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Through the Darkest of Times Ein Videospiel über den Widerstand im Nationalsozialismus

Screenshot aus dem Spiel "Through the Darkest of Times" von Paintbucket Games. (Quelle: Paintbucket Games)

Videospiele wollen längst mehr sein, als ein reines Unterhaltungsmedium. Zunehmend greifen sie politische Themen und reale, gesellschaftliche Konflikte auf. Das gelingt mal mehr und mal weniger gut. Das Computerspiel „This war of mine“ lässt die Spielenden beispielsweise die Grausamkeiten eines fiktiven Krieges aus der Opferperspektive betrachten. Auch „Liyla and the shadows of war“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, wählt als Schauplatz jedoch mit dem Gaza Krieg ein reales Szenario. Spieler*innen steuern einen palästinensischen Vater, der durch Gaza flieht. Erschreckend dabei: Israel wird als kindermordender Aggressor dämonisiert. In anderen Simulationsspielen dagegen bauen die Spieler*innen ganze Staaten und politische Systeme auf, verhelfen ihrer Nation zu einer demokratischen Staatsform oder unterdrücken die Bevölkerung als autokratischer Diktator. Der Einzug politisch-gesellschaftlicher Diskurse in moderne Videospiele kann längst nicht mehr negiert werden.

Auffällig ist jedoch, dass eine Thematisierung des Nationalsozialismus vor 1939 meistens ausbleibt. Zu groß ist scheinbar die Furcht, das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte anzurühren. Wenig verwunderlich also, dass Antisemitismus noch immer ein blinder Fleck im Gaming ist. Das Berliner Studio Paintbucket Games geht mit dem kürzlich veröffentlichten Strategiespiel „Through the Darkest of Times“ einen anderen Weg. Wir haben die Entwickler Jörg Friedrich und Sebastian Schulz zu ihrem kürzlich erschienenen Strategiespiel interviewt.

Spiele über den Nationalsozialismus behandeln in der Regel lediglich die Zeit nach Beginn des zweiten Weltkrieges. Viele starten sogar erst mit dem D-Day 1944: Als amerikanischer Soldat landen wir meist in mitten eines spektakulär inszenierten Kugelhagels in einem schwankenden Boot in der Normandie und müssen uns fortan durch Unmengen von Computergesteuerten Nazi-Horden schießen. Endgegner ist Berlin. Oder vielmehr Hitler. So oder so ähnlich sieht die meist sehr oberflächliche Thematisierung des Nationalsozialismus in Games aus. Mit eurem neuen Spiel „Through the Darkest of Times“ erzählt ihr eine andere Geschichte aus einer für Videospiele komplett neuen Perspektive. In welche Rolle schlüpfen Spieler*innen in TtDoT? Wie sieht das Spielprinzip aus?

Du spielst einen Widerstandskämpfer oder eine Widerstandskämpferin in Berlin während der Nazi-Herrschaft. Du baust eine kleine Widerstandszelle auf, planst und führst Aktionen durch, um Unterstützer*innen zu gewinnen und das Regime zu schwächen. Es gilt, dem Druck von außen, dem immer schlimmer werdenden Terror und der Verfolgung des Regimes zu widerstehen. Gleichzeitig musst du dafür Sorge tragen, dass die Gruppe nicht den Mut verliert. Gerade letzteres ist oft nicht so einfach. Die Mitglieder der Gruppe haben sehr unterschiedliche Biografien und politische Ansichten und man muss neben dem Verfolgungsdruck auch mit ganz menschlichen Problemen und Konflikten, die innerhalb der Gruppe entstehen können, umgehen.

Screenshot aus dem Spiel „Through the Darkest of Times“ von Paintbucket Games.

