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Brasilien Der „Volkslehrer” im Land des rechtsradikalen Präsidenten

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(Quelle: Screenshot aus einem Video von Nikolai Nerling)

Niklas Franzen ist Journalist und beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit Brasilien. Er hat in São Paulo studiert und lange im Land gelebt und gearbeitet, unter anderem als Korrespondent für die taz. Im Mai erscheint beim Verlag Assoziation A sein Buch Brasilien über alles: Bolsonaro und die rechte Revolte. Wir haben mit ihm über brasilianische Neonazis, einen rechtsradikalen Präsidenten und den „Volkslehrer“ gesprochen.

Bellower.News: Wie sieht die rechte Szene in Brasilien aus?
Niklas Franzen: Wenn man die über rechte Szene Brasiliens reden will, muss man erst mal über den Präsidenten sprechen, der ja selbst ein Rechtsradikaler ist. Jair Bolsonaro hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er ein notorischer Rassist ist, der gegen Frauen, LGBTQ* und Linke hetzt. Er hat so etwas wie eine Bewegung geschaffen, die man als Bolsonarismus bezeichnen könnte. Es kommen ganz unterschiedliche Kräfte zusammen: Christ:innen, vor allem Evangelikale, die Waffenlobby, Polizist:innen, Neoliberale, aber auch Leute vom Land, Großgrundbesitzer:innen. Aber es wäre verkürzt, zu sagen, dass alle, die sich dieser Bewegung zugehörig fühlen, Rassist:innen oder Faschist:innen sind. Generell gibt es unterschiedliche Einschätzungen über die Präsidentschaft Bolsonaros: Die einen sagen, dass es durch ihn einen spürbaren Rechtsruck gegeben habe. Andere sagen, Brasilien sei  schon immer so gewesen und Bolsonaro habe nur Gefühle freigesetzt, die schon immer existierten. 

Gibt es im Land eine Neonaziszene?
Brasilien gilt als multiethnischer Staat. Aber es gibt mehr als 500 Neonazizellen im Land. Die Zahl beruht auf Studien der Anthropologin Adriana Dias, die sich seit mehr als 20 Jahren genau mit dieser Thematik auseinandersetzt. Einige Gruppierungen haben schwer bewaffnete Anschläge geplant und die Polizei hat in den letzten Wochen und Monaten mehrere Mitglieder verhaftet. Und die Zahlen steigen seit dem Amtsantritt von Bolsonaro. Offenbar gibt der Präsident Neonazis das Gefühl, in die Offensive gehen zu können. Bolsonaro hat immer wieder die Nähe zu solchen Gruppen gesucht. Er hat zum Beispiel auf Neonazi-Seiten Briefe veröffentlicht und er macht auch immer wieder Andeutungen, chiffriert Aussagen, die in diesen Kreisen genau verstanden werden. Eine seiner ersten Amtshandlungen war, das Kulturministerium abzuschaffen, weil Kultur ihm als „linksversifft“ gilt.

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Zum Kultursekretär hat Bolsonaro dann einen ehemaligen Theaterdirektor ernannt. In einem Video, in es eigentlich um einen Kunstpreis gehen sollte, hat er aus einer Goebbels Rede zitiert. Hinter ihm hing ein Bild von Bolsonaro. Das Ganze glich  einem Foto von Goebbels am Schreibtisch vor einem Hitler-Bild. Und im Hintergrund lief eine Wagner-Oper.

Aber es gibt auch Differenzen, vor allen Dingen bei der Nähe zu Israel. Die Neonazis sind natürlich offen antisemitisch. Aber die Bolsonaro-Regierung verkauft sich als Freund von Israel, was vor allen Dingen auf den Einfluss der Evangelikalen zurückzuführen ist.

