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Offener Schulterschluss Björn Höcke zu Gast im rechtsextremen Troll-Podcast

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Björn Höcke bedankt sich für die rechtsradikale Social Media Kampagne gegen den Pride Month (Quelle: Screenshot)

Die AfD ist derzeit euphorisiert. Noch immer ist die Partei im Freudentaumel angesichts der beiden Wahlerfolge in Sonneberg (Thüringen) und in Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt). Besonders einer sieht sich gestärkt: Björn Höcke. Der AfD-Thüringen-Chef verbucht die gewonnene Wahl des ersten AfD-Landrats im thüringischen Sonneberg auf seine Kappe. So wurde jener Kandidat gewählt, obwohl – oder weil – er dem laut Verfassungsschutz erwiesenermaßen einem rechtsextremen Landesverband angehört.  

Einen Tag nach der Wahl, am 26. Juni 2023, postete Höcke auf Instagram eine modifizierte Regenbogen-Grafik. Die eine Hälfte erscheint in Regenbogenfarben – als Symbol für die demokratischen Parteien. Die andere, etwas größere Hälfte ist das Symbol für die AfD, mit den entsprechenden Prozent der Stimmen der Sonneberg-Wahl. Betitelt ist die Grafik mit „#Stolzmonat in Thüringen“.

Björn Höckes Post nach der Sonneberg-Wahl (Quelle: Screenshot)

Am 2. Juni war AfD-Faschist Björn Höcke zu Gast im Podcast „HonigWabe“. Das ist ein Podcast der beiden rechtsextremen Trolle Aron Pielka aka „Shlomo Finkelstein“ und „Kasper“. Und auch Fabian K. aka „Der Schattenmacher“, ist dabei. Fabian K. ließ sich offenbar bereits in der Vergangenheit von rechtsextremen Kadern bei der Sommerakademie in Schnellroda, unter Aufsicht von Götz Kubitschek, schulen. Mindestens er scheint also gut vernetzt in die Neurechte-Szene. In der „HonigWabe“ treffen sich rechtsextremen Alternativmedienmacher, um Menschenverachtung und Hass zu verbreiten in einer Form, die sie für lustig halten.  

Der komplette Podcast dauert ganze 6 Stunden und 38 Minuten. Der Thüringer AfD-Chef ist für knapp 30 Minuten live dabei. Er bedankt sich bei den beiden Rechtsextremen „noch mal für diesen unglaublichen Einsatz“. Es geht um die rechte Social-Media-Kampagne #Stolzmonat.

Der Hashtag Stolzmonat trendete im Juni auf Twitter, als Reaktion auf den Pride Month. Der Pride Month steht für die Akzeptanz von queeren Lebensrealitäten und entstand 1969 nach den sogenannten Stonewall Riots in New York und dem gewaltsamen Protest gegen rassistische und homo- und transfeindliche Polizei-Praktiken. Seither steht der Monat Juni für die Sichtbarkeit und Akzeptanz queeren Lebens. 

Da LGBTQ*-Feindlichkeit derzeit eines der wichtigsten Themenfelder der bürgerlichen und extremen Rechten ist, versuchten zunächst rechtsextreme Trolle das Anliegen zu kapern und mit der eigenen menschenfeindlichen Propaganda aufzuladen. Diese Kampagne wird schließlich noch stark von der AfD gepusht. Der #Stolzmonat trendet. Zwar nennt Höcke die rechte Kampagne eine „Graswurzelbewegung“, doch ein zur Aktion gehörender Twitter-Account „Stolzmonat“ wurde bereits im März 2022 eingerichtet. Ab Mitte Juni 2023 ist der Account gelöscht. Die Ursprünge der Aktion liegen zudem schon zwei Jahre zurück und sind auf Ideen der FPÖ zurückzuführen.

