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dehate report #02 – Fashwave „Ein unglaublich weißes Jahrzehnt“ – Simon Strick über rechtsextreme Nostalgie

Warum rechtsalternative Memes oft so merkwürdig sind? Meme-Kultur wird ironisch verstanden – aber es gibt keine ironische Verwendung von Hakenkreuzen. Interview mit dem Kulturwissenschaftler Simon Strick.

 
Die Achtziger als Jahrzehnt ohne "Political Correctness" - das schwingt bei Fashwave mit. (Quelle: Screenshot)

Der Kulturwissenschaftler Simon Strick arbeitet im Rahmen seines Forschungsprojekts „Feeling (Alt)Right: Affective and Identity Politics of Online Extremism” intensiv zu Online-Radikalisierung. Ihm zufolge orientieren sich Memes – und im weitesten Sinne sämtliche Elemente einer internetbasierten Kultur – immer an älteren Ästhetiken. Rechtsextreme Meme-Kultur funktioniere ebenfalls nach diesem Grundsatz, um so einen Wiedererkennungswert zu erzeugen. Bereits die Nationalsozialisten haben linke Bilder und Sprüche kopiert, um sich den Anspruch einer bodenständigen Bewegung geben zu wollen, so Strick.

„Rechtsextreme Meme-Kultur, zu welcher Fashwave letztendlich zählt, wird von vielen Menschen immer noch als ironisch eingestuft. Das liegt daran, dass sie die Meme-Ästhetik schlichtweg nicht gewohnt sind”, sagt Strick, „aber unter Rechtsextremen gibt es keine ironische Verwendung von Hakenkreuzen.”

Elektronische Musik als „Klänge der ‚weißen Rasse'“

Auch dass sich die extreme Rechte der für Fashwave üblichen elektronischen Musik zugewandt hat, ist laut Simon Strick naheliegend: „Der Identitäre Mario Müller publizierte ein Lexikon mit dem Namen ‚Kontrakultur‘. Darin benennt er Synthwave explizit als ‚weiße Musik’, die sich auf die 80er Jahre als letztes Jahr des ‚weißen Amerikas‘ bezieht”, so Strick. Auch der Gründer der rechtsextremen Online-Zeitung „The Daily Stormer“, Andrew Anglin, und der Begrün-der des Begriffes „Alt-Right”, Richard Spencer, haben sich in Aussagen positiv auf die elektronische Musik als die Klänge der „weißen Rasse” bezogen.„Die Achtziger Jahre waren ja auch ein unglaublich weißes Jahrzehnt, es ist der letzte Moment der ungetrübten weißen Männlichkeit. Man hat diese ganzen existentialistischen Männlichkeitsdramen wie ‚Blade Runner’ oder ‚Mad Max’. In den Neunziger Jahren fanden sich dann zunehmend Debatten um rassistische und sexistische Dis-kriminierung.”

Die Achtziger als Jahrzehnt ohne „Political Correctness“

Laut Strick erklärt das ebenfalls, weshalb sich ein „neurechtes” Videospiel-Entwicklerteam für ihr Computerspiel an das Design und die Grafik von Achtziger-Jahre-Computerspielen angelehnt hat – Ausdruck der Sehnsucht nach einer Zeit, die die Macher als von der Political Correctness unberührt glauben. „Das ist das Nostalgische an rechtsextremer Meme-Kultur: dass sich die ganze Zeit nach einer mystifizierten weißen Männlichkeit gesehnt werden soll, und das findet man in Musik, die sich nach ‚Terminator’-Soundtrack anhört.”Strick erläutert, dass das Methode hat: Fashwave ist nicht an der inhaltlichen Auseinandersetzung mit komplexen Symbolen interessiert. Vielmehr halten die Macher:innen es einfach, um eine klare Botschaft ohne aufwendigen Sub-text zu vermitteln. „Die Rechte nimmt die ästhetischen Bre-chungen, mit denen die Linke die bürgerliche Kultur subver-siv vorgeführt hat, wieder heraus und macht es eindeutig. Fashwave ist ja auch unglaublich billig produziert, das ist nur ein Techno-Track mit einer Führerrede obendrauf. Es geht auch darum, das einfach zu verwerten, damit es auf YouTube hochgeladen werden kann“, erklärt Strick.

 


Memes

Bei dem Internetphänomen der Memes handelt es sich um kleine Medieninhalte, häufig ein Bild oder Video, einen Text, eine Animation oder eine Montage, die auf meist humorvolle oder satirische Weise einen Umstand abzubilden versucht. Dabei geht es oft um gesellschaftspolitische Themen. Memes können von jeder:jedem aufgegriffen, verändert und weiterverbreitet werden, sodass anfängliche Motive einen unkontrollierten Verbreitungsverlauf nehmen. Ein Meme gehört in der Regel niemandem und transportiert erst dann eine Botschaft, wenn es von einer bestimmten Online-Subkultur aufgegriffen und mit entsprechendem Inhalt versehen wird.


 

Der de:hate report #02 zum Download:

https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/fashwave/

Mehr aus dem Report auf Belltower.News:

WEBINAR und LIVESTREAM – 07. Juli, 16 Uhr

Anlässlich des neu erschienenen de:hate-Reports #02: „Fashwave – Rechtsextremer Hass in Retro-Optik“ laden wir zum Publikumsgespräch ein. Am 7. Juli geht es nicht nur um die Frage, was Fashwave ist, an wen es sich richtet und warum es wichtig ist, rechtsextreme Online-Propaganda stärker in der Blick zu fassen. Fashwave bedient sich der Ästhetik einer antikapitalistischen Subkultur: der Synth- und Vaporwave. Deshalb geht es auch um die Frage: Wie können Subkulturen rechtsextreme Vereinnahmungen erkennen und sich dagegen wehren? Warum greifen Rechtsextreme überhaupt Subkulturen auf, die in ihrem Kern teilweise rechtsextremen Weltbildern eindeutig widersprechen?

Über diese Fragen diskutieren Veronika Kracher, Mitautorin des Reports, und Dr. Peter Schulz, Soziologe an der Universität Jena. Moderiert wird die Veranstaltung von Simone Rafael, Chefredakteurin des journalistischen Onlineformates belltower.news.

Das Webinar findet auch auf Zoom statt. Wenn ihr mit uns diskutieren wollt, bitte anmelden unter: https://us02web.zoom.us/meeting/register/tZ0qcOqtqTMqGN3zdCiajcPML_OCdeRVsbbL. Parallel dazu, wird die Veranstaltung via Livestream auf YouTube übertragen.

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