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Ungarn Orbán, Putins letzter europäischer Freund, erneut gestärkt

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Viktor Orbán (rechts) und Vladimir Putin (auch rechts) bei einer Pressekonferenz 2019.
Viktor Orbán (rechts) und Vladimir Putin (auch rechts) bei einer Pressekonferenz 2019. (Quelle: picture alliance/dpa/TASS/Alexei Nikolsky)

Mit einer Rekord-Mehrheit von 53 Prozent der Stimmen konnte die nationalkonservative Fidesz Partei bei der Wahl am 3. April 135 der insgesamt 199 Parlamentsmandate für sich gewinnen. Egységben Magyarországért, übersetzt, „Ungarn in Einheit“ ist die Allianz aus Oppositionsparteien der Linken, Grünen, Liberalen und Rechten. Sie erreichte unter der Führung des parteilosen Konservativen Péter Márki-Zay lediglich 35 Prozent der Stimmen und damit 56 Mandate im Parlament. Allein in der Hauptstadt Budapest konnte die Allianz erfolgreich 16 der 18 Bezirke für sich gewinnen. In den restlichen Wahlbezirken des Landes konnte sich Orbán dagegen beinahe flächendeckend durchsetzen. Weitere sieben Mandate gingen an die rechtsextreme Partei „Mi Hazánk”, übersetzt „Unsere Heimat”. Premierminister Viktor Orbán, der erstmals 1998 bis 2002 Ministerpräsident war, kann somit seine vierte Amtszeit seit 2010 und fünfte Amtszeit als Regierungsoberhaupt insgesamt antreten. 

Freie, aber unfaire Wahl 

Bereits lange vor der Abstimmung am 3. April warnten Aktivist:innen vor massivem Wahlbetrug. Nach der Wahl tauchte angeblich ein Sack mit Stimmzetteln in Rumänien auf. Während Beobachtung dieser Art nicht offiziell bestätigt und am Wahltag selbst keine Auffälligkeiten beobachtet wurden, bleibt festzuhalten, dass die Maßnahmen, die Orbán im Laufe seiner Amtszeit zum Vorteil der eigenen Partei in die Wege geleitet hat, wohl den entscheidenden Einfluss auf das Wahlