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HOGESA, PEGIDA und brennende Flüchtlingsunterkünfte Der Bumerang der Ignoranz

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Die angeblichen "besorgten Bürger" der Pegida-Demonstrationen sind ausgesprochen geschult in rechtspopulistischer Rhetorik. Weil sie eben nicht "besorgte Bürger" sind, sondern knallharte Rechtsaußen-Positionen vertreten. (Quelle: flickr /cc/ strassenstriche)

Ein Kommentar von Felix Benneckenstein

Ganz ehrlich, als ich das erste Mal von PEGIDA hörte, habe ich gelacht. Ich habe mir zunächst sogar verboten, mir die Abkürzung einzuprägen. Oft habe ich nur gefragt: „Das sind doch die mit dem doofen Namen?“ und ziemlich jeder wusste, wer gemeint ist. Noch witziger wurde es, als sich dann auch zu BAGIDA, NÜGIDA und MÜGIDA, FRAGIDA und LUGIDA auch noch Facebook-Seiten gründeten. Man muss ja nur diese Namen einmal in einer Reihe aussprechen. Das neue Internetforum der ideologischen Schwester-Organisation „HoGeSa“ heißt übrigens GeSiWiSta. Richtig, GeSiWiSta. Es steht für „Gemeinsam sind wir stark“. Satire-Sendungen haben hier ein echtes Paradies entdeckt, kaum ein Kabarettist möchte nicht am Wettbewerb um das beste „Sechs-Buchstaben-Bashing“ teilnehmen, auch, wenn sich die Witze inzwischen teils nervtötend wiederholen. Denn ganz so belustigend ist es in diesen Tagen nicht mehr. Tausende Menschen demonstrieren, kaum jemand will wirklich von „Rechtsextremen“ sprechen, man will vielmehr – ganz in Ruhe und ohne Vorbehalte – erst einmal die Motivationen der einzelnen Demonstranten genauer erforschen, ihnen zuhören und vor allem „Kompromisse finden“. Doch wo soll ein Kompromiss liegen, wenn 0,1% Muslime, wie in Sachsen, schon den Volksmob alarmieren?

Ist das dann noch Rechtspopulismus, oder schon Rassismus in seiner heftigsten Form? Wenn genau dort, wo Multikulti noch niemals wirklich angekommen ist, es schon für „gescheitert“ erklärt wird? Wie überhaupt soll denn Menschen zugehört werden, die gar nicht mit „uns“ reden wollen? Teilweise vermummte Demonstranten, die Medienvertreter bedrängen, beleidigen und bedrohen? Wo sollen Kompromisse liegen, wenn aus diesen Ecken die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Bayern einfach als „Verschwörung“ abgetan werden?LpB Sachsen: Offene Herzen und Ohren für rechte Demonstranten?

Der bislang absolute Negativ-Höhepunkt der katastrophalen Einordnung der rechten Aufmärsche war aus meiner Sicht ein kurzer, aber prägender Auftritt von Frank Richter, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) in Sachsen, beim ZDF-Talk Maybrit Illner. Ich war zunächst froh, dass jemand von der LpB das Wort ergriff. Frank Richter wirkt durchaus sympathisch. So überhaupt nicht wie einer, der rassistische Pogrome so kurz vor Weihnachten zur besten Sendezeit noch weiter anheizen möchte. Von der Landeszentrale für politische Bildung erwartet man so etwas auch nicht. Zunächst sagt er noch, dass bei PEGIDA „auch Rechtsextreme dabei“ sind. Doch dann gibt er zu, auch einzelne der Demonstranten zu kennen, schließlich „sei er selbst Dresdner“. So weit ist das natürlich nicht ungewöhnlich, auch die Randalierer der Hooligan-Truppe von Köln haben so ihr soziales Umfeld, ja, bei fast jedem Kapitalverbrechen finden sich Anwohner und Kollegen, die sich weder die Tat vorstellen können, noch glauben, dass „ausgerechnet der“ so etwas machen kann. Ganz egal, wie die Beweislast ist. Seine Schlussfolgerung allerdings ist fatal: Wir brauchen, so der praktische Tipp des Mannes aus der Theorie, nun vor allem offene Herzen – für die Aktivisten, die dort demonstrieren.

Es ist absolut traurig, dass man ausgerechnet dem Vorstand jener Stelle, die doch eigentlich vor allem politische Motivationen einordnen und Lösungsvorschläge im Sinne der Demokratie aufzeigen könnte, erklären muss, wie Fundamentalismus in der Mitte der Gesellschaft ankommt. In Orten, in denen namhafte Neonazis wohnen, sind einfache Nachbarn oftmals davon überrascht, dass die ja „morgens beim Bäcker nett grüßen“ und beginnen daran zu zweifeln, dass die wirklich „so böse sein können“. Doch woran misst man denn nun „böse“? Daran, dass sie für den durchschnittlichen, sächsischen, rein-deutschen Bürger erst in einiger Zeit eine wirkliche Gefahr darstellen können? Nach dieser Logik müssten Neonazis nur dorthin ihren Wohnsitz verlegen, wo nur heterosexuelle, weiße Menschen wohnen und dürften dort dann ihr eigenes klein-deutsches Reich schaffen. Im demokratischen Rahmen. Weil wir das ja tolerieren müssten. Relativierer der PEGIDA-Demonstrationen stützen sich auf eine gefährliche und inhaltlich falsche Argumentationsbasis: Man müsse ganz klar differenzieren zwischen den 5.000 Nazi-Randalierern aus Köln, die auch laut weitläufiger Meinung ganz überwiegend aus Neonazis bestehen und den PEGIDA-Demonstranten. Denn die sind ja „normale Bürger“, „Geschäftsleute“. Als würde dies auch nur in irgendeiner Form ausschließen, dass es sich dennoch um Menschen handeln kann, die menschenfeindliche und für unser friedliches Zusammenleben absolut giftige Einstellungen verbreiten und ausleben.

