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Europawahl 2019 Die Parteienlandschaft rechtsaußen in Großbritannien

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Zur Situation in Großbritannien vor der EU-Wahl. (Quelle: Pixabay)

Am 26. Mai 2019 finden die EU-Wahlen statt. Um einen möglichst umfangreichen Überblick über die rechte Parteienlandschafts Europas zu geben, haben wir mit europäischen Jounalist*innen und Initiativen in den verschiedenen EU-Ländern gesprochen. Wir haben sie unter anderem gefragt, wie die jeweiligen Parteien die EU verändern wollen und gegen welche marginalisierte Gruppen sich ihr Hass hauptsächlich richtet.

Die Fragen zu Großbritannien beantwortete uns Joe Mulhall von „Hope not Hate“, einer Menschenrechts-NGO, die Forschung, Journalismus, Bildung und öffentliches Engagement nutzt, um Misstrauen und Rassismus zu bekämpfen, und dazu beiträgt, Gemeinschaften aufzubauen, die inklusiv alle mit einbinden und verschiedene Identitäten feiern, um damit resilient gegen Hass zu werden.

Welche rechtspopulistischen oder rechtsextremen Parteien gibt es in Großbritannien bzw. welche treten bei der Europawahl an?

Stephen Yaxley Lennon (auch bekannt als Tommy Robinson)

1) Lennon tritt als unabhängiger Politiker in der Nordwestregion Großbritanniens zur Europaparlamentswahl an.*

Für eine allgemeine Einschätzung zu Lennon (english): https://www.hopenothate.org.uk/research/investigations/tommy-robinson-far-right-islamophobic-extremist/

Ein Factsheet, dass „Hope not Hate“ über Lennon produziert hat: http://tommyrobinsonfacts.com/

„Tommy Robinson – mit bürgerlichem Namen Stephen Yaxley-Lennon – ist ein verurteilter Betrüger und ein Gewalttäter. Er hat Karriere gemacht, indem er Ärger und Spaltungen verursacht. Seit vielen Jahren äußert er sich rassistisch und er saß mehrfach wegen seiner Verbrechen in Haft. Er setzt sich für niemand ein außer für sich selbst. Wo immer er auch hingeht, der Ärger folgt ihm auf dem Fuße.
Nick Lowles, HOPE not Hate CEO

Für welche Haupt-Politikinhalte steht er?

2) Seine Hauptkampagnenpunkte sind der Brexit beziehungsweise der Verrat des Brexit-Votums; sogenannte „muslimische Grooming-Gangs“, die Frauen sexuell belästigen sollen; Anti-Elite-Populismus.

Was ist ihr Hauptthema (ihre Hauptthemen) im EU-Wahlkampf?

Wie Punkt 2

Gegen welche marginalisierte Gruppe richtet sich die Kampagne von „Tommy Robinson“ am stärksten?

3) Sein Hauptfeindbild sind Muslime und Musliminnen.

Wie wollen sie die EU verändern?

Er möchte die EU verlassen.

Wie groß schätzen Sie die Chancen auf einen Wahlerfolg von Lennon / Robinson ein?

6) Er hat gute Chancen, ein Mandat zu gewinnen. Dafür braucht er etwa 8-9 % der Stimmen der Wähler*innen, und wenn die Wahlbeteiligung niedrig ist, dann steigen seine Chancen umso mehr. Er macht regelmäßig Wahlkampf-Events im Nordwesten Londons.

 

UKIP

1) Die UK Independence Party (UKIP,  Partei für die Unabhängigkeit des Vereinigten Königreichs) ist eine EU-skeptische und rechtspopulistische britische Partei, deren Hauptziel der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union ist („Brexit“). Unter dem Vorsitzenden Gerard Batten ist die Partei seit 2018 stärker nach rechts gerückt und richtet sich zunehmend islamfeindlich und rassistisch aus.

Für welche Haupt-Politikinhalte steht UKIP?

2) Brexit, „Meinungsfreiheit“, gegen Einwanderung.

Was ist ihr Hauptthema (ihre Hauptthemen) im EU-Wahlkampf?

3) Brexit

Gegen welche marginalisierte Gruppe richtet sich UKIP am stärksten?

4) Muslim*innen und Migrant*innen.

Wie wollen sie die EU verändern?

5) UKIP will die EU verlassen.

Wie groß schätzen Sie die Chancen auf einen Wahlerfolg von UKIP ein?

In Umfragen sind die Zustimmungzahlen für UKIP zusammengebrochen. Die Partei wird durch die „Brexit Partei“ von Nigel Farage abgelöst, eine Neugründung des Ex-UKIP-Anführers. Diesmal könnte UKIP sogar keinen einzigen Sitz erlangen, vielleicht ist es aber auch einer im Südosten Englands. Sie haben seht unter der Berichterstattung über Carl Benjamin aka „Sargon of Akkad“ gelitten – eine Vlogger, der für UKIP kandidiert und der eine Vielzahl extremer Hasskommentare verfasst hat.