Einer der Initiatoren des #Stolzmonat ist Shlomo Finkelstein 

Einer der Initiatoren der diesjährigen #Stolzmonat-Kampagne ist Aron Pielka, einer der widerwärtigen rechtsextremen Trolle, die Deutschland zu bieten. Im Internet, versteckt er sich hinter einer Comic-Zeichnung und den Pseudonymen Shlomo Finkelstein und Die vulgäre Analyse. In einem Interview mit einem YouTuber sagt Pielka, er habe zwar das #Stolzmonat-Meme nicht erfunden, aber er sei der erste gewesen, der dazu aufgerufen habe, dass sich die rechten Twitter- „Infokrieger“ die Flagge ins Profil klatschen sollen. Auch der Hashtag Stolzmonat gehe auf den rechtsextremen Troll Pielka zurück. Gegenüber der „Jungen Freiheit“ beschreibt Pielka, dass die „Idee im Vorfeld schon organisch breit in AfD- und Rechtstwitter-Kreisen aufgekeimt war“. 

Bisher war Pielka besonders für Rassismus und Islamfeindlichkeit bekannt. So war in früheren Video stets zu sehen, wie ein Mensch auf einen Koran uriniert, wie auf einem Koran Schweinefleisch gegrillt wird und wie sein Comic-Alter Ego in das Heiligtum der Muslime, die Kaaba in Mekka, scheißt. Jetzt bemüht er sich sichtlich, seinen Hass auf Muslim*innen mit seiner Ablehnung gegen LGBTQ* zu vereinen. Pielka spielte sich zwar in der Vergangenheit oft als Verfechter von LGBTQ*-Rechten auf, jedoch immer nur dann, wenn er ihre Rechte durch von Muslim*innen ausgelöste Gewalt bedroht sah und so eine Möglichkeit zur Instrumentalisierung bestand.

Nun ist also Björn Höcke bei ihm im Podcast. Er sei der „hochkarätigste Gast“ den sie jemals in der Honigwabe begrüßen durften, so Pielka. Dabei war Ende 2021 bereits der ehemalige Berater und Sprecher des damaligen US-Präsidenten Donald Trump Jason Miller zu Gast in dem Podcast – heute Geschäftsführer von Gettr, einem rechten Twitter-Klon.. Höcke darf sich geschmeichelt fühle. Aber ist das der Grund, warum sich ein Björn Höcke, der sonst penibel auf sein intellektuelles und belesenes Image achtet, nun derart offen in die  rechtsextreme Kloake begibt, die sich selber „Rechtstwitter“ nennt? 

„Rechtstwitter“ zeichnet sich durch eine Mischung aus 4Chan-Humor, offener NS-Verherrlichung und rechtsextremem Trolling aus. Die Rechtstwitterer bilden eine regelrechte rechtsextreme Troll-Armee, die politische Gegner*innen auf Social-Media-Plattformen mundtot machen und aus dem Diskurs drängen wollen. Sie organisieren sich teilweise im „Honig Forum“. Ihr Vorgehen haben sie von den Internet-Aktivist*innen der Alt-Right aus den USA gelernt. Diese Szene setzt auf „memetische Kriegsführung“ („Memetic Warfare“) – also Kriegsführung mithilfe von Internet-Memes. Eine Strategie, die womöglich Donald Trump dabei geholfen hat, ins Weiße Haus zu kommen. Memetische Kriegsführung wird als Mittel zur Beeinflussung des öffentlichen Online-Diskurses verwendet. Mit vergleichsweise wenig Aufwand und vermutlich zahlreichen Fake-Accounts wird eine große Masse an Aktivist*innen vorgegaukelt, um politische Gegner*innen und vulnerable Gruppen durch vulgäre Beleidigungen aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen.   

Wenig bescheiden sagt Höcke im Gespräch mit „Kasper“, Fabian K. und Pielka, dass er eher der Stratege sei, der gut analysieren könne. „Aber dieses kreative Moment, dieses Schlagfertige, vielleicht auch das Setzen von Impulsen“, das sei nicht seine Stärke. Höcke sieht diese Stärke „vor allen Dingen im Vorfeld, bei Ihnen unter anderem, und ich hoffe, dass es noch viele Gelegenheiten gibt, reinzugrätschen“. Der Faschist Höcke meint damit Möglichkeiten, demokratische Bewegungen zu kapern, umzulabeln. 