Wem nützt die Bolsonaro-Regierung eigentlich? Sind es nur die Großgrundbesitzer:innen und dient sie ausschließlich wirtschaftlichen Interessen?
Bolsonaro repräsentiert die Interessen des Kapitals, da gibt es keine Frage. Aber er hat trotzdem auch Rückhalt in der armen Bevölkerung. Das lässt sich vor allem auf den Einfluss der Freikirchen zurückführen. Der Staat, aber auch die Linke, haben die armen Viertel lange vernachlässigt, nicht so die Kirchen. Bolsonaros Politik stimmt mit den ultrakonservativen Weltbildern dieser Kirchen überein. Während der Pandemie hat er zum Beispiel dafür gekämpft, dass die Kirchen auf gar keinen Fall schließen müssen. Gerade in der Umweltpolitik hat Bolsonaro Prozesse eingeleitet, die sich nur schwer zurückdrehen lassen. Er hat Kontrollbehörden entmachtet, überall linientreue Gefolgsleute strategisch eingesetzt, forderte Brasilianer:innen dazu auf, sich Land illegal anzueignen. Die Konsequenz: Eine regelrechte Invasion auf den Amazonas-Regenwald hat begonnen. Die Konsequenzen für die Umwelt und die indigene Bevölkerung sind verheerend. Aber er hat auch Vertrauen, das viele Brasilianer:innen in ihn hatten, verspielt. Das liegt vor allem an der wirtschaftlichen Situation. Brasilien befindet sich auf wirtschaftlicher Talfahrt, das bekommen viele am eigenen Leib zu spüren. Der Hunger ist zurück. Dazu kommt: Die wenigsten Brasilianer:innen sind sehr politisch bzw. ideologisch. Politik dreht sich um ganz unmittelbare Fragen und wenn du kein Essen mehr im Kühlschrank hast, dann wirst du dir zweimal überlegen, ob du nochmal Bolsonaro wählen willst.

Denn im Oktober sind wieder Wahlen in Brasilien.
In den Umfragen liegt Bolsonaro an zweiter Stelle, hinter Lula, dem progressiven Kandidaten. Der könnte sogar direkt gewinnen, ohne dass es zur Stichwahl kommt. Aber ich halte mich zurück mit Prognosen für eine Wahl, die erst in einem halben Jahr stattfindet. In den letzten Umfragen ist Bolsonaro auch wieder gestiegen. Und ein Teil der Bevölkerung steht uneingeschränkt hinter ihm – nicht nur trotz, sondern gerade wegen der Skandale und der ganzen Provokation. Das sind rund 25 Prozent der Bevölkerung und daran lässt sich wahrscheinlich nichts rütteln.

Du hast es schon angesprochen, Brasilien gilt als multiethnisch, der Soziologe Gilberto Freyre nannte es „Rassendemokratie”: Alle leben ohne Diskriminierung und Rassismus gleichberechtigt zusammen. Entspricht das der Realität?
Schwarze Brasilianer:innen sagen schon immer, dass Brasilien rassistisch ist und dass es diskriminierende Strukturen schon immer gegeben habe. Das Thema Rassismus ist schon länger stark in der Öffentlichkeit, auch deswegen, weil 54 Prozent der Brasilianer:innen schwarz sind. Die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und Antisemitismus hat aber erst in den letzten Jahren zugenommen. Das hat auch  viel mit der Regierung zu tun. Vertreter:innen haben etwa behauptet, der Nationalsozialismus sei links gewesen, andere haben die Shoa verharmlost. Seit Bolsonaro Präsident ist, gibt es eine viel größere Sensibilität für diese beiden Themen. Deswegen gibt es auch eine sehr große Gegenbewegung. Das ist etwas, was diese Präsidentschaft auch ausmacht. Auf der einen Seite gibt es einen Rechtsruck. Man erlebt nun Dinge, die man sich vor zehn Jahren wahrscheinlich nicht hätte vorstellen können. Auf der anderen Seite gibt es eine sehr große Mobilisierung der Zivilgesellschaft, aber auch der demokratischen Institutionen und der Medien. Die Gegenseite wurde dazu gezwungen, sich stärker zu positionieren. Das zeigen die Reaktionen auf zwei Vorfälle aus jüngster Zeit. Ein bekannter Podcaster hatte gefordert, dass eine Nazipartei in Brasilien legalisiert gehöre. Und dass Judenhasser das Recht haben sollten, Juden zu hassen. Kurz danach hat ein prominenter Journalist den Hitlergruß gezeigt. Es gab einen riesigen Aufschrei. Der Podcaster hat alle seine Werbeverträge verloren, YouTube hat seinen Kanal gesperrt. Der Journalist wurde augenblicklich entlassen. Das Thema ist präsent und auch die Medien haben verstanden, dass eine Gefahr von rechten Tendenzen in der Gesellschaft  ausgeht.