Ich habe auch schon in das Spiel reingeschnuppert und war sehr angetan von der Authentizität, mit der ihr historische Entwicklungen im Spiel abgebildet habt. Ich erinnere mich daran, wie ich vor die Wahl gestellt wurde: Schließe ich mich mit meiner Widerstandsgruppe den Protesten gegen die Nazis im Berliner Lustgarten an, oder ist mir das Risiko zu hoch? Tatsächlich hatte ich vor meiner Anspielsession noch nie von der Demonstration am 7. Februar 1933 gehört, an der über 200.000 Personen teilnahmen und sich gegen Hitler und die NSDAP stellten. Daher schließt meine Frage an, inwiefern Spieler*innen in TtDoT auch die Geschichte verändern können? Lässt sich ein Widerstand aufbauen, der größer und erfolgreicher ist, als in der Realität?

Die eigene Widerstandsgruppe, ihre Mitglieder und die Aktionen sind fiktiv. Sie sind allerdings angelehnt an Gruppen und Menschen, die es wirklich gab und die damals Widerstand gegen die Nazis geleistet haben. Viele der Aktionen sind deshalb angelehnt an Akte des Widerstands, die es wirklich gab, oder die zumindest denkbar gewesen wären. So kann man zum Beispiel einen Anschlag auf eine Propagandaausstellung der Nazis durchführen – einen solchen Anschlag gab es wirklich, durch die Herbert-Baum-Gruppe, allerdings erst viel später und er lief schief.
Man kann im Spiel Menschen vor Verfolgung retten, indem man sie befreit, versteckt oder in Sicherheit bringt, man kann Menschen aufklären und überzeugen gegen den Nationalsozialismus aktiv zu werden und man kann versuchen Sand im Getriebe zu sein und das Regime zu behindern. Aber die große Zeitlinie kann man aktuell nicht verändern: Wann der Krieg ausbricht, wann er zu Ende ist – diese Dinge stehen fest. Es war uns wichtig zu zeigen, dass aber auch diese vermeintlich kleinen Dinge eine große Wirkung haben und wichtig sind für die Welt. „Wer auch nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt“ – wie ein Talmudspruch lautet.

Mit der Spiele-Veröffentlichung entbrannte auf Social Media erneut die Diskussion um das Abbilden von Hakenkreuze in Videospielen. Schon vor einigen Jahren gab es beim Spiel „Wolfenstein II“ eine ähnliche Diskussion, um die Auslegung der sogenannten Sozialadäquanzklausel. Seit 2018 dürfen Spiele, ähnlich wie auch Filme, verfassungsfeindliche Symbolik abbilden, wenn dies nicht mit einem verherrlichenden oder propagandistischen Zweck geschieht. Eine kritische Darstellung von Hakenkreuzen in Kulturmedien ist also dann nach der Sozialadäquanzklausel erlaubt, wenn die Verwendung in den Bereichen der Wissenschaft, Lehre, Kunst oder der staatsbürgerlichen Aufklärung geschieht. Puh. Auch eine klare Ablehnung der NS-Ideologie muss erkennbar sein. Ihr habt euch ja dafür entschieden und eine Freigabe von der USK erhalten. Wie detailliert lief diese Prüfung bei euch ab? Müssen wir zukünftig mit Spielen rechnen, in denen deutlich unkritischer Nazisymbolik verwendet wird?

Wir sind ja bei der USK-Prüfung nicht persönlich anwesend, aber soweit ich weiß wird jedes Spiel von mehreren Testern*innen ausführlich gespielt und potentiell kritische Szenen einem Prüfungsgremium, in dem auch Mitglieder der Landesjugendbehörden sitzen, vorgeführt, die dann über die Altersfreigabe beraten. Ich glaube nicht, dass wir damit rechnen müssen, dass Computerspiele mit verherrlichenden und verharmlosenden Darstellungen von Hakenkreuzen eine Freigabe von der USK erhalten werden – bei Filmen ist das ja auch nicht der Fall und die Lage ähnlich wie bei Spielen. Die USK berücksichtigt dabei durchaus auch die Besonderheit, dass Spiele interaktiv sind und der Kontext der Darstellung sich verändern kann. Deshalb hat die USK es zum Beispiel einem Multiplayer-Spiel, in dem Spieler*innen sowohl auf Seiten der Achsenmächte oder der Alliierten gegeneinander kämpfen, und das solche Symbole verwenden wollte, abgelehnt. Man wollte nicht, dass hier Spieler*innen ohne Kontext unter der Hakenkreuzfahne in die Schlacht ziehen. Gleichzeitig hat ein Spiel wie „Wolfenstein“, das zwar weder historisch noch pädagogisch ist, aber einen eindeutigen antifaschistischen Kontext hat, eine Altersfreigabe trotz NS-Symbolen bekommen. Das finde ich richtig, ein Film wie „Inglourious Basterds“ darf ja auch gezeigt werden.

