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GdP-Beschluss AfD für größte Polizeigewerkschaft zu rechts

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Die Blauen wollen die Blauen nicht: GdP beschließt Unvereinbarkeitserklärung für AfD Mitglieder
Die Blauen wollen die Blauen nicht: GdP beschließt Unvereinbarkeitserklärung für AfD Mitglieder (Quelle: Kaisa-Marysia/Unsplash )

Die AfD ist für Deutschlands größte Polizeigewerkschaft offenbar zu rechts: Das geht aus einer Unvereinbarkeitserklärung Gewerkschaft der Polizei (GdP) für Mitglieder und Unterstützer*innen der rechtsradikalen Partei hervor, die am Donnerstag, den 11. März 2021 beschlossen wurde. In einem ausführlichen Statement auf ihrer Webseite stuft die GdP die AfD als rassistisch, nationalistisch, menschenverachtend, demokratie- und gewerkschaftsfeindlich ein. Ihre politische Bestrebungen stehen den Grundsätzen und Werten eines demokratischen und sozialen Rechtsstaats und dem solidarischen Prinzip der Gewerkschaft der Polizei konträr, so die GdP. „Die AfD ist demokratisch gewählt, sie ist aber nach Bewertung der GdP keine demokratische Partei“, heißt es weiter.

Eine klare Abgrenzung, die Folgen haben wird: Eine Mitgliedschaft in der AfD und der GdP ist für die Gewerkschaft nicht mehr miteinander vereinbar. GdP-Mitglieder, die sich mit ihrer Parteimitgliedschaft zur AfD bekennen, sie unterstützen oder mit ihr sympathisieren, seien in der Gewerkschaft nicht willkommen und werden zudem nun aufgefordert, sie zu verlassen. Die GdP will alle aktiven AfD-Mitglieder in der Gewerkschaft anschreiben und zum Austritt auffordern, heißt es – vor allem diejenigen, die bereits in der Öffentlichkeit als Mitglieder, Funktionäre oder Abgeordnete der Partei erkennbar sind. Wenn sie einen Austritt verweigern, werden weitere Schritte folgen bis zum Ausschluss, so GdP-Vize Dietmar Schilff gegenüber der ZEIT. „Wir betreiben keine Gesinnungsschnüffelei“, sagte er der Zeitung. Konkret bedeutet das, dass es keine interne Ermittlungen zu einfachen Parteimitgliedern geben wird.

In ihrer Begründung für die Unvereinbarkeitserklärung nennt die GdP neben der bevorstehenden bundesweiten Beobachtung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz auch die Unterstützung der Partei für die verschwörungsideologischen „Querdenken“-Proteste, wo Bundestagsabgeordnete den Schulterschluss mit Rechtsextremen, Antisemit*innen und „Reichsbürger*innen“ suchen, sowie die Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses nach rechts durch die Partei – ob Gaulands Bezeichnung des Nationalsozialismus als „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte oder Björn Höckes Bezeichnung „Denkmal der Schande“ für das Holocaust-Mahnmal.

Die GdP kritisiert auch, dass die AfD die Polizeigewerkschaft für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert. „Die AfD steht nur dann hinter der Polizei und anderen öffentlichen Institutionen, wenn es ihren Zielen und ihrer Ideologie entspricht“, heißt es. Die Gewerkschaft wirft der Partei auch vor, politischen Druck auf Führungskräfte und Beamt*innen der Polizei auszuüben, vor allem wenn Widerspruch aus den Reihen der Polizei gegenüber der Partei kommt.