Mehr Details:

Bei der letzten EU-Wahl 2014 hatte UKIP ihren großen Durchbruch. Unter dem damaligen Vorsitzenden Nigel Farage holte UKIP bei den Wahlen 27,5% der Stimmen und haben seitdem 23 Sitze im EU-Parlament. Durch diesen Sieg war der damalige Premierminister David Cameron unter Druck, das Brexit-Referendum an erster Stelle der Agenda zu lassen. Seit dem Referendum Pro-Brexit hat die Partei enorm an Bedeutung verloren. Aktuell sitzen noch 3 der ursprünglich 23 Parlamentarier*innen im EU-Parlament, eine von ihnen ist der aktuelle UKIP-Vorsitzende Gerard Batten. Die meisten der übrigen Ex-UKIP-Mitglieder sind zu Farages neuer Partei „Brexit Party“ gewechselt, nachdem UKIP immer mehr in eine rechtsextreme Richtung tendiert.

Kandidaten, auf die es sich zu achten lohnt:

Nachdem UKIP viele auch prominente Parteimitglieder verloren hat, orientiert sich Batten mehr in Richtung Rechtsextremismus, was zu einer stetig steigenden Radikalisierung der Partei führt. Sichtbar wird das auch in der Liste der Kandidat*innen zur Europawahl. Der kontroverseste Kandidat ist Carl Benjamin (aka Sargon of Akkad), auf zweiten Listenplatz im Südwesten Großbritanniens. Benjamin wurde etwa in der Presse zerrissen, als er der Parlamentarierin Jess Philips auf Twitter schrieb „Ich würde Dich nicht einmal vergewaltigen“. Er nannte auch seine politischen Gegenspieler*innen „N****“ in einem Hasspost.

Mehr auf English zu Carl Benjamin hier: https://www.hopenothate.org.uk/2019/04/25/ukip-euro-candidates-vile-racial-slur-ridden-rant/

Auf dem vierten Listenplatz in Schottland steht Mark Meechan (aka Count Dankula), ein Online-„Comedian“, der letztes Jahr verurteilt wurde, weil der dem Mops seiner Freundin beigebracht hatte, den Hitlergruß zu zeigen, wenn er die Kommandos „Sieg Heil“ und „Vergase alle Juden“ hörte.

Über den UKIP-Parlamentarier Stuart Agnew recherchierte Hope not Hate zuletzt, dass er bei einer Veranstaltung einer rechtsextremen Pro-Apartheid-Gruppe gesprochen hat. Er steht auf Listenplatz 1 im Osten Großbritanniens. Alain Craig, ein notorischer Feind von Homosexuellen und Transsexuellen, repräsentiert die Partei im Nordwesten (achter Listenplatz).  Seit Craig als UKIPs Sprecher zu Familien- und Kinderthemen gewählt wurde, haben mehrere LGBTIQ*-Regierungsbeamte ihren Job aufgegeben wegen seiner permanenten homophoben Angriffe. So nennt er etwa Menschen, die sich für die Rechte der LGBTIQ* einsetzen, die „Gaystapo“. Er war auch eingeladen, bei einem Event aufzutreten, auf dem Menschen ein Heilmittel gegen gleichgeschlechtliche sexuelle Anziehung finden wollten – aber er sprach dann dort doch nciht, nachdem „PinkNews“ darüber im Vorfeld berichtet hatte.

The Brexit Party

Es ist komplex, sich der „Brexit Partei“ zu nähern. Sie ist nicht wirklich eine rechtsextreme Partei. Begründer ist Nigel Farage, zuvor der Parteivorsitzende und Anführer von UKIP, aber in der „Brexit Party“ sind auch viele frühere Konservative Mitglieder. Bisher ist sie ein „Ein-Themen-Partei“, die sich nur auf den „Brexit“ fokussiert. Die „Brexit Party“ attackiert UKIP regelmäßig als rassistisch. Die „Brexit Party“ hat gute Chancen bei den WAhlen und wird vermutlich die meisten Sitze gewinnen.

Weitere Parteien des Rechtsaußen-Spektrums:

  • Die „British National Party“ hat keine Kandidat*innen aufgestellt.
  • Das „For Britain Movement“ hat keine Kandidat*innen aufgestellt.
  • Die „English Democrats“ haben 10 Kandidat*innen aufgestellt, aber keine Chance, gewählt zu werden.
  • Die „National Front“ hat keine Kandidat*innen aufgestellt.

 

* Ergänzung BTN: In Deutschland ist Tommy Robinson vor allem bekannt als Anführer der „English Defence League (EDL)“ (bis 2013), einer antimuslimischen Grupperiung mit ähnlicher Ausrichtung wie „HoGeSa“ (Hooligans gegen Salafisten) oder „Pegida“ (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes), und als YouTuber mit Kontakten zur neurechten „Identitären Bewegung“.

Alle Texte zur Europawahl 2019:

Text in English:

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