Was sind die Themen der rechtsextremen Szene in Brasilien?
In der Neonazi-Szene sind es die klassischen Themen, die man auch aus Europa oder Deutschland kennt: Rassismus, weiße Vorherrschaft, Antisemitismus. Wenn man sich die christlichen Fundamentalist:innen anschaut, dann geht es vor allen Dingen um „moralische Themen“, also etwa die herbeiphantasierte Genderideologie”, Ablehnung der Ehe für alle und von Abtreibungen. Dann gibt es noch einen ideologischen Flügel, auch innerhalb der Regierung, um den kürzlich verstorbenen YouTube-Philosophen Olavo de Carvalho mit wirren Verschwörungserzählungen. Ein gemeinsamer Nenner ist vor allem der Antikommunismus. Dieser hat in Brasilien eine wichtige Funktion und hat viel mit der Geschichte zu tun: Es gab schon immer eine ideologische Nähe zu den USA, man wollte sich abgrenzen zu anderen lateinamerikanischen Ländern. Ein paranoider Antikommunismus hat sich eingebrannt, vor allem  im Militär. Brasilien ist eine junge Demokratie: Bis 1985 war Brasilien eine rechte Militärdiktatur, wo Linke und Oppositionelle verhaftet, gefoltert und ermordet wurden. Das Narrativ heute lautet, dass die Linke versucht, ihre Ideologie über Kultur und Bildung zu verbreiten. Das Stichwort „Kulturmarxismus“ ist eine sehr wichtige Triebfeder.

Bolsonaro hat auch besonders wegen seiner Coronapolitik Unterstützung eingebüßt, oder?
Er hat sicherlich auch Unterstützung verloren durch seine katastrophale Politik. Er hat die Pandemie heruntergespielt, er hat das Virus eine kleine Grippe genannt, die Empfehlung der WHO missachtet und mehrere Gesundheitsminister entlassen, die die Empfehlungen von Expert:innen befolgen wollten. Aber Bolsonaro war auch sehr erfolgreich darin, seine eigene Basis zu mobilisieren. Denn er macht ausschließlich Politik für diese 25 Prozent, die hinter ihm stehen. Bolsonaro konnte sich durch seinen Kurs als einsamer Kämpfer gegen das Establishment inszenieren. Das tat er, indem er auf die klassischen Verschwörungserzählungen setzte, zum Beispiel, dass das Virus im chinesischen Labor gezüchtet wurde.

Dazu kommt seine neoliberale Wirtschaftspolitik. Die Coronapolitik wurde maßgeblich vom ultraliberalen Wirtschaftsminister Paulo Guedes diktiert. Die Fließbänder durften unter keinen Umständen stehen bleiben. Was sind schon ein paar hunderttausend Tote? Hauptsache, die Wirtschaft läuft. Zu diesem neoliberalen Wirtschaftsverständnis gehört auch ein soldatisch-faschistoides Männlichkeitsbild. Die Pandemie ist ein Moment der natürlichen Selektion: Sozialdarwinismus.

Interessant ist, dass Bolsonaro immer wieder gesagt hat, dass er sich nicht impfen lässt. Aber das ist ein Thema, mit dem man in Brasilien nicht punkten kann, weil es einfach ein sehr großes Vertrauen in Impfkampagnen gibt. Fast alle lassen sich impfen, selbst die hartgesottensten Bolsonaro-Unterstützer:innen. Von Expert:innen wird vermutet, dass Bolsonaros Impfkritik vor allem ein Versuch war, an die globale Rechte anzudocken.

Von Anfang Oktober bis vor wenigen Tagen war der rechtsextreme Videoaktivist Nikolai Nerling aka „der Volkslehrer“ in Brasilien. Was hat er da gemacht?
Laut eigener Aussage wollte er mal wieder Urlaub machen”. Dann ist aber eine Verurteilung dazwischen gekommen. Nerling hatte in der KZ-Gedenkstätte Dachau im Februar 2019 durch Andeutungen vor einer Gruppe von Schüler:innen den Holocaust geleugnet. Seit 2021 ist das Urteil rechtskräftig. Im Dezember 2021 scheiterte auch eine Beschwerde Nerlings vor dem Bundesverfassungsgericht. Offenbar war das Anlass eine zeitlang in  Brasilien abzuwarten, wie sich die Situation in Deutschland entwickelt.