Freund und Wahlhelfer

Ist aber die Unvereinbarkeitserklärung der GdP ein ernstgemeinter Schritt im Kampf gegen Rechtsextremismus bei der Polizei oder eine strategische Entscheidung angesichts der vermutlich bald offiziellen Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz? (vgl. Belltower.News). Auf eine Anfrage von Belltower.News teilt Dietmar Schilff, stellvertretender Bundesvorsitzende der GdP, mit, dass solch eine grundlegende Entscheidung einen ausführlichen Diskussionsprozess in Gewerkschaftsgremien sowie eine juristische Bewertung erfordere. „Zwischenzeitlich haben wir uns mehrfach von der AfD distanziert und beispielsweise Polizeibeschäftigte, die auf Listen der AfD kandidierten, aufgefordert, davon zurückzutreten, bzw. sie aufgefordert aus der GdP auszutreten“, so Schilff. Er betont auch, dass die Diskussionen der Gewerkschaft über die AfD deutlich älter als die jüngst intensiv geführte Debatte über eine Beobachtung der Partei seien. „Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes haben uns jedoch in unserer bisherigen Auffassung bestärkt.“

In der Vergangenheit wurde die Gewerkschaft für eine unzureichende Abgrenzung von Rechtsextremismus kritisiert. 2015 traten beispielsweise Klaus Kandt, damaliger Berliner Polizeipräsident, und Oliver von Dobrowolski, Vorsitzender des Verbands „PolizeiGrün“, aus der GDP aus, weil sich die Gewerkschaft von ihrem Vorstandsmitglied und Pressesprecher Steve Feldmann nicht distanzieren wollte. Feldmann hat einen rechtsradikalen Hintergrund und war in mehreren rechtspopulistischen Organisationen aktiv, die Kontakt zu etlichen rechtsextremen Gruppen europaweit hatten. Er organisierte Kampagnen mit Horst Mahlers Bürgerbewegung „Für unser Land“ und protestierte gegen die Planung des Holocaust-Denkmals in Berlin (vgl. taz).

Viele aktuelle und ehemalige Polizist*innen sind in der AfD aktiv, wie beispielsweise die Bundestagsabgeordneten Martin Hess aus Baden-Württemberg, Kasten Hilse aus Sachsen und Martin Hohmann aus Hessen. Auch auf Länder- und kommunaler Ebene sind Polizist*innen in der Partei gut vertreten. Genaue Zahlen zu AfD-Mitgliedern in den Reihen der Polizei gibt es nicht. Doch ein Blick auf die Wahllisten der Partei zeigt erhebliche personelle Überschneidungen.

Der MDR untersuchte 2020 die Parteien mit den meisten aktuellen oder ehemaligen Angehörigen der Polizei als Abgeordnete in den Landtagen und im Bundestag. Das Ergebnis: Mit 5,9 Polizeiangehörigen auf 100 Abgeordnete sitzen für die AfD doppelt so viele wie für die CDU/CSU. Für die SPD, bei den Linken, Grünen und der FDP war die Zahl äußerst gering (vgl. MDR). Einer Studie des Thinktanks „Zentrum Liberale Moderne“ zufolge liegt die Zahl der AfD-Abgeordneten mit einer beruflichen Laufbahn bei der Polizei auf Landesebene mit mindestens 13 Abgeordneten bei 6,8 Prozent, auf Bundesebene mit mindestens sieben Abgeordneten bei 7,7 Prozent – deutlich mehr als andere Parteien, die in fast allen Fällen unter zwei Prozent liegen (vgl. Zentrum Liberale Moderne).

Kritik aus Brandenburg

Nicht alle in der GdP zeigen sich mit der Unvereinbarkeitserklärung zufrieden. Aus dem Brandenburger Landesverband kommt Kritik: „Wir sind der Auffassung, rechtlich ist das nicht haltbar“, sagte Andreas Schuster, Landesvorsitzender in Brandenburg, der dpa. Ihm solle es vor allem um Datenschutz gehen, die Gewerkschaft habe überhaupt keine Handhabe, die Parteimitgliedschaften ihrer Mitglieder zu erheben, sagte er der MAZ. Der Beschluss polarisiere zudem die Gesellschaft, ein Rauswurf drohe, Sympathisant*innen zu „Märtyrern“ zu machen, fuhr er fort. Gleichzeitig betont Schuster, dass sein Landesverband die AfD bereits nicht einlade und ihre Aktionen und Äußerungen verurteile.

