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Good Gaming – Well Played Democracy Wie die extreme Rechte versucht in Games mit zuspielen

(Quelle: Mick Prinz)

Sind Videospiele politisch? Ein Blick auf das Themenrepertoire und das Setting aktueller Games lässt diese Frage schon beinah trivial erscheinen. Längst sind Videospiele und vor allem Online Games im gesellschaftspolitischen Alltag angekommen und setzen sich zunehmend mit moralischen, ethischen, aber auch politischen Fragen auseinander.

Wir haben den Projektleiter Mick Prinz von „Good Gaming – Well Played Democracy“ dazu interviewt.

 

Hallo Mick, kannst du uns erst einmal eine grundsätzlichere Einordung geben? Warum sind Videospiele besonders auch in Zeiten von Corona ein wichtiges Thema?

Mick Prinz: Gamerinnen und Gamer wurden lange in Deutschland belächelt. Videospiele zu spielen sei eine riesige Zeitverschwendung und man solle sich doch endlich mal ein „richtiges“ Hobby suchen – eine Phrase, die vermutlich all jene nicht mehr hören können, die selbst regelmäßig in Videospielwelten abtauchen. Dabei sind digitale Spiele und vor allem Online- Games längst ein relevantes Thema in unserer Gesellschaft geworden. Große Events wie die Dreamhack in Leipzig oder die Gamescom in Köln locken Spieler*innen und Publisher*innen aus der ganzen Welt an. Mit Blick auf die Besuch- aber auch die Viewerzahlen der populären Gaming-Streams lässt sich der enorme Einfluss von Videospielen auf unser gesellschaftliches Zusammenleben und vor allem auf Jugendliche und junge Erwachsene nicht ignorieren. Auch in Zeiten von Corona helfen Videospiele enorm, Social Distancing zu wahren, gleichzeitig aber regelmäßig mit anderen Menschen ohne direkten physischen Kontakt in den Austausch zu gehen und gemeinsame Geschichten zu erleben. Ob jetzt als Viewer*in eines Let’s Play Kanals oder aber auch ganz aktiv im kooperativen oder kompetitiven Videospiel. Selbst die Weltgesundheitsorganisation rät aktuell zum Gaming, während sie in der Vergangenheit sehr kritisch Spielen gegenüberstand und beispielsweise vor Videospielsucht warnte. Jetzt hat die WHO zusammen mit großen Spielefirmen die Kampagne #PlayApartTogether ins Leben gerufen und appelliert gemeinsam zu spielen – aber eben räumlich getrennt.

Und was haben Videospiele jetzt mit Rassismus zu tun?

Die demokratische Zivilgesellschaft beobachtet bekanntermaßen schon lange, wie rechtsalternative und rechtsextreme Akteur*innen in eher klassischen sozialen Medien mit Verschwörungserzählungen und Hasskommentaren ein rassistisches Weltbild verbreiten. Dabei ist mittlerweile bekannt, wie Facebook, Twitter und Instagram instrumentalisiert werden, um Menschen einzuschüchtern oder Desinformation zu streuen. Wir haben in den letzten Jahren aber zu wenig betrachtet, wie Neonazis auch zunehmend versuchen ein oder zwei Standbeine in den unterschiedlichen Gamer*innen Szenen aufzubauen. Gaming-Foren, Vertriebsplattformen oder auch die Spiele selbst werden noch immer als „Nischenthema“ der digitalen Welt verstanden und genau da liegt aufgrund der großen Popularität von diesem Medium eine große Leerstelle. Dort wollen wir ansetzen und in den Blick nehmen, wie die Vereinnahmung von der Gameswelt durch Rechtsalternative geschieht und auch wie toxisch die Kommunikation in den einzelnen Bereichen aussieht. Wichtig ist uns dabei, dass wir Gamer*innen oder die Games-Kultur nicht stereotypisch in eine Schublade stecken und verallgemeinert von hasserfüllten oder rechtsoffenen Szenen sprechen. Unser Anliegen ist es viel mehr aufzuzeigen, wie auch in der Gameswelt eine laute Minderheit versucht, bestehende digitale Räume zu okkupieren. Die Darstellung von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Videospielgeschichten selbst ist zwar auch ein Thema für uns, wir fokussieren uns aber auf die sehr unterschiedlichen Gaming-Communitys und wie hier Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus geäußert werden.