Warum ist er jetzt wieder zurückgekommen?
Laut eigener Aussage habe Nerling „sein Land“ und „sein Volk“ vermisst. Außerdem, so sagte er mir, wolle er bei seinen „Brüdern und Schwestern“ sein, sollte es zu einem Krieg in ganz Europa kommen. Sicherlich hängt seine Rückkehr auch damit zusammen, dass er in Brasilien viel Ärger hatte. Was genau vorgefallen ist, wollte er mir nicht sagen. Aber er bekam wohl Probleme mit lokalen Antifaschist*innen. Auch die Corona-Situation war für ihn nicht viel angenehmer als in Deutschland. Trotz Bolsonaros Kurs haben die meisten brasilianischen Bundesstaaten strenge Maßnahmen ergriffen: Es gibt eine Maskenpflicht in Innenräumen, Impfnachweise werden bei Veranstaltungen verlangt. Eine Weiterreise nach Paraguay war für Nerling nicht möglich, da er ungeimpft ist und das Land seine Einreisebestimmungen verschärfte. Ich denke, dass auch ein Glaubwürdigkeitskonflikt zu seiner Rückreise nach Deutschland beigetragen hat. Nerling ist auf die finanzielle Unterstützung seiner Fans und Abonnent:innen angewiesen. Davon lebt er. Einige kritisierten seine Ausreise nach Brasilien. Er habe sein Land verraten, hieß es. Hätte er Deutschland dauerhaft den Rücken gekehrt, wäre es für ihn immer schwieriger gewesen, sich als unermüdlicher Kämpfer für das deutsche Volk zu inszenieren und Spenden von seinen Anhänger:innen einzufordern.

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Nerling wurde zu einer Geldstrafe über 6.000 Euro verurteilt, er stellt es aber so dar, als drohe ihm eine Verhaftung?
Die letzte Möglichkeit im Dachau-Fall wäre für ihn, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Aber es ist relativ unwahrscheinlich, dass er dort noch Recht bekommen  oder dass das Urteil gekippt würde. Laut Staatsanwaltschaft Berlin gibt es zudem noch eine ganze Reihe von anderen Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Volksverhetzung. Juristisch kommt sicherlich einiges auf ihn zu.

Die Zuschauer:innen können ja auch nur schwer darauf vertrauen, ob wirklich stimmt, was er in diesen Videos erzählt.
Nerling stellt sich in den Videos und auf seinem Telegramkanal am liebsten als Opfer dar, weil das für ihn finanziell wichtig ist. Für den Vorfall in Dachau wurde er zu einer Strafe in Höhe von 6000 Euro verurteilt und dazu kommen noch die Prozess- und Gerichtskosten. Er spricht von 30.000 Euro. Das Geld hat er laut eigener Aussage nicht.

Aber für den Flug nach Brasilien hat das Geld gereicht. Wo war er überall??
Nerling hatte offenbar schon länger geplant, Siedlungen von deutschstämmigen Brasilianer:innen zu besuchen. Das hat er auch getan und mehrere Videos gepostet, zum Beispiel in Biergärten, bei einem Treffen von VW-Fahrern, er war auf einem Volksfest, hat einen Bildhauer getroffen und deutschstämmige Dorfbewohner:innen. Das war am Anfang der Reise und er hatte einen Kameramann dabei. Später schien er allein zu sein, veröffentlichte aber weiter Videos und kommentiert das Zeitgeschehen. Inhaltlich rassistisch und vor allem antisemitisch, etwa wenn er am Holocaust-Gedenktag dazu aufruft, Gedenkstätten zu stürmen.

