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Maskierte Faschistinnen Das Collectif Nemesis

Collectif Nemesis auf Instagram: Propaganda verbreiten, Mitglieder werben, rechtsextreme Weiblichkeit inszenieren. (Quelle: Screenshot)

Das Collectif Nemesis wurde im Herbst 2019 in Paris von einer handvoll neurechter Studentinnen gegründet. Zentral dabei war Alice Cordier, eine wichtige Akteurin der französischen „Neuen Rechten“. Das Collectif Nemesis hat sich seitdem in über 25 Städten in Frankreich, Belgien und der Schweiz ausgebreitet, mit dem selbsternannten Ziel, den „Kampf um die Selbstverwirklichung der westlichen Frau [wieder] an sich zu reißen“. In ihrem Manifest bezeichnet sich die Gruppe als „Generation Köln“ und „die Insel, auf die sich die Schiffsbrüchigen des Feminismus flüchten können“. Dabei betreibt das rechte Frauenkollektiv, welches sich den Begriff des Feminismus anzueignen versucht, rassistische Hetze gegen migrantische und rassifizierte Menschen unter dem Vorwand des Kampfes um mehr Sicherheit für Frauen.

Extrem vernetzt in der extremen Rechten

Das Collectif Nemesis ist breit vernetzt in der extrem rechten Szene Frankreichs. Es gibt Mitgliederüberschneidungen mit anderen extrem rechten Gruppen, wie der Studierendenverbindung Cocarde ètudiante und der monarchistischen Action Française (vgl. streetpress.com). So wurde beispielsweise in Rennes die lokale Sektion des Collectif Nemesis von der dort ansässigen Action Française ins Leben gerufen (vgl. expansive.info).

Auch zur inzwischen in Frankreich aufgelösten Génération Identitaire (GI), der französischen Sparte der „Identitären Bewegung“, pflegt(e) das Collectif Nemesis enge Beziehungen. Die „Identitäre Bewegung“ ist eine extrem rechte Gruppierung, die es seit 2012 in Deutschland gibt und die in öffentlichkeitswirksamen Aktionen versuchen, rassistische Ressentiments zu schüren. Das Konzept der Identitären kommt aber aus Frankreich, wo es seit 2003 den Bloc Identitaire gibt und seit 2012 die Génération Identitaire. Die rechten Frauen nahmen an mehreren Veranstaltungen der GI teil und waren auch auf der Straße, um die Identitären zu unterstützen, als diese ihre Auflösung vor dem Hintergrund des ihnen drohenden Verbotsverfahren bekannt gaben. Auch gibt es private Überschneidungen innerhalb der führenden Akteurinnen der unterschiedlichen extrem rechten Gruppierungen, wie gemeinsame Fotos und Interviews belegen.

In die parlamentarische extreme Rechte Frankreichs ist das Collectif Nemesis ebenfalls gut vernetzt. So durfte Alice Cordier erst im März 2022 ihre rassistischen Positionen im Europaparlament kundtun. Sie wurde von Annika Bruna (Rassemblent National) nach Brüssel eingeladen, um auf einer Konferenz über die „Freiheit und den Schutz der Frauen in der EU“ zu sprechen und das Collectif Nemesis vorzustellen.

Zur Präsidentschaftswahl 2022 entschied sich das Collectif für eine Kampagne unter dem Slogan „Wählt patrotisch!“ und zeigte sowohl Unterstützung für Marine Le Pen vom RN als auch für den extrem rechten Politiker Eric Zemmour der Kleinpartei „Reconquête!“.

Auch zu der deutschen Gruppe Lukreta, die als Nachfolgeorganisierung der Kampagne 120db der Identitären Bewegung in Deutschland bewertet werden kann, gibt es Verbindungen. Tatsächlich war Lukreta sogar eine der Inspirationen, das Collectif Nemesis zu grünen. Alice Cordier vom Colletcif schreibt etwa im April 2020 auf dem Netzwerk VKontakte: „Wir stehen in Kontakt mit den RIGHT GIRLS in Russland und der deutschen Lukreta-Bewegung, die uns inspiriert hat. Idealerweise würden wir gerne Büros im Ausland eröffnen oder mit anderen Organisationen, die unsere Ideen teilen, in ganz Europa zusammenarbeiten.“  Eine Aktivistin aus dem Collectif Nemesis trat dann auch in einem Youtube Video von Lukreta auf. Außerdem ähneln sich ihre Aktionsformen zum Teil sehr. So protestierten das Collectif Nemesis 2021 am World Hijab Day in Paris gegen Verschleierung und eine herbeifantasierte Islamisierung Frankreichs – Lukreta kopierte diese Aktion 2022 in Koblenz.

