Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Elena Kolbasnikova Rechtsoffene Kreml-Aktivistin zu Geldstrafe verurteilt

Von|
Elena Kolbasnikova am 9. Mai in Berlin (Quelle: Recherche.Netzwerk Berlin)

Neben rechtsradikalen Fans von Putins Autoritarismus und linken Nato-Gegner*innen verklären hierzulande auch einige Menschen mit postsowjetischem Migrationshintergrund öffentlich Russlands Angriffskrieg. Diese lautstarke Minderheit innerhalb ihrer Community machte im Frühjahr nach Kriegsausbruch 2022 mit prorussischen Autokorsos von sich reden. Seitdem flachte das Mobilisierungspotenzial derartiger Kundgebungen deutlich ab. Ein Autokorso in Köln versammelte am 6. Mai 2023 laut Presseberichten gerade mal 20 Teilnehmende. In organisierender Rolle von Anfang an mit dabei: Elena Kolbasnikova. 

Am 6. Juni 2023 musste sich die prorussische Aktivistin wegen der „Belohnung und Billigung von Straftaten“ vor dem Kölner Amtsgericht verantworten. In einem Videointerview mit Bild-TV sagte sie im vergangenen Jahr während eines Autokorsos in Köln: „Russland ist kein Aggressor. Russland hilft zurzeit, Krieg in der Ukraine beenden“. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts auf Billigung eines Angriffskrieges. Das Urteil: 30 Tagessätze à 30 Euro.

Prorussische Aktivistin in rechten Netzwerken

Kolbasnikova ist im ukrainischen Dnipro geboren, laut dem russischen Propagandamedium Ruptly ist sie immer noch Staatsbürgerin des Staates, den sie wiederholt als von Neonazis durchsetzt bezeichnete. Gemeinsam mit ihrem Partner Max Schlund organisierte sie seit dem Frühjahr 2022 eine Reihe prorussischer Kundgebungen und Autokorsos. Schwerpunkt ihrer Aktivitäten ist Köln. Dabei scheut die Krankenpflegerin, die ihre Anstellung laut eigener Angabe wegen „Russophobie“ verloren haben soll, nicht den Schulterschluss mit der extremen Rechten. Sie kooperiert mit Markus Beisicht, dem einstigen Vorsitzenden der rechtsextremen Bewegungen „pro Köln“ und „pro NRW“. Der rechtsextreme Jurist vertrat Kolbasnikova nun auch bei der Gerichtsverhandlung, zu der die Angeklagte mit einem Davidstern in den Farben der russischen Fahne erschien. Ermittlungen gegen sie bezeichnete Kolbasnikova vorab als Hetzjagd.

Markus Beisicht (l.) und Elena Kolbasnikova (r.) Quelle: Screenshot
Markus Beisicht (l.) und Elena Kolbasnikova (r.) Quelle: Screenshot

Kolbasnikova und Beischt treten bei vielen Kundgebungen gemeinsam in Erscheinung, auch die große „Ami go Home“-Demo an der US-Militärbasis Ramstein vom 26. Februar 2023 meldeten die beiden laut eigener Angabe gemeinsam an. Das Bündnis hinter der Kundgebung entwickelte sich zu der im Mai 2023 offiziell gegründeten Vereinigung „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“ (AFSG). Diese Entwicklung belegt zumindest der Telegram-Kanal, der ursprünglich für die Demonstration in Ramstein mobilisierte. Als Vorbilder können neben Beisichts lokalpolitischer Bewegung „Aufbruch Leverkusen“ auch André Poggenburgs am rechten Rand aufgetauchter und wieder von der Bildfläche verschwundener „Aufbruch Deutscher Patrioten“ gedient haben. Denn der Ex-AfD-Mann sitzt ebenfalls im Vorstand der neu gegründeten Bewegung  „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“, die laut eigener Angabe bei den kommenden Europawahlen antreten möchte.

Quelle: Screenshot
Quelle: Screenshot

Inhaltlich vertritt die Bewegung einen für die extreme Rechte erwartbaren Mix aus prorussischen und antiamerikanistischen Positionen. Die Vereinigung fordert neben dem Austritt aus NATO und EU auch die Loslösung vom US-amerikanischen Einfluss. In dieser verschwörungsideologischen Sichtweise sei Deutschland nicht souverän, sondern Vasall der USA. 

Das Bündnis bezeichnet sich unterdessen nicht als rechts, sondern als „friedensbewegte Querfront.“ Dennoch sitzen im Vorstand bekannte Gestalten aus der extremen Rechten. Neben Beisicht und Poggenburg beispielsweise auch der – vom bayerischen Verfassungsschutz dem Reichsbürger-Milieu zugerechnete – Russisch-Deutsche Verschwörungsideologe Wjatscheslaw Seewald. Seewald möchte die weiße Rasse vor der jüdischen Weltverschwörung retten und setzt dafür auf ein Bündnis von Russland und Deutschland (Stichwort: Gerussia). Laut Reuters betreibt er auch den großen Telegram-Kanal „Putin Fanclub“, der eine entschieden prorussische Perspektive auf den Ukraine-Krieg einnimmt. 

