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Erinnerungskultur in Köln „Für Manfred Faber gibt es keinen Grabstein“

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Der neue Gedenkort für Manfred Faber. (Quelle: Kirsten Reinhardt)

Die Idee der Erinnerung, das sei auch angesichts der jüngsten Aiwanger-Debatte und zahlreicher Weiterer angemerkt, beinhaltet immer etwas Ambivalentes: Der Jude Manfred Faber, der nach allem was wir wissen – und das ist nur sehr wenig – nicht sonderlich religiös war, war in Köln sieben Jahrzehnte lang vollständig vergessen. Ob er mit einer Erinnerung an einem der zentralen Orte seines Wirkens wirklich einverstanden gewesen wäre, in Anbetracht der von Deutschen organisierten und betriebenen Verbrennungsöfen auch in Auschwitz, das wissen wir nicht.

Mit dem Erinnern ist zuerst einmal eine Selbsterhöhung verbunden: Die Enkelgeneration der Täter feiert sich selbst. Mit der Geste der Betroffenheit erinnert sie etwas, mit dem sie persönlich nichts zu tun hatte. Und doch war es die Generation ihrer Eltern und Großeltern, es war die deutsche Mehrheitsgesellschaft, auch in Köln, die für das millionenfache Morden die Verantwortung trug und trägt. Man schlägt sich innerlich und medial mittels einer solchen Feier auf die Seiten der Guten. Das sei einmal so benannt.

An dem guten Willen der letztlich wenigen Beteiligten und ihrer Bereitschaft, die Verbrechen am Beispiel des Werkes des großen Kölner Architekten Manfred Faber zu erinnern, kann trotzdem nicht gezweifelt werden.

In ihrer Ansprache erinnerte Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert, selbst promovierte Historikerin mit Schwerpunkt Belarus sowie Shoah, dass es vor allem  Anwohner der Naumann-Siedlung waren, die vor wenigen Jahren den Wunsch äußerten, dass an Faber und dessen architektonisches Wirken in der Riehler Naumannsiedlung erinnert werde.

Bezirksbürgermeisterin Siebert ging sehr rasch vor: Sie hatte mit einstimmigem Beschluss der Bezirksvertretung Nippes 50.000 Euro für ein Faber-Kunstwerk zur Verfügung gestellt und einen Ideenwettbewerb ausgeschrieben.

Die Jury entschied sich für ein dreiteiliges Monument aus Naturstein des Künstlers David Semper, der bei der Einweihung sein Kunstwerk noch einmal vorstellte. Semper sei es gelungen, so Siebert in ihrer Rede, „den durchaus dissonanten Dreiklang zwischen Fabers jüdischem Erbe, seinem professionellen Wirken als Architekt und dessen Ermordung im Konzentrationslager Auschwitz“ künstlerisch abzubilden.

Das Kunstwerk steht nun im Zentrum des namenlosen Platzes inmitten der Riehler  Naumannsiedlung. Dieser war zuvor autofrei gemacht worden, und es wurden u.a. Sitzbänke und eine Boulebahn errichtet. Zusammen mit der bereits 2021 am gleichen Ort eingeweihten Faber-Gedenktafel ist es ein angemessener Ort geworden, der in der schönen Faber-GAG-Wohnsiedlung zum nachbarschaftlichen Treffen, aber auch zum gelegentlichen Erinnern einlädt.

Semper fördere, so Siebert in ihrer Eröffnungsrede, mittels seiner „nur scheinbar klaren geometrischen Formensprache“ einen Perspektivwechsel: „Man könnte meinen, hier liege Fabers nur kurz abgesetzter Zeichenstift und warte auf weitere Verwendung.“

Das Faber-Werk solle „durchaus für Beklemmung sorgen, aber nicht für so viel Beklemmung, dass die Menschen den Platz nicht benutzen“, so Diana Sieberts Hoffnung.