Feminismus von rechts?

Das Collectif Nemesis versucht eine essentialistische und stigmatisierende Figur des „Anderen“ im außereuropäischen Mann zu konstruieren, um den Diskurs um Gewalt an Frauen nach rechts zu verschieben. Die Instrumentalisierung feministischer Ideale für Kampagnen gegen Migration und insbesondere gegen den Islam nennt sich Femonationalismus und ist eine relevante Strategie in der extremen Rechten, wie sie in Deutschland bei der identitären Kampagne 120db oder der rechten Frauen-Initiative Lukreta beobachtetwerden kann. Femonationalismus wird aber auch massiv von der parlamentarischen Rechten wie der AfD genutzt, um gegen Migration und Islam zu polarisieren. Dabei bezeichnen sich die Frauen als identitäre Feminstinnen – diesem vermeintlichen Feminismus sind jedoch sämtliche feministischen Werte abhanden gekommen – er dient den Aktivistinnen nur als Hebel, ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten in Zeiten in denen Feminismus popkulturell en vogue ist.

Aktuelles Campaining: Die Ermordung eines 12-jähringen Mädchens, Lola, durch eine Frau, die sich illegal in Frankreich aufhielt, wird zur Hetze gegen Migrant*innen genutzt – vom rechtsextremen Politiker Eric Zemmour, aber auch hier von Nemesis (vgl. Deutsche Welle).

Social Media als wichtigster Diskursraum

Das Collectif Nemesis will sich ein trendiges Image geben und ihre extrem rechte Ideologie verschleiern und schafft das durch Mimikry, also das Kopieren linker und feministischer Codes und Ausdrücke. Insbesondere der Social Media Auftritt der Gruppe ist entscheidend für die von ihnen gewollte Außenwahrnehmung. Jede Ortsgruppe des Collectifs hat ihre eigenen Kanäle, wobei Instagram die wohl wichtigste Plattform für sie ist. Selbst wenn die Gruppen-Instagram Seiten mit drei- bis vierstelligen Follower*innenzahlen noch kein sehr großes Publikum erreichen, so hat das Collectif mit Alice Cordier und ihren über 20 Tausend Follower*innen eine politische Influencerin mit Strahlkraft und Vernetzung auf ihrer Seite.

Der Social Media Auftritt des Collectifs mit seinen vielen Ortsgruppen wirkt sehr professionalisiert und trotz ihrer identitären Eigendarstellung als „anticonformiste“ sind die Inhalte und Form der Social-Media-Kanäle aufeinander angepasst und abgestimmt. Alle Sharepics der Ortsgruppen sind vereinheitlicht und überall prangt das Gruppenlogo, das Konterfei der griechischen Rachegöttin Nemesis. Die rechten Frauen haben sich mit dem Collectif Nemesis eine Marke mit Wiedererkennungswert geschaffen. Auch hier erinnert die Gruppe stark an die Identitären mit ihrer Corporate Identity und rechten „Influencer*innen“. Und auch ihre Mitgliedergewinnung betreibt das Collectif sehr engagiert auf Instagram – mit eigener Recruiting Seite und regelmäßigen Frage-Stickern in ihrer Instagram-Story, die zum Mitmachen aktivieren sollen.

Das mitschwingende faschistische Leitbild der bedrohten Nation verpackt das Collectif Nemesis in identitär anmutende Videos mit viel Pathos. Gleichzeitig stellen die Aktivistinnen Nahbarkeit her mit emotionalem Storytelling und indem sie Gesicht zeigen und ihr „Publikum“ vielfach miteinbeziehen und somit an sich binden.

Interessante Inszenierung: Alice Cordier hat mehrere Instagram-Profile. Dieses ist durch Nennung im Namen mit Nemesis verknüpft. Wir sehen: Hilfe für die Ukraine, Babies, alte Menschen (Unkenntlichmachung von Belltower.News). Inszenierung: unterstützende, familiengebundene Weiblichkeit.
Interessante Inszenierung II: Alice Cordier hat auf diesem Profil Nemesis nicht im Titel, die Inhalte sind deutlich mehr an die rechtsextreme Szene gerichtet: Vermummte Pseudo-„Demo“-Bilder, Posieren mit Waffen, rassistisches Campaining, Streit mit antirassistischen Organisationen. Inszenierung: Kämpferische Weiblichkeit.

Selbstbewusst, weiblich, rassistisch

Das Collectif Nemesis mischt Militanz und Coolness mit Weiblichkeit und Sexyness. Mal lassen sich die Akteurinnen in Trainingsjacken und halbvermummt auf Mobfotos ablichten und Mitglieder posieren mit Sturmgewehren oder am Schießstand. Ein anderes Mal setzen sie auf ein betont feminines Auftreten mit Kleidern und High Heels– dann insbesondere in rassistischer Abgrenzung zur vollständigen oder teilweisen Verschleierung einiger muslimischer Frauen.