Wie äußert sich Rechtsextremismus in Gaming-Communitys? Hast du Beispiele dafür?

Nach dem rechtsterroristischen Anschlag von Christchurch haben wir gesehen, dass auf Steam, der weltweit größten Videospiel-Vertriebsplattform, der Attentäter von vielen User*innen glorifiziert wurde. Accounts benannten sich nach dem rechtsextremen Australier oder wählten Fotos von ihm als Profilbild. Auch aktuell lassen sich noch viele Accounts und Gruppen finden, die Attentäter wie Tarrant oder Breivik huldigen. Auf Steam sind über 100 Millionen Nutzer*innen registriert, die online Videospiele kaufen, gemeinsam spielen, aber sich eben auch in Kommentarfeldern und Gruppen austauschen. Steam funktioniert dabei ähnlich wie ein klassisches soziales Netzwerk: Es gibt neben dem eigenen Profil und den vernetzenden Gruppen auch Kommentarfelder, Foren und eine Review-Sektion, in der sich Gamer*innen austauschen können. Wenig verwunderlich haben sich hier auch viele Gruppen breitgemacht, die gegen Migrant*innen und Geflüchtete hetzen, die Mär vom „großen Austausch“ verbreiten oder dazu aufrufen, das Buch „Siege“ des US Neonazis James Mason zu lesen. Neben Gruppen der sogenannten „Identitären Bewegung“ (IB) und Fans der „Atomwaffen Division“ oder Björn Höcke, existieren auf Steam auch zahlreiche Gruppen, welche die Wehrmacht verherrlichen und nationalsozialistische Symbolik verwenden. Auch wenn Steam immer wieder rechtsextreme Accounts bannt und auch zahlreiche Hakenkreuz-Posts von der Plattform löschte, sind die Versuche gegen Rechtsextremismus vorzugehen noch immer zu zaghaft. Apropos „Identitäre Bewegung“: Die IB versucht schon länger an die Ästhetik der Gaming-Branche anzuknüpfen und so auch ihre Zielgruppe zu erweitern. So vermarktete die selbsternannte Jugendbewegung ein Poster und T-Shirt Motiv mit der Aufschrift „defend europe“ im Stil des Videospiel Hits GTA V.

Spielt sich der ganze Hass denn nur auf Steam ab, oder gibt es noch mehr Plattformen?

Beinahe überall, wo gezockt wird, finden wir auch toxische Kommentare und in vielen Bereichen eben auch Neonazis, die am Spiel mitspielen wollen. Neben Steam gibt es natürlich noch zahlreiche andere eher von Gamer*innen genutzte Plattformen, die mehr und mehr von Neonazis missbraucht werden. Bekanntestes Beispiel ist hier der vor allem in Videospielkreisen viel genutzte Voice-Chat Discord, auf welchem lange die Trollfabrik „Reconquista Germanica“ Shitstorms und Diffamierungskampagnen koordinierte. Auch in den Kommentaren auf Twitch und Youtube fällt mal mehr, mal weniger codierte rassistische Sprache auf, wenn sich beispielsweise ein Live Streamer*innen für Diversität ausspricht oder eine klare Haltung gegen rechtsradikale Parteien formuliert.

Alles in allem lässt sich schon beobachten, dass die meisten Gamer*innen eine menschenverachtende Haltung ablehnen. Trotzdem bleiben die Vereinnahmungsversuche von Rechtsextremist*innen und auch die Vernetzungsaspekte für diese Akteure*innen ein großes Problem.

Wie geht euer Projekt „Good Gaming – Well Played Democracy“ dagegen vor?

Mit unserem Projekt wollen wir vor allem über diese Vereinnahmungsversuche und auf die Problematik von Rechtsalternativen im Gaming hinweisen. Dabei wollen wir primär junge Erwachsene, aber auch Kinder und Jugendliche informieren und Gegeninformationen bereitstellen. Unser Projekt beinhaltet unterschiedliche Arbeitsfelder.

