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Gefälschte Impfpässe Ein Impfausweis von Dr. Shrek

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(Quelle: KA)

Es ist Anfang Dezember 2021. Seit Monaten steigen die Inzidenzen. Inzwischen gibt es über hunderttausend Corona-Tote in Deutschland. Appelle an Vernunft und Solidarität verhallten, Appelle an Überlebenswillen ebenfalls. Nun wird angesichts der noch immer grassierenden Pandemie endlich über eine allgemeine Impfpflicht diskutiert.  Die Ampel-Koalition plant die zügige und flächendeckende Durchführung von Booster-Impfungen. Einschränkungen der Veranstaltungsbranche und der Gastronomie und Maskenpflicht in Schulen werden bereits durchgesetzt. Ob Krankenhaus- und Pflegepersonal endlich mit mehr als Klatschen für ihr Martyrium belohnt oder Arbeiter:innen und Angestellte in den bezahlten Corona-Sonderurlaub geschickt werden, wie es Initiativen wie #ZeroCovid seit einem Jahr unter dem Motto „Solidarischer Shutdown“ fordern, bleibt abzuwarten.

Dies stößt in Kreisen, in denen „Selbstbestimmung“ regelmäßig mit „Rücksichtslosigkeit“ verwechselt wird, auf wenig Gegenliebe. Ideologisch unterfüttert von dem Fernseh-Philosophen Richard David Precht oder der Panikmache der BILD-Zeitung wird die Ausweitung der Schutzmaßnahmen als nichts Anderes gesehen als der Einfall von wahlweise Nazi-Diktatur oder linksgrünversifftem Stalinismus durch die Hintertür. So weit, so seit eineinhalb Jahren sattsam bekannt.

Impfverweigerer:innen kaufen sich die Teilhabe – auf Telegram

Während die Demonstrationen der Querdenken-Szene an Publikum verlieren, radikalisiert sich der harte Kern der Szene weiter. Die aktuelle Methode, um den Schutzmaßnahmen zu entgehen, sind gefälschte Impfpässe. Zwar hatten Impfgegner:innen aus dem ihnen inhärenten infantilen Trotz heraus dazu aufgefordert, sich selbst in den Lockdown zu stecken, solange Restaurants, Bars und Clubs sich weigerten, die Gesundheit ihrer Gäste und ihres Personals in Gefahr zu bringen, aber durchgehalten haben sie diesen hehren Vorsatz leider nicht.

Inzwischen hat sich auf der Plattform Telegram ein lukrativer Schwarzmarkt entwickelt, um die Impfungen vorzutäuschen und so am öffentlichen Leben partizipieren zu können. Mit einem gefälschten Impfpass, so „Querdenken“, ist es egal, dass 2G-Kontrollen eingeführt worden sind, um zu garantieren, dass vorsichtige und fürsorgliche Menschen endlich in Ruhe ein Bier trinken können, ohne dabei der Gruppe am Nachbartisch bei ihren Gesprächen über die finsteren Machenschaften der jüdisch kontrollierten Pharmalobby zuhören zu müssen – oder von ihnen infiziert zu werden. Ihnen ist egal, dass sich Menschen darauf verlassen, sich in möglichst sicheren Räumen zu befinden, in denen sie keine – oder zumindest nur moderate – Sorge davor haben müssen, sich mit einem potentiell tödlichen Virus anzustecken. Sie entscheiden sich bewusst dazu, das Vertrauen ihrer Mitmenschen zu hintergehen und somit deren Gesundheit aufs Spiel zu setzen.