Der Brandenburger Landesverband stimmte am vergangenen Donnerstag gegen den Beschluss des Bundesvorstand, der aber mit der großen Mehrheit der anderen Landesverbände verabschiedet werden konnte. Das war kein Alleingang Schusters: Die Gremien des Brandenburger Landesverbandes hätten zu 90 Prozent gegen einen solchen Ausschluss gestimmt, sagte er gegenüber der MAZ. Daniel Freiherr von Lützow, AfD-Vize in Brandenburg, schätzt, dass es rund 100 Polizist*innen alleine in seinem Landesverband der Partei gibt. Von Lützow ist aber nicht nur wegen seiner Parteikontakte polizeibekannt: Derzeit wird gegen den Politiker ermittelt, nachdem er Polizeibeamt*innen im Rahmen einer gegen Infektionsschutzverordnungen verstoßenden Party Ende Dezember 2020 massiv bedroht haben soll.

Den Vorgang des Brandenburger Landesverbands der GdP sieht „PolizeiGrün“-Vorsitzender Oliver von Dobrowolski kritisch. Die AfD stelle sich gern als Versteherin der Polizei dar, was in Zusammenhang mit den überragend hohen Stimmenanteilen der Partei im Bundesland dazu führe, dass sie weiterhin auch die rechte Ecke hofiere – in Sorge um Mitgliederzahlen. „In meinen Augen ist das mit einer lupenrein demokratischen Gewerkschaftsarbeit nicht vereinbar, gerade wenn man sich die Entwicklung der AfD in den vergangenen Jahren vor Augen hält“, sagt er Belltower.News. Von Dobrowolski begrüßt den Beschluss der GdP. „Allerdings liegt es bei genauer Auslegung der Gewerkschaftsstatuten eh auf der Hand, dass die Ziele und Mittel der so genannten AfD nicht mit denen der im DGB organisierten GdP vereinbar sind“, so von Dobrowolski weiter.

GdP-Vize Dietmar Schilff betont gegenüber Belltower.News, dass es über den Brandenburger Landesverband hinaus keinerlei Anzeichen gebe, dass weitere Landesverbände die Entscheidung nicht mittragen würden. „Das Gegenteil ist der Fall“, so Schilff. „Die GdP steht hinter dem wichtigen politischen und gewerkschaftspolitischen Signal des Beschlusses.“

Aus den Reihen der AfD kommt die zu erwartende Empörung über die Unvereinbarkeitserklärung: Die Partei wirft Gewerkschaften seit langem vor, lediglich ein Instrument der etablierten Parteien zu sein – und der Beschluss der GdP ist keine Ausnahme. Auf Twitter schreibt Tino Chrupalla, Bundessprecher der Partei: „Damit bekennt sich die Gewerkschaft formal zu ihrer zutiefst intoleranten und antidemokratischen Grundhaltung: Kein Diskurs außerhalb des eigenen zuzemtierten Meinungskorridors“ (sic). Gegenüber der ZEIT sagte der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hess, die Gewerkschaft agiere „für jeden offensichtlich als verlängerter Arm der Grünen und der SPD, zweier Parteien also, die die Interessen von Polizeibeamten regelmäßig mit Füßen treten“ (vgl. Die ZEIT). Er fordert den Rücktritt von GdP-Vize Schilff.

Die andere Gewerkschaft

Mit knapp 200.000 Mitglieder ist die GdP Deutschlands größte Polizeigewerkschaft. Die zweitgrößte, die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) mit rund 100.000 Mitgliedern, will keine Unvereinbarkeitserklärung für AfD-Unterstützer*innen beschließen. Auf Anfrage von Belltower.News betont Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der DPolG, dass seine Gewerkschaft jetzt schon nicht mit der AfD zusammenarbeite – unabhängig von der Bewertung der Partei durch den Verfassungsschutz.

Eine Unvereinbarkeitserklärung lehnt er ab, weil sich die Gewerkschaft in ihrer Satzung sowieso schon zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur Verfassung bekannt habe. „Dies schließt jegliches Zusammenwirken mit Personen und Organisationen aus, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgen und sich diesen Grundwerten entgegenstellen.“ Seine Gewerkschaft handele stattdessen anlassbezogen: Wendt bestätigt, dass die DPolG letztes Jahr ein AfD-Mitglied ausgeschlossen habe, die Aufnahme eines AfD-Politikers sei zudem abgelehnt worden. Zwei Fälle aus rund 100.000 Gewerkschaftsmitgliedern scheint verdächtig wenig, bedenkt man die vermutlich hohe Zahl von AfD-Mitgliedern bei der Polizei.