Sie nutzen ihre Ausdrucksweise sehr strategisch, um mal mehr als selbstbewusste Frauen und Rebellinnen zu wirken, mal mehr die Rolle des einheimischen Mädchens als hilfloses Opfer zu bedienen oder die (rassistische) Kontrastfolie zwischen muslimischen und „traditionell“ französischen Frauen zu erzeugen. Damit bedient die Gruppe, was Julia Haas als „Wehrhafte Femininität“ beschrieben hat: dabei legen die rechten Frauen einen Fokus auf ihre Weiblichkeit, bzw. „weibliche Essenz“ und wollen gleichzeitig als Aktivistinnen ernst genommen werden und ihren politischen Gegner*innen gegenüber stark und widerständig auftreten.

Weichgespülter Rassismus

Der strategische Nutzen von Social Media für das Collectif Nemesis lässt sich auch an der kürzlich gestarteten Reise an die ukrainische Grenze beobachten. Am 8. März, dem internationalen feministischen Kampftag, kündigte das Collectif Nemesis öffentlichkeitswirksam an, mit einer Delegation von acht Frauen an die slowakisch-ukrainische Grenze fahren zu wollen. Vor Ort wollen sie den Kriegs-Geflüchteten helfen – laut ihnen hauptsächlich Frauen und Kindern.

Für diese Reise hat das Collectif Sach- und Geldspenden gesammelt, um vor Ort die vom Krieg betroffenen Ukrainer*innen zu unterstützen. Mit weichgespülten Videos für die Instagram-Story, inklusive des Zeigens von geflüchteten Kindern, inszenieren sich die extrem rechten Frauen des Collectifs als Helferinnen, die „wirklich mit anpacken“ und als Humanistinnen, denen es um das Wohl der ukrainischen Frauen geht.

Das alles geschieht jedoch vor dem Hintergrund eines rassistischen Diskurses, wer denn ein „guter Flüchtling“ sei. Während die europäischen und weißen Ukrainer*innen vor dem Krieg fliehen und ihnen geholfen werden muss, verwehrt das Collectif dieses Recht den (laut ihnen überwiegend männlichen) Kriegsgeflüchteten aus beispielsweise Syrien oder Afghanistan. Durch rassistische Memes und die Verbreitung von Desinformationen spielt das Collectif Nemesis massiv Hilfesuchende gegeneinander aus. Sie nutzen die humanitäre Katastrophe durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, um über eine Emotionalisierung in Form von rührenden Videos und Fotos Anerkennung und Zustimmung für ihre Arbeit und Gruppe zu erhalten und im Zuge dessen ihre extrem rechten Abwertungsideologien noch weiter zu verbreiten. Ihre Agenda ist es, über ihre Hilfsaktionen ein breites, nicht zwangsläufig extrem rechtes Publikum anzusprechen, um mit der Zeit einen gesellschaftlich geteilten Wertekanon nach rechts zu verschieben und die eigene Wirkmächtigkeit und Reichweite zu vergrößern.

Fazit

Das Collectif Nemesis eignet sich Ausdrücke und Themen des Feminismus an, um ihre rassistische Agenda voranzutreiben. Die gut vernetzten extrem rechten Frauen haben sich mit ihrem Social Media Auftritt eine Corporate Identity geschaffen und treten als rebellische, aber feminine Frauen auf. Ihre faschistischen Ideale verschleiert das Collectif mit emotionalen Erzählungen und der Inszenierung als „normale“ Frauen. Inwieweit die Gruppe Strahlkraft in die Mitte der Gesellschaft hat, ist aufgrund der Follower*innenzahlen eher fraglich. Von den Themen wie vom Ausdruck her ist die Gruppe aber sehr wohl anschlussfähig an bürgerliche Milieus und insbesondere für junge Menschen ansprechend. Die extreme Rechte wird nach wie vor häufig als männliches Phänomen wahrgenommen – gerade deswegen ist es wichtig, einen Blick auf die extrem rechten Frauen und ihre Strategien zu werfen.


Die Fachstelle Rechtsextremismus und Familie (RuF) ist die bundeszentrale Koordinations- und Fachstelle zu Fragen des Zusammenhangs von Rechtsextremismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie ihrer Bedeutung für Sozialisation, Einstellungsbildung und das Zusammenleben in Familien. Wir sind ein Projekt des LidiceHauses in Bremen und arbeiten seit 2001 zu diesem Schwerpunktthema.

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