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Chemnitz, Dresden Rechtsextreme Mobilisierung in Coronavirus-Zeiten

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Das ist die neue Lieblingsmaske für Besorgtbürger. Gab es nicht nur auf den Kundgebungen, sondern auch in der "alternativmedialen Berichterstattung" auf YouTube. (Quelle: Screenshot)

Die rechtsextreme Szene hat ein neues Mobilisierungsthema: Es ist der Protest gegen die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie – die werden bei den Rechtsextremen und Querfrontlern nämlich als Beschränkung ihrer „Grundrechte“ interpretiert, auch wenn sie dabei vor allem auf Hetze gegen Migrant*innen, Andersdenkende und die Demokratie denken. Nach Demonstrationen in Berlin (BTN berichtete) und Opferinszenierung der AfD (BTN berichtete) gab es am gestrigen Montag gleich zwei derartige Mobilisierungen in Chemnitz und Dresden.

Chemnitz

In Chemnitz hatte die rechtsextreme Vereinigung „Pro Chemnitz“ am Montag, den 20.04.2020, zu einer Kundgebung am Nischel, dem Karl-Marx-Monument aufgerufen: „Freiheit, Heimat, Zukunft, Vernunft“.

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Bei der Großdemonstration 2018 in Chemnitz, zu der u.a. ebenfalls von „Pro Chemnitz“ aufgerufen hatte, mobilisierte die Chemnitzer Rechtsaußen-Szene im August 2018 rund 1.500 Menschen zur Demonstration nach einem Streit mit Todesfolge in der Stadt. Die Demonstration blieb als Verbildlichung des schnell mobilisierungsfähigen Bündnisses zwischen Rechtsextremen, Hooligans, Pegida-Aktivist*innen, vorgeblich „besorgten Bürger*innen“ und der AfD in Erinnerung.

Für die Kundgebung am 20.04.2020, die sich gegen die Einschränkung von Grundrechten durch Coronavirus-Regelungen richtete, gab es – erwartbar – Einschränkungen durch Coronavirus-Regelungen. Nur 15 Menschen waren für eine halbe Stunde zur Kundgebung zugelassen statt der 500 Personen, die „Pro Chemnitz“ sich gewünscht hatte. Dass die rechtsextreme Vereinigung mit ihrer Personenanzahlschätzung nicht gänzlich falsch gelegen hätte, zeigte die Tatsache, dass rund 300 Menschen als „Zuschauer*innen“ – lautstarke „Zuschauer*innen“ mit Transparenten –  die Demonstration umringten, bis die Polizei diese Ansammlung wegen Verstoßes gegen die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung auflöste.

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Dabei leisteten die vielfach in bei Rechtsextremen beliebten Bekleidungsmarken gehüllten „Zuschauer*innen“ teilweise erbitterten Widerstand, wie Dokumentationen von Journalist*innen zeigen. Auf den Social-Media-Kanälen von „Pro Chemnitz“ sieht man dagegen nur Polizisten, die schimpfende ältere Herren vom Platz begleiten. 40 Personen, die Platzverweisen nicht nachkamen, erhielten Anzeigen und wurden teilweise mit Zwang vom Platz entfernt.

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Die Polizei meldete außerdem vier Straftaten: Zweimal Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, eine versuchte gefährliche Körperverletzung (Werfen einer Flasche in Richtung der Polizist*innen) und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (ein „Kühnen-Gruß“). „Pro Chemnitz“-Kopf und Anwalt Martin Kohlmann beschwerte sich online außerdem darüber, dass ein paar Polizeiautos vor seinem Büro parkten.

Ebenfalls nicht erwünscht waren bei der Chemnitzer Polizei allerdings Journalist*innen, die des Platzes verwiesen wurden.

(vgl. BILD, mdr, taz, Welt, FR)

 

Dresden

In Dresden mobilisierte Lutz Bachmann von „Pegida“ mit dem Slogan #80für80Millionen gegen die Bedeutungslosigkeit seiner „Bewegung“ und nutzte damit die Anspielung der 88 – in der rechsextremen Szene gleichgesetzt mit „Heil Hitler“ – denn der 20.04. war ja Adolf Hitlers Geburtstag, in der Szene immer noch ein Grund zum Feiern.

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Zugelassen wurden dann aber auch in Dresden nur 15 Teilnehmende statt 80. Doch auch die „Pegida“-Fans hielten sich nicht ganz an die Auflagen, erschienen bereits eine Dreiviertelstunde früher am Kundgebungsort und umringten die zugelassen 15 Menschen mit rund 30 weiteren „Patriot*innen“.  In und mit angemessenem Abstand protestierten 100 Menschen auf dem Platz zudem gegen die „Pegida“-Demonstration.

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Und wozu der Aufmarsch? Etwa, um neben Moderator Lutz Bachmann als Gastredner Robert Timm von der „Identitären Bewegung“ zu sehen, der sich allerdings nicht nach Dresden bemüht hatte, sondern in Jogginghose per Video zugeschaltet war und Dinge sagte wie: Er wisse ja eigentlich nichts, aber „Infrage stellen sollte erlaubt sein“. Dies aktuell eine der Lieblingsstrategien der rechtsextremen Szene, um den demokratischen Staat anzugreifen, ohne selbst innovative Lösungsvorschläge liefern zu müssen. Muslimfeindlichkeit in Zeiten des Coronavirus konzentriert sich übrigens aktuell auf die Erzählung, das vermutetet Voranschreiten der imaginierten „Islamisierung“ zeige sich etwa darin, dass nun „zum Ramadan“ Einschränkungen gelockert würden. Dann freute sich „Pegida“ noch, dass „Corona Gender“ schlage, denn von Geschlechtergerechtigkeit höre man nichts mehr – eher ein Beleg für die Medienferne dieser Blase, weil Geschlechterverhältnisse im Konflikt Kinderbetreuung vs. Homeoffice und Arbeiten gesamtgesellschaftlich ja durchaus diskutiert wird.

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Lutz Bachmann verkauft hinterher die Aktion auf seinen YouTube- und Telegram-Kanälen natürlich als „Erfolg“, auch wenn er trotzdem wie es sich für einen Wutbürger gehört, wütend ist. Deshalb will er auch anzeigen, und zwar die Polizist*innen und Journalist*innen, denn die hätten bei Interviews nicht genug Abstand voneinander gehalten und da sei die Anzeige schon raus.

Die Rechte will auch mitspielen

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch die rechtsextreme Kleinstpartei „Die Rechte“ auch das Spiel der Mobilisierung zum 20. April mitspielte: Sie riefen auf ihrer Internetseite zum Hissen von Fahnen auf – in ihrer Bebilderung: schwarz-weiß-rote -, Begründung: „Wir feiern die ersten Schritte zur Beendigung des ‚Lockdowns‘ im Kampf gegen das Corona-Virus“. Deshalb solle der 20.04. auch gleich ein Nationalfeiertag werden. Schon zur Europawahl hatte „Die Rechte“ versucht, Adolf Hitlers Geburtstag zu einem deutschen Nationalfeiertag zu machen – platter geht es mit dem Nationalsozialismus-Bezug nicht.

Ergänzung 23.04.2020

Rechter Anti-Coronavirus-Maßnahmen-Spaziergang in Pirna

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Dazu Polizeimeldung: https://www.polizei.sachsen.de/de/MI_2020_72080.htm

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2015-01-23-luegenpresse

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