Bis zu 200.000 Abonennt:innen pro Kanal

Es gibt allein auf Telegram über ein Dutzend Kanäle und Gruppen, in denen mit richtigen, echten Impfpässen gelockt wird, die sich in Apotheken digitalisieren lassen sollen. Und zack, schon soll dem Restaurantbesuch nichts mehr entgegenstehen, vorausgesetzt, die Impfgegner:innen können es mit sich vereinbaren, Betriebe zu unterstützen, die auf eine Kontrolle der Zertifikate Wert legen. Die Größe der Gruppen und Kanäle reicht von familiären Chats mit knapp 400 Mitgliedern, die sich auch ein bisschen häufiger austauschen, bis hin zu Kanälen mit über 200.000 (!) Abonnent:innen, die eher in Richtung „Massenabfertigung“ gehen . Neben dem Kauf der Impfausweise finden sich dort Misinformationen über Impf-Nebenwirkungen und Verschwörungsnarrative zur Corona-Pandemie.

Quelle: Screenshot Telegram

Das Prinzip funktioniert folgendermaßen: Impfunwillige wenden sich per verschlüsselter Privatnachricht  an den Betreiber:die Betreiberin eines solchen Kanals oder einer solchen Gruppe, die meistens vielversprechende Namen wie „Dr. Shrek“ oder „Impfdame“ tragen. Bezahlt wird deren Service per Cryptowährung, um Anonymität zu garantieren. Für eine Summe, die in der Regel zwischen 130 und 300 Euro verortet ist – dieser Betrag ist abhängig von den Mengen der Ausweise, ob eine Booster-Impfung eingetragen ist, etc. – erhalten die Käufer:innen anschließend ihren Ausweis.

Die Impfpässe sind mit Datumsangaben, den Aufklebern der angeblich verwendeten Impfchargen und Stempeln von Impfzentren oder Arztpraxen ausgestattet. Für eine Extra-Gebühr gibt es den QR-Code mit obendrauf, ansonsten muss die Apotheke selbst aufgesucht und der Ausweis digitalisiert werden. Das Perfide ist: es handelt sich de facto nicht wirklich um eine Fälschung. Laut Angaben der Betreiber:innen der Kanäle sind die Aufkleber der Impfdosen echt. Stimmt das, müsste medizinisches Personal oder Lieferant:innen des Impfstoffs in den Prozess involviert sein. Belltower.News hat zu mehreren der Verkäufer:innen von gefälschten Ausweisen Kontakt aufgenommen. Einige von ihnen gaben sogar an, mit Ärzt:innen zusammenzuarbeiten, andere verwenden mutmaßlich gefälschte Stempel von Arztpraxen oder Impfzentren. Belltower News hat mit einer Arztpraxis telefoniert, deren Stempel in einem der Dokumente verwendet worden war: an den dort vermerkten Tagen sei, so die Auskunft der Praxis, gar nicht gegen das Covid 19-Virus geimpft worden. Auch wenn einige der Fälscher.innen einräumen, dass die Sache nicht ganz so legal sei und man damit eventuell erwischt werden könnte, garantieren sie alle, dass sich diese Ausweise sich auch tatsächlich in der Apotheke digitalisieren lassen, und auch die QR-Codes würden einem Scan standhalten.

Quelle: Screenshots Telegram

Falsche Impfpässe sind strafbar

Dies ist glücklicherweise nicht der Fall: immer wieder werden Apotheker:innen auf die Fälschungen aufmerksam. Innerhalb der letzten Wochen wurden zunehmend Ermittlungen diesbezüglich durchgeführt. Da der Straftatbestand bis vor Kurzem noch nicht klar geregelt war, hat die Bundesregierung inzwischen die Gesetzgebung bezüglich der Fälschung des Dokuments verschärft: sowohl der Verkauf als auch der Erwerb der gefälschten Ausweise sind strafbar und können mit bis zu mehreren Jahren Haft sanktioniert werden. Auf Nachfrage gab das Bundeskriminalamt an, sich der Sache angenommen zu haben; in den letzten Wochen wurden mehrere Festnahmen in Bezug auf die Impfpässe getätigt.

Permanent lamentieren Corona-Leugner:innen darüber, dass schon wieder ein Lockdown droht und und die Weihnachtsmärkte geschlossen bleiben oder werden. Durch den Kauf gefälschter Impfausweise sind jedoch sie es, die maßgeblich mit dafür verantwortlich sind, dass die Pandemie immer noch nicht vorbei ist.

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