Björn Höcke: „Wir postulieren ja einen fröhlichen in Anführungszeichen Nationalismus“

Das, was sich in der #Stolzmonat-Kampagne gezeigt habe, bezeichnet Höcke als „explorativen Konservatismus“. Dann raunt Höcke von einer „Funktionärskaste dieser Republik“, die „völlig erodiert“ sei, davon, dass europäische Gesellschaften „systematisch“ und „politisch gewollt fragmentiert“ würden. Er bezieht sich hierbei auf den Multikulturalismus und nährt damit gleichzeitig die Verschwörungserzählungen des angeblichen Bevölkerungsaustausches. Höcke behauptet, der Verfassungsschutz sei von den Alliierten lediglich implementiert worden, um „dauerhaft zu verhindern, dass es nochmal eine patriotische Position geben könnte, die deutsche Interessen formuliert“. Was Höcke hier wohl mit „nochmal“ meint? Vielleicht die „patriotische Position“ der Nazis? Vielleicht ein kleiner, aber ehrlicher freudscher Versprecher. 

Trotz versuchter absoluter Kontrolle seiner Worte gleitet Höcke – bewusst oder unbewusst – schließlich im Podcast-Live-Gespräch in NS-Sprech ab. Er fordert eine „Abschiebe-Offensive“, „eine große Remigrationsoffensive“. Eine Forderung, die bereits in seinem Mitte 2018 erschienenen Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ vorkommt. Er fordert hier eine Säuberung Deutschlands von „kulturfremden“ Menschen: „Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen“ (S.257). Schließlich fabuliert er im Podcast 2023 über einen angeblich kränkelnden Volkskörper, auch das ist Nazi-Rhetorik. 

Inhaltlich sagt Höcke kaum Überraschendes. Der Live-Chat des Podcasts quillt nur so über mit blauen Herz-Emojis, mit der die Zuhörer ihre Sympathie mit der rechtsradikalen Partei zum Ausdruck bringen. Höcke gilt in dieser rechten Troll-Szene als Art Heilsbringer. Bei manchen wird er gar als „Führer“ verehrt. 

„Trolle den Fick aus ihnen heraus“

Dass sich der Galionsfigur des Rechtsextremismus in der AfD, Björn Höcke, nun ganz offen mit dem vulgären Pöbel der Internet-Trolle um die „Vulgäre Analyse“, aka Shlomo Finkelstein, zeigt, ist schon erstaunlich. Doch Höcke wird wissen, wie wertvoll es ist, diese Internet-affinen Menschen hinter sich zu wissen. Die, die auf Kommando Shitstorms auslösen, die dafür verantwortlich sind, dass sich Aktivist*innen und auch Politiker*innen von relevanten Social-Media-Plattformen zurückgezogen haben – auf ihre Unterstützung möchte er offenbar zählen. 

Wie dieses rechtsextreme Trolling funktioniert, offenbarte ein 2018 geleaktes Dokument „D Generation“. In der Trolling-Anleitung heißt es etwa: „Sei kreativ. Wenn Deine Gegner ihr echtes Gesicht als Profilbild haben, umso besser. Photoshoppe es auf irgendwelche Typen die sich im Schwulenporno gerade in den Arsch ficken lassen oder so.“ (sic!)

Eigentlich passt das so gar nicht zum stets gepflegten sauberen völkischen Nazi-Image von Höcke, doch er wird wissen, was er an dieser Gruppe hat. Und dass sie ihm und seiner Partei sehr hilfreich sind und vermutlich noch sehr hilfreich seien werden. 

Und die Normalisierung von Tabubrüchen der AfD schreitet weiter voran.

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