Ob die DPolG die AfD als eine rechtsradikale Partei einstuft, wollte Wendt nicht beantworten. Auch die Unvereinbarkeitserklärung der GdP wollte der DPolG-Vorsitzende nicht kommentieren. „Wir verfolgen mit Interesse die teilweise öffentlich geführten Diskussionen innerhalb der GdP, ohne uns daran zu beteiligen“. Die Zahl der DPolG-Mitglieder, die ebenfalls in der AfD sind, sei der Gewerkschaft nicht bekannt, da die Parteimitgliedschaften der Mitglieder weder abgefragt noch ermittelt werden.

Die DPolG ist immer wieder rechtsoffen aufgefallen: Bodo Pflazgraf, Landesvorsitzende der Gewerkschaft in Berlin, war früher Mitglied bei der rechtsradikalen Partei Die Republikaner sowie dem rechtsextremen „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk“. Das Bildungswerk tauchte bis zu seiner Auflösung 2006 regelmäßig im Verfassungsschutzbericht auf, die Republikaner, deren Berliner Landesgeschäftsführer Pfalzgraf war, wurden kurz nach seinem Austritt vom Verfassungsschutz beobachtet (vgl. Belltower.News).

Und anders als seine Behauptung, mit der AfD nicht zusammenzuarbeiten, besuchte Wendt mit der sächsischen DPolG-Vorsitzenden Cathleen Martin die AfD-Fraktion im sächsischen Landtag bereits in der ersten Legislaturperiode, wie ein gemeinsames Foto auf der Webseite der Fraktion zeigt. Der AfD-Landtagsabgeordnete, frühere Polizeikommissar und DPolG-Mitglied Sebastian Wippel sagte 2016 in einer Parlamentsdebatte nach islamistischen Anschlägen in Bayern in Baden-Württemberg, dass es „leider“ nicht politisch Verantwortliche wie Angela Merkel getroffen habe. Die DPolG distanzierte sich von seinen Aussagen.

Der rechtspopulistische Hornbläser

Oliver von Dobrowolski von „PolizeiGrün“ weist zwar auf regionale Unterschiede in den Landesverbänden der Gewerkschaften hin. „Nichtsdestotrotz fischt die DPolG eindeutig eher in rechtskonservativen und sogar rechtspopulistischen Gewässern als die GdP. Dies zeigt sich auch in der Kontaktpflege der Gewerkschaft mit den entsprechenden Parteivertretern“, sagt er Belltower.News. Er wirft dem DPolG-Vorsitzenden Wendt vor, „medial schon in fast jedes rechtspopulistische Horn“ gestoßen zu haben, „nur um die Ausrichtung der Polizei immer weiter nach rechts zu schieben“.

Wendt verwendet immer wieder Begriffe und Schlagwörter der sogenannten „neuen“ Rechten, gibt der rechtskonservativen Zeitung Junge Freiheit oder dem rechtsextremen verschwörungsideologischen Compact Magazin Interviews (vgl. der rechte Rand). „Trotz alledem wäre die im Prinzip bereits beschlossene Einstufung der AfD als Beobachtungsfall des Verfassungsschutzes gewiss auch für die DPolG ein Weckruf, ihre Verbindungen dahingehend zu überprüfen und den Mitgliedern eine differenziertere Haltung abzuverlangen“, so von Dobrowolski weiter.

Die GdP hatte bereits Anfang der 1990er Jahre eine ähnliche Ausschlussvereinbarung für Mitglieder der rechtsextremen Partei Die Republikaner beschlossen, die DPolG nicht. Im Fall der AfD haben bereits die Gewerkschaften Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und ver.di ähnliche Erklärungen gegen die Partei beschlossen. Mit oder ohne Unvereinbarkeitserklärungen wird aber klar: Schon vor der offiziellen Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz wird es immer schwieriger, als Polizist*in offenes Mitglied der rechtsradikalen Partei zu sein.

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