Räumlichkeiten des rechtsextremen Schmöllner Gyms ein Selbstverteidigungskurs für „III. Weg“-Aktivist*innen und junge Nachwuchs-Nazis statt. Vonseiten der rechtsextremen Partei heißt es später dazu: „Gerade in Zeiten, in denen es zu immer mehr und immer brutaleren Angriffen auf Nationalisten kommt und es auf den Straßen immer rauer zu geht, ist es enorm wichtig, für den Ernstfall vorbereitet zu sein. Daher fand unter fachmännischer Anleitung, anschaulich erklärt und vorgeführt, ein zweistündiger Exkurs in den Bereichen Selbstverteidigung sowie Kampfsportgrundlagen statt. Realitätsnah wurden hierbei mögliche Szenarien durchgegangen, wie sie sich auf der Straße häufig abspielen.“

Die Vernetzungen von Langner und Barbaria in die Neonazi-Szene sind mannigfaltig. Wie gut Langner aber tatsächlich in der Szene vernetzt ist, lässt sich wohl am eindrücklichsten am „Kampf der Nibelungen 2020“ nachzeichnen: Aufgrund der Infektionsschutzbestimmungen wegen der Corona-Pandemie konnte der KdN 2020 ein Live-Event veranstaltet. Die Neonazis um KdN-Chef Alexander Deptolla entschieden sich für ein als Video gestreamtes Kampfevent. Nachdem der erste Veranstaltungsort, an dem das Video aufgezeichnet werden sollte, in Magdeburg durch die Polizei untersagt wurde, wich das KdN-Team und seine Kämpfer in das Gym von „Barbaria“ aus. Von hier wurden schließlich fünf Kämpfe ausgetragen. Organisatoren des KdN bezeichneten die deutsche Demokratie auf ihrer Website als „faulendes politisches System“ und sprechen vom Training für den „Straßenkampf“. Damit sind die Ziele klar formuliert: Hier trainieren Neonazis für den politischen Umsturz.

Trotz dieser offenkundigen Vernetzungen des Vereins und die wiederholte Teilnahme an den großen neonazistischen Kampfsportturnieren kam der Thüringer Verfassungsschutz 2018 noch zu folgender Einschätzung: „Der Verein wird nach Einschätzung des Amts für Verfassungsschutz nicht von Rechtsextremisten dominiert, auch wenn dort unter anderem Rechtsextremisten trainieren“, so steht es in einem Plenarprotokoll des Thüringer Landtages von Februar 2018.

Die demokratische Zivilgesellschaft aus Schmölln und Jugendsozialarbeiter*innen aus der Umgebung sind hingegen besorgt. „Barbaria“ sei eine große Gefahr für die Jugendkultur in der Region, berichten sie übereinstimmend. Besonders, weil es ein so deutlich günstigeres Mitgliedsabo anbietet, macht sich dieses attraktiv für junge Menschen, die noch nicht über ein eigenes Einkommen verfügen. 

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