Mit Eugen Walter und Egbert Ermer sitzen neben Poggenburg zwei weitere Ex-AfDler im Vorstand der Vereinigung. Dies könnte erklären, wieso der „Aufbruch“ auf seinen Social-Media-Kanälen den Abstand zur AfD betont und diese in die Nähe transatlantischer Interessen rückt.

Verbindungen bestehen daneben zum rechtsextremen Compact-Magazin. Kolbasnikova und Schlund waren bereits im vergangenen Jahr beim Sommerfest der Publikation von Chef Jürgen Elsässer zu Gast, auch am 12. August 2023 erwartet man das Paar und Beisicht dort als Haupredner*innen. Das mag kaum verwundern, denn ihr Mitstreiter André Poggenburg ist Gastgeber bei der rechtsextremen Zusammenkunft, die dieses Jahr ganz unter der Forderung nach Frieden mit Russland stehen soll.

Kontakte nach Russland 

Auch Verbindungen von Kolbasnikova und Schlund mit russischen Behörden sind dokumentiert. Laut der Recherche von Reuters bezahlte die in der EU sanktionierte und dem russischen Außenministerium unterstellte Organisation „Rossotrudnitschestwo“ für Schlund Reisekosten. Im April 2023 war das Paar gemeinsam mit Beisicht zu Gast im russischen Generalkonsulat in Bonn. Beisicht und Kolbasnikova waren dort auch schon im Sommer 2022 eingeladen.

Kolbasnikova und Schlund organisieren außerdem Hilfslieferungen für die mittlerweile von Russland völkerrechtswidrig annektierten Gebiete im Osten der Ukraine. Vergangenen Herbst waren die beiden selbst im Donbas vor Ort. Dabei ist davon auszugehen, dass einige der transportierten Gegenstände, wie etwa Heizanlagen für Zelte, nicht nur der Zivilbevölkerung, sondern auch militärischen Formationen zugutekamen. Deswegen läuft gegen die beiden ein separates Ermittlungsverfahren. Die Sanktionen der EU verbieten die Unterstützung der Armeen Russlands und der separatistischen Volksrepubliken. Am 27. März durchsuchten Ermittlungsbehörden die Wohnung des Paars. Laut der Bild-Zeitung ging es hierbei auch um einen Rekrutierungsaufruf für die russischen Wagner-Söldner, den Kolbasnikova auf ihrem Telegram-Kanal verbreitet haben soll.

Quelle: Screenshot

Schlund und Kolbasnikova beteuerten gegenüber dem Desinformationskanal „InfoDefenseDeutsch“ (hier eine Analyse dieses Netzwerks), lediglich humanitäre Hilfe geleistet zu haben. Doch der rechtskonservative russische Fernsehsender Tsargrad widmete der Reise der beiden einen etwa 10-Minütigen Videobeitrag. Darin ist eindeutig zu sehen, wie das Paar Ausrüstung an Militärs übergibt. „Wir fahren zu unseren Jungs“, kündigt Kolbasnikova zu Beginn des Videos an.

Laut einer Recherche von The Insider finanzierte die „Gesamtrussische Volksfront“ die Reise, ein patriotischer Zusammenschluss verschiedener Parteien und Organisationen mit Präsident Putin als Vorsitzenden. Die „Volksfront“ kooperierte auch im Vorfeld des 9. Mai 2023 mit Kolbasnikova und Schlund. Gemeinsam brachte man eine Fackel, die in Moskau am Grab des unbekannten Soldaten entzündet wurde, zu den Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des Jahrestages des sowjetischen Sieges über Nazi-Deutschland nach Berlin.

Das Urteil gegen die Aktivistin verspricht eine wichtige Signalwirkung. Der russische Angriffskrieg ist völkerrechtswidrig und seine Billigung in Deutschland ein Verbrechen.

Weiterlesen

Rechts: Denis Kapustin. Das Video wurde in einem russischen Dorf in der Oblast Brjansk gefilmt

Denis Kapustin Der PR-Coup des russischen Neonazis

Der Einmarsch des proukrainischen „Russian Volunteer Corps“ (RDK) in ein russisches Grenzdorf Anfang März sorgte für internationale Schlagzeilen. Das mediale…

Von|
banner-3585161_1280

Antiamerikanismus „Das salonfähigste Vorurteil“

Im Interview spricht der Soziologe und Diskriminierungsforscher Heiko Beyer von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf über die historischen Hintergründe antiamerikanischer Narrative und erklärt, warum diese derzeit wieder Konjunktur haben.

Von|
Eine Plattform der