Mehrere örtliche Initiativen, Vertreter der politischen Parteien sowie 200 Gäste hatten sich bei regnerischem Wetter eingefunden, darunter auch der Vorsitzende der Jüdischen Liberalen Gemeinde, Rafi Rothenberg sowie Miguel Freund von der Synagogengemeinde Roonstraße. Damit war der Bogen hin zu Manfred Fabers jüdischer Familienbiografie, die in seiner Ermordung in Auschwitz endete, geschlagen.

Der Ehrengast Gidon Lev

Das Bemühen um eine Erinnerung an den bewusst-unbewusst Vergessenen in Riehl sowie in der Köln-Holweider Märchensiedlung hat sehr überraschende und erfreuliche Folgen gehabt: Ein in Israel lebender ferner Verwandter von Manfred Faber, Gidon Lev, wurde durch die Bibliothekarin, die bereits Fabers Schrift Billige Kleinwohnungen sowie das einzig überlieferte (anzunehmende) Foto Manfred Fabers entdeckt hatte, auf seine eigene, ihm bisher vollständig ungekannte Familiengeschichte aufmerksam – und begann vor drei Jahren mit eigenen Nachforschungen. Nacheinander fand er hierbei heraus, dass seine eigene Familie insgesamt 42 Shoahopfer zu beklagen hat.

Der ursprünglich aus der Schweiz stammende Gidon Lev war gemeinsam mit seiner Ehefrau Mira sowie einer weiteren Verwandten aus der Schweiz extra nach Köln gereist, um der Denkmaleinweihung beizuwohnen. Er hielt, mit schweizerdeutschem Akzent, auch eine eigene Ansprache, in der er seine eigene israelische Spurensuche an Manfred Faber erinnerte.

Gidon Lev hat diese Spurensuche im August 2023 beschrieben.

„Vor einigen Jahren entdeckte man in Köln, dass viele Gebäude und Quartiere vom jüdischen Architekten Manfred Faber geplant wurden. Er wurde in Karlsruhe geboren und fand 1944 in Auschwitz seinen Tod. Sie beschlossen, ihn auf verschiedene Weise in Erinnerung zu halten. In Köln gibt es eine Manfred-Faber-Straße und verschiedene Arten von Gedenktafeln wurden an von ihm geschaffenen Gebäuden und Vierteln angebracht (auch außerhalb von Köln).

Eine Tante von Manfred war Marie Palm-Faber. Sie und ihr Mann hatten vier alleinstehende Kinder. Ein Sohn kam als Soldat der deutschen Wehrmacht im Ersten Weltkrieg ums Leben, ein weiterer Sohn starb 1938, während ihre beiden Töchter Sidonie und Thekla am 20. Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert wurden. Sidonie starb Ende 1942 in Toulouse, ihre Schwester Thekla eineinhalb Jahre zuvor in Gurs.

Es ist sehr selten, dass wir überhaupt ein Denkmal für die Verstorbenen des Holocaust finden. Für Thekla Palm gibt es einen Grabstein auf dem Friedhof in Gurs. Aber für Manfred Faber gibt es keinen Grabstein. Er wurde am 16. Mai 1944, dem Tag seiner Ankunft in Auschwitz, getötet. Aber er hat viele Gebäude, Quartiere in Köln und Umgebung hinterlassen, die noch existieren, viele wurden renoviert und werden genutzt. Seit über hundert Jahren leben und arbeiten Menschen an diesen Orten und genießen das Konzept von Manfreds Planung.
Vor etwa drei Jahren begann ich von Grund auf, den Stammbaum meiner Karlsruher Urgroßmutter Fanny Loew-Faber zu erforschen. Ich bin bis zu meinen Urururgroßeltern zurückgekehrt. Bis vor etwa vier Jahren wusste ich nichts von Holocaust-Opfern in meiner Familie. Heute weiß ich, dass 23 Familienmitglieder auf der Löw- und 19 auf der Faber-Seite Opfer der Shoah wurden.

Eines der 19 Opfer der Familie Faber war Manfred Faber. Er war ein direkter Cousin meines Großvaters sowie der oben genannten Schwestern Sidonie und Thekla Palm.“

 

Foto: (c) Kirsten Reinhardt

 

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