Du hast einen Kameramann erwähnt, gab es noch mehr Unterstützung für ihn vor Ort?
Es scheint so, dass er zumindest einige Vertrauensleute hatte. In einem Video besucht er Blumenau, die bekannteste deutsche Stadt” in Brasilien. Dort traf er in einem Restaurant einen Deutschen, der dort als Koch arbeitet. Ich habe mit dem Chef dieses Restaurants gesprochen. Das sind Rechte, aber keine Rechtsextremen oder Neonazis. Die waren eher froh, dass ein Deutscher mit Lederhose ankommt und sie interviewt. Andererseits hat der Koch Begriffe benutzt, die in der Szene verwendet werden. Etwa einen angeblichen Genozid an den Weißen.

Zwischenzeitlich wart auch dank deiner Recherchen in der größten Tageszeitung Brasiliens ein Artikel über Nerling erschienen. Hatte das Konsequenzen für ihn?
Das hat zwei Ebenen. Auf der einen Seite wurden so die Behörden informiert, auf der anderen Seite, konnte eine zivilgesellschaftliche Reaktion entstehen. Zur  strafrechtlichen Ebene: Ich habe  Teile von Videos übersetzt und  einem Anwalt gezeigt, der auch Direktor der Israelitischen Konföderation Brasiliens ist. Er geht davon aus, dass sich Nerling auch in Brasilien strafbar gemacht hat. Da geht es vor allem um den Straftatbestand des Hassverbrechens und dabei ist Antisemitismus relevant. Eine anonyme Quelle hat mir bestätigt, dass die Bundespolizei schon gegen ihn ermittelt hatte.

Wie hat die Zivilgesellschaft reagiert?
Es hat eine große Debatte über Nerlings Besuch stattgefunden. Und sehr viele Brasilianer:innen haben klar gemacht, dass seine Positionen  nicht zu tolerieren sind und dass er nicht willkommen ist.

Ist das bei ihm angekommen?
Wie schon gesagt, die Opfer-Inszenierung ist für Nerling extrem wichtig. Er behauptet, die Antifa” sei in Brasilien ja fast noch viel schlimmer als in Deutschland und stecke unter einer Decke mit den Behörden und den Medien. Seine erste Reaktion war aber, den Artikel übersetzen zu lassen und in seiner Telegram-Gruppe zu posten. Auf der einen Seite fühlt er sich als Opfer, auf der anderen feiert er sich dafür, dass er es in die größte Tageszeitung des Landes geschafft hat. Das zeigt  ganz gut seine Persönlichkeit.

Du hast schon erwähnt, dass er in den deutschen Siedlungen unterwegs war. Wie ist da das politische Klima?
Man darf nicht verallgemeinern. Wenn man in Deutschland über Deutschstämmige in Südamerika spricht, heißt es schnell, das sind alles Nachfahren von Nazi-Täter:innen. Da gibt es sicherlich einige, aber die allergrößte Mehrheit kam schon viel früher ins Land. Für einige ist es wichtig, Tradition und Kultur zu achten und sich an die Vorfahren erinnern. In Blumenau findet das zweitgrößte Oktoberfest der Welt statt. In vielen Städten gibt es Fachwerkhäuser und Bierbrauereien. Das ist auch großer wirtschaftlicher und touristischer Faktor. 

Aber man muss auch sagen, dass gerade im brasilianischen Süden, wo die meisten deutschstämmigen Brasilianer:innen wohnen, die Stimmung tendenziell rechts bis rechtskonservativ ist. Das hängt mit der Einwanderungsgeschichte zusammen, also damit, dass sich hier vor allem weiße Einwander:innen aus Deutschland und aus Italien angesiedelt haben. Man will sich abgrenzen vom Rest des Landes, also vom armen, schwarzen Norden. Es gab in der Region auch schon Bemühungen separatistischer rechter Bewegungen für die Unabhängigkeit. Und es ist der Landesteil, wo Bolsonaro die meisten Stimmen geholt hat. Vielleicht noch ein Beispiel: In Santa Catarina, also dem Bundesstaat, in dem sich Nerling wahrscheinlich aufhält, ist Daniela Reinehr Interims-Gouverneurin geworden, also Ministerpräsidentin. Ihr Vater ist ein bekannter Nazi und Holocaustleugner. Sie hat sich erst nach massivem Druck dazu durchgerungen, sich von NS-Ideologie zu distanzieren.

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