Da ist zum einen das Monitoring, welches das Fundamt des Projektes darstellt. Ohne eine systematische Analyse der Netzwerke und der Narrative können wir nicht auf problematische Inhalte und undemokratische Entwicklungen verweisen. Durch Vorträge und Workshops, aber auch durch ganz klassische Podcast-Formate und Publikationen sorgen wir dafür, dass dieses Thema einer breiteren Zivilgesellschaft zugänglich gemacht wird. Eine Idee ist auch, gemeinsam mit Influencer*innen und Menschen aus der Gaming-Branche demokratische Kampagnen auf die Beine zu stellen, die sich ganz klar gegen jegliche Form von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit positionieren. Hier sind wir schon mit einigen Kreativen auf den großen Plattformen im Gespräch, schrauben an Ideen und basteln erste, kleinere Formate. Last but not least sind wir dabei ein Konzept zu entwickeln, wie wir unser Digital Streetwork auch in den Gaming-Bereich übertragen können, um hier ganz aktiv mit jungen Erwachsenen ins Gespräch zu gehen.

Was sind mögliche Herausforderungen, denen ihr begegnen werdet?

Videospiele sollen Spaß machen. Sie dienen der Unterhaltung und sind für viele von uns eine Methode, um einfach mal den Kopf aus zu machen. Das darf jedoch nicht dazu führen, dass wir menschenverachtende Aussagen einfach so hinnehmen oder uns gar selbst zu sexistischen, rassistischen Aussagen verleiten lassen. Es darf nicht zum „normalen“ Ton gehören, dass toxische Kommentare im Spielchat einfach akzeptiert werden oder gar zur Normalität gehören. Eine Herausforderung ist dabei, einen Konsens mit vielen der Videospieler*innen dafür zu finden, dass auch beim Ausüben ihres liebsten Hobbys, dem Gaming, digitale Courage notwendig ist. Ich habe ja eben beschrieben, dass wir auch planen mit Influencer*innen zusammen zu arbeiten. Das könnte auf jeden Fall gar nicht so einfach werden, da, anders als häufig medial dargestellt, der Arbeitsalltag von diesen Kreativen ziemlich vollgestopft ist. Zudem nehmen wir eine Skepsis bei vielen Influencer*innen wahr, welche wir größtenteils unreflektierten Stereotypisierungen nach den Anschlägen von Halle zu verdanken haben. Horst Seehofer sagte im Oktober 2019, er wolle „die Gamer-Szene“ stärker behördlich beobachten lassen. Das hat die professionelle Gamer-Szene skeptisch gemacht. Übrigens: Auch abseits von Aussagen des Innenministers wird immer noch viel zu häufig pauschal von „der Games-Community“ gesprochen. Das ist ähnlich pauschalisierend, als würden wir alle Filmgenres und alle Zuschauer*innen in einen gemeinsamen Topf werfen. Daher unterstreicht unser Projekt, dass es aufgrund der vielen Genres und der heterogenen Gamer*innen ratsam ist, eher von vielen unterschiedlichen Gaming-Communitys zu sprechen.

Grundsätzlich sind wir aber zuversichtlich. Immer mehr Gamer*innen signalisieren schon jetzt ein großes Interesse dafür, Hasskommentare oder Verschwörungserzählungen nicht einfach so hin zu nehmen. Auch viele Reaktionsvideos auf krude Corona-Verschwörungserzählungen unterstreichen das. So unter anderem bei dem durch Reaktionsvideos und einige Let’s Plays bekannten Twitch Streamer „Staiy“, der auf Verschwörungsvideos von z.B. Leon Lovelock reagiert oder entschieden Xavier Naidoo widerspricht. Andere Kanäle über Games wie „Rocket Beans TV“, „Game Two“ oder „Just Johnny“ machen klar, wie wichtig es in Zeiten von Covid19 ist, zu Hause zu bleiben. Daher sind wir sehr optimistisch, dass wir mit unserem Projekt „GG WP“ gemeinsam mit Gamer*innen daran werkeln, auch in Videospielwelten gegen Rechtsextremismus einzustehen – ohne Wenn und Aber!

 

Das Projekt entstand in Kooperation mit der Forschungsgruppe Modellprojekte e.V. und der Amadeu Antonio Stiftung.

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