Ihr habt das Spiel 2016 angefangen zu entwickeln. 2016 wurde auch Donald Trump Präsident, die AfD zog in zahlreiche Landesparlamente ein und die Gewalt gegen Geflüchtete erreichte ihren traurigen Höhepunkt. Ist TtDoT auch eine klare Positionierung eurerseits gegen Nationalismus und Populismus?

Wir waren besorgt über diese Entwicklungen und wir haben uns gefragt, ob Computerspiele hier vielleicht einen positiven Beitrag leisten könnten. Gleichzeitig fanden wir es problematisch, dass in vielen Computerspielen, die für sich in Anspruch nehmen den 2. Weltkrieg historisch abzubilden, Shoa und Antisemitismus, Genozide und politische Unterdrückung oft gar nicht erwähnt werden.  Durch dieses Weglassen zeichnen Spiele manchmal geradezu ein revisionistisches Geschichtsbild. Das geschieht i.d.R. nicht aus böser Absicht, sondern um Kontroversen zu vermeiden und weil Entwickler oder Publisher glauben, Computerspiele seien nicht in der Lage solche Themen respektvoll abzubilden. Mit „Through the Darkest of Times“ wollen wir zeigen, dass es auch anders geht.

Wurdet ihr für diese Haltung bisher angefeindet? Habt ihr in Sozialen Medien oder auch abseits davon Erfahrungen mit Hasskommentaren gegen euch oder das Projekt machen müssen?

Das Spiel (und wir als Team und unser Publisher) werden vor allem auf Gaming-Plattformen und -Foren und zum Teil auch in den Sozialen Medien angefeindet. Häufig krass antisemitischer oder NS-verherrlichender Kram. In den entsprechenden Foren wurde auch zum „Angriff“ auf das Spiel geblasen. Ich muss aber sagen, dass der Umgang der Plattformen da deutlich besser geworden ist im Vergleich zu früher.  Wir finden es auch super, dass unser Publisher uns hier unterstützt, ganz viel von dem Shitstorm von uns fernhält und sich nicht einschüchtern lässt.

Ihr habt ja auch bei der Programmierung des Antikriegsspiel „Spec Ops: The Line“ mitgemischt. Gibt es Pläne, noch weitere politische Spiele zu entwickeln? Wie wäre es mit einem Spiel, in dem rechtsalternative Influencer*innen uns mehr und mehr mit kruden Verschwörungserzählungen und „Fake News“ zu manipulieren versuchen? Ich habe ein dystopisches Rollenspiel im Kopf, in dem diese rechte Influencer-Fraktion auf Echsenmenschen reitend Europas Außengrenzen verteidigt… Wäre das nicht was für euch?;)

Das Spiel haben wir schon vor zwei Jahren auf einem Game-Jam zum Thema Fake-News gemacht. Naja fast ;- )

https://paintbucketgames.itch.io/fux-news

In Fuxnews geht es um Desinformation, Dramatisierung, Emotionalisierung und Patriotismus.

Das Interview führte Mick Prinz, Projektleiter vom Projekt „Good Gaming – Well Played Democracy“. Das Projekt setzt sich damit auseinander, wie rechtsextreme Akteur*innen unterschiedliche Videospielszenen zu instrumentalisieren versuchen – und stärkt Demokrat*innen, die sich dagegen stellen.

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