HoGeSa von PEGIDA wirklich zu trennen ist mit etwas Fachkenntnis doch gar nicht mehr so einfach. Wenn man sich nicht nur die beiden Namen ansieht, sondern auch, dass sie relativ zeitgleich an die Öffentlichkeit gingen, und natürlich auch wenn man ihren Rednerinnen und Rednern zuhört. Häufig decken sich auch die einzelnen Teilnehmer der offen gewaltbereiten Hooligan-Aufmärsche mit denen in Dresden. Die Inhalte sowieso. Denn argumentativ treten beide unter bürgerlichem Anschein auf, haben sogar Transparente, die erklären, dass sie „gegen jeden Extremismus“ seien. Unbestritten ist jedoch: Die einen fischen bei den anderen. PI-News etwa, das immer radikaler werdende extrem rechte Internetportal, auf dem allem voran Homosexuelle, Migranten und Nazigegner auch persönlich diffamiert werden, ist zu einer Art gemeinsamen Sprachrohr von PEGIDA und HOGESA geworden. Bei längerer Betrachtung könnte man sogar das Gefühl bekommen, dass es sich um eine geschlossene Bewegung handelt. HoGeSa sind „die Jungs fürs Grobe“, die in Köln schon mal Hunderte von Polizisten angreifen. PEGIDA ist die vorgeblich „brave Version“.

HoGeSa soll aus dem Nichts gekommen sein. Dabei hatten sie ihre Vernetzungstreffen unter polizeilicher Aufsicht: Auf Youtube finden sich u.a. Videos, wo mitten am Dortmunder Hauptbahnhof eine Demonstration der HoGeSa im Vorfeld der Ausschreitungen von Köln zu einem Vernetzungstreffen umfunktioniert wird. Über ein Megaphon wurden dort die nächsten Strategien „des Kampfes“ debattiert und diskutiert. Auf Facebook-Seiten unterhielten sich teilweise Aktivisten öffentlich darüber, dass Köln „überfallen wird“ und, wo man seine Vermummungs-Gegenstände am besten versteckt. Man hätte hier nur mitschreiben müssen, man hätte die schweren Krawalle von Köln verhindern können. Sogar manch ausgewiesener Rechtsextremismus-Experte sagt, man hätte niemals erahnen können, dass sich Nazi-Hooligan-Deutschland eines fernen Tages zusammenschließt, weil man „den Ausländer“ am Ende bei diesem primitiven Weltbild doch noch mehr hasst, als den deutschstämmigen Fan des sportlichen Erzrivalen.

Die Beobachtung der Polarisierung zweier Bands alleine hat das Aufkommen dieser Großaufmärsche eigentlich gut sichtbar angekündigt: Konzerte der Band „Kategorie C“ sind immer öfter vor gemischtem Nazi-Fanpublikum von der Bühne gegangen. Ihre Konzerte wurden häufiger von Polizei und Behörden verhindert, zumindest aber sehr häufig begleitet. Schon anhand des Publikums hätte erkannt werden müssen: Da schließen sich gerade verfeindete rechte Hooligan-Kreise zusammen. Das Weltbild hier ist deutlich radikaler als das bei Frei.Wild, eben jener Band mit dem schlechten Ruf aus Südtirol. Vor zwei Jahren noch war die Band weitläufig verhasst, weil sie neben unzähligen unpolitischen Liedern auch klar nationalistische Texte hat. Zwischen Gewaltfantasien und Patriotismus wird sich darüber beschwert, dass „aus Respekt vor den andersgläubigen Kindern“ das Christentum aus Schulen verschwinden solle. Tausende Jugendliche finden es gut. Die Proteste gegen Frei.Wild sind verstummt. Es ist normal geworden, dass nationalistische Texte die großen Hallen füllen.Es gibt wenige Lichtblicke dieser Tage in Dresden. Einer davon jedoch ist das Bündnis „Dresden Nazifrei“. Denn für dieses wirklich breite Bündnis aus Nazigegnerinnen und Nazigegnern sind tausende Menschen rechter Gesinnung, die schweigend durch Dresden marschieren und Gespräche mit Medien scheuen, nichts Neues. Sie sind eigentlich der einzige Hoffnungspunkt dafür, dass aus HoGeSa und PEGIDA, die seit Monaten nur als „vorübergehender Zusammenschluss von Wutbürgern“ verstanden werden, nicht eine enorm große und militante rechtsextreme Szene hervorgeht, deren künftige Gefahr ich hier nicht mal ansatzweise einschätzen möchte.

