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Nazis in Deutschland und der Schweiz Jung, tatkräftig, revolutionär, vereint?

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Die Vernetzung verläuft, wie akutell so oft, unter anderem über Telegram. Hier Beiträge der "Jungen Tat". (Quelle: Screenshot)

Die „Junge Tat“ (JT) veröffentlichte am 09. November 2020 einen Videoclip über ihren Telegram-Kanal: Junge Männer machen Kampf- und Kraftsport, lesen Bücher der Alten und Neuen Rechten, machen paramilitärische Survival-Trainings und wandern in Bergen und Wäldern. Sie entrollen ein Transparent mit dem Namen ihrer Gruppierung und zünden Pyrotechnik.

Die „Junge Revolution“ (JR) veröffentlichte ein paar Wochen später, am 17. Dezember 2020, einen Videoclip über ihren Telegram-Kanal: Junge Männer des JR-Ablegers „Nord Württemberg Sturm (NWS)“ laufen über das Gelände eines Bahnhofs, durch eine Unterführung, in ein Parkhaus. Sie entrollen ein Transparent mit der rassistischen Parole „Migration tötet!“ und zünden Pyrotechnik.

„Junge Revolution“ & „Junge Tat“

2019 gründete Sanny Kujath, ehemals Mitglied der extrem rechten Partei „Der Dritte Weg“, die „Junge Revolution (JR)“. Im Rahmen seines „Medienprojekts“ interviewte er eine Reihe neonazistischer Kader, um Jugendlichen die zentralen Kader und Organisationen der extremen Rechten vorzustellen. Kujath ist in dieser Zeit von Zwickau (Sachsen) nach Kloster Veßra (Thüringen) gezogen. 2020 hat sich die JR zu einer Gruppierung entwickelt, die Kampfsport, Singen und Wandern verbindet. Gleichzeitig hat sie sich ausgedehnt: Mitte des Jahres gründete sich der  „Nord Württemberg Sturm (NWS), ein regionaler Ableger aus Süddeutschland.

Im Gegensatz zur JR entstand die „Junge Tat (JT) aus bestehenden Strukturen: Sie ist laut einer antifaschistischen Recherche eine „adaptierte Fortsetzung“ der „Eisenjugend Schweiz“ und der „Nationalistischen Jugend Schweiz“. Die Gruppierungen wurden von Manuel Corchia angeführt. Nach drei Hausdurchsuchungen in den Kantonen Schwyz und Zürich und der Beschlagnahme mehrerer Sturmgewehre und Pistolen setzten einige Neonazis ihre Aktivitäten in der JT, die zur „Nationalen Aktionsfront“ (NAF) gehört, fort.

Identität & Inszenierung

In den beiden Videoclips der Gruppierungen sind die Gesichter der Neonazis nicht zu erkennen: Während sich die JR/NWS-Mitglieder vermummen, zeigen sich die JT-Mitglieder in grünen Sturmhauben mit einer weißen Tyr-Rune. Die Rune, die bereits von der Hitlerjugend (HJ) und der „Sturmabteilung“ (SA) verwendet wurde, symbolisiert die Tat und den Kampf bzw. Krieg.

Die JT zeichnete in der Beschreibung ihres Videoclips ein pathetisches Selbstbild: „Junge Menschen, die von altehrwürdigen Werten sowie Tugenden träumen und nach diesen zeitlosen Prinzipien leben, schließen sich zusammen in der Jungen Tat!“ Die JR knüpfte an das Pathos der Schweizer Gruppierung an: „Nur mit einem disziplinierten Geist bewältigt man diesen Kampf! […] Geht auf die Straße und werdet ein Teil der jungen Revolution!

Beide Videoclips wurden mit der Musik des Rechtsrappers „Komplott“ (aka Patrick Uli Bass) unterlegt. „Komplott“ war der erste Rapper aus den Reihen der „Identitären Bewegung“ (IB). Er hat sich inzwischen aus der neurechten Musikszene zurückgezogen. Die JR nutzte den Track „Kaputt“ (2017), die JT den Track „Ehre über Ruhm“ (2018). Für die Inszenierung der beiden Gruppierungen spielen die martialischen Botschaften der Tracks eine entscheidende Rolle. Sie beschwören eine eiserne, tapfere Gemeinschaft und propagieren Stand- und Wehrhaftigkeit: „Wir waren die Jugend, die aufsteht, rausgeht, die Faust hebt | Auch, wenn man uns grün und blau schlägt“.

Zwei Gruppierungen, ein Netzwerk

Nachdem die JT ihren ersten Videoclip veröffentlicht hatte, folgte am 28. November ein zweiter, am 30. November ein dritter und am 12. Dezember ein vierter. Die Clips glorifizieren die „Ahnen“, mystifizieren die Natur und verteufeln den Konsum öffentlich-rechtlicher Medien. Am 19. Januar 2021 wurde ein fünfter Clip angekündigt. Eine Veröffentlichung blieb aus.

Denn ein Tag später, so berichtete die „Neue Zürcher Zeitung“, wurden fünf Männer im Kanton Zürich und ein Mann im Kanton Luzern verhaftet. Die Staatsanwaltschaft führt Strafverfahren wegen Aufruf zum Hass und Diskriminierung. Im Rahmen der Hausdurchsuchungen wurden mehrere Waffen beschlagnahmt. Die sechs Männer zwischen 18 und 20 Jahren waren „grundsätzlich geständig“ (NZZ) und wurden am 22. Januar aus der Haft entlassen. Die Razzien sollen mit der Sabotage einer Online-Veranstaltung der Jüdischen Liberalen Gemeinde der Stadt Zürich in Verbindung stehen. Am 17. Januar 2021 hatten Vermummte die Veranstaltung durch das Zeigen antisemitischer und pornographischer Inhalte gestört.

Die JT nutzt die Vertriebsstrukturen der JR: Der „Versand der deutschen Jugend“ (VDDJ), der Sticker und Shirts der JR, Rechtsrock-Tonträger und antiquarische NS-Literatur anbietet, hat vor kurzem das Merchandising (Sticker, Shirts, Sturmhauben) der Schweizer Neonazis in das Programm aufgenommen. Der VDDJ hat seinen Sitz im Gasthaus „Goldener Löwe“ (Kloster Veßra/Thüringen) des Neonazis Tommy Frenck. Das Impressum läuft über Sanny Kujath. Zwischen Mitgliedern der JR und der JT besteht offenbar ein reger Austausch: Bereits im August 2020 wurden die Köpfe der JR zum Kampfsport und Wandern in die Schweizer Berge eingeladen. Fotos zeigen Kujath und die Führungsfigur des NWS, Marc Rohrbacher, vor einem Gebirgssee und in einer Berghütte in Oberiberg im Kanton Schwyz. Der NWS teilte via Instagram mit: „Wieder ein erfolgreicher Ausflug in die Berge.“

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