Sie lassen sich nicht blenden, wenn in Dresden von PEGIDA selbst gesagt wird, dass PEGIDA „gewaltfrei“ sei, weil dies ja auch auf ihren (eigenen) Transparenten steht. Denn sie hören so zu, wie man Aufmärschen, die sich gegen Minderheiten richten, zuhören sollte: Sie lesen, was auf ihren Transparenten steht, sie betrachten die einzelnen Teilnehmer und ihre wenigen Wortbeiträge und kontextualisieren diese Botschaften natürlich auch, indem sie scheinbare „Forderungen wütender Bürger“ mit bekannten rechten Ideologien in Verbindung setzen. Dabei kommen sie offensichtlich zu dem Entschluss, dass diese Aufmärsche genauso blockiert werden müssen wie die mehrerer tausend Neonazis durch Dresden, die dort auch vorgeblich ja lediglich „der Bombardierung 1945 gedenken wollten“.

Einen anderen Hoffnungsschimmer liefert momentan – ausgerechnet – die große Politik. Auf der Innenministerkonferenz in Köln wird dieses Jahr ausnahmsweise mal kaum ein Blatt vor den Mund genommen, von „rechtsradikaler Gefahr“ gesprochen und davor gewarnt, dass auch Anschläge möglich sind. Doch wie spät kommen diese Signale? Bayerns Innenminister Joachim Herrmann musste die IMK kurz verlassen, um den Ort zu besuchen in seinem Bundesland, in dem gerade drei Unterkünfte für Asylbewerber angezündet wurden. Das Versagen der letzten Jahre hat uns in eine furchtbare Situation geführt. Die jetzigen Appelle der Politik, Solidarität mit Flüchtlingen und Migranten zu üben, kommen spät und klingen bisweilen immer noch halbherzig. Wir alle haben bei PEGIDA irgendwie versagt. Versagen ist menschlich, doch ich habe große Angst davor, dass der Bumerang des Versagens und der Ignoranz nicht nur zurückkommt, sondern Unbeteiligte trifft – schlimmstenfalls mit gewalttätigsten Folgen.

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Hier ist heute demokratischer Widerstand gefragt

Dresden

„Dresden für alle – ohne Hass“. Montag, Theaterplatz. 17.30 Uhr. Kommt alle. Zeigt, dass Flüchtlinge in unserer Mitte willkommen sind und Dresden kein Ort für Hass und Hetze gegen Menschen ist, die vermeindlich anders sind. Zeigt, dass es nur miteinander, statt gegeneinander geht. Wir freuen uns auf eine bunte, laute, tanzbare und fröhliche Kundgebung am Montag!

www.facebook.com/events/563719530439257/

Berlin-Marzahn

Heute soll der Aufmarsch der RassistInnen in Marzahn ein erstes Mal auch am Montag erfolgreich blockieren werden! Wir empfehlen euch deshalb zu folgenden Treffpunkten zu kommen:

Treffpunkte zur gemeinsamen Anreise:17 Uhr – S-/U-Bhf Lichtenberg (Vorplatz) für alle Menschen aus Friedrichshain, Lichtenberg, Mitte, Pankow und Wedding17 Uhr – S-Bhf Ostkreuz (Ausgang Sonntagsstraße) für alle Menschen aus Neukölln, Kreuzberg, Treptow-Köpenick und Schöneberg18:30 Uhr – S-Bhf Ostkreuz (Ausgang Sonntagsstraße) für alle Menschen, die nicht früher Feierabend machen können18 Uhr – Landsberger Allee/Blumberger Damm für alle Menschen aus Marzahn-Hellersdorf und Umgebung

www.facebook.com/pages/Berlin-Nazifrei/298039247012715?fref=ts

Ab 18 Uhr gibt es auf der Landsberger Allee / Blumberger Damm Infostände der demokratischen Parteien.  Anreisetreffpunkt zur gemeinsamen Anreise zur Demo: 18.30h S-Bhf. Ostkreuz.

| www.berlin-gegen-nazis.de/aktuelles/rassistische-mobilisierung-gegen-fluechtlinge-berlin/

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Pegida feierte am Montag die rechte Revolte in Sachsen

Am Montag hat Pegida in Dresden mit rund 1.500 Teilnehmer_innen den Wahlsieg der AfD gefeiert. Lutz Bachmann war enttäuscht, dass kein AfD-Funktionär mit ihm und seinen greisen Patrioten feiern wollte und Profi-Hetzer Michael Stürzenberger stachelte die Menge in seiner martialischen Rede gegen Frauke Petry auf, sodass der rechte Chor „Petry muss weg“ grölte.

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Bad Nenndorf Trauerspiel statt Trauermarsch

Beim jährlichen „Trauermarsch“ der Neonazi-Szene im niedersächsischen Bad Nenndorf ist die Teilnehmerzahl zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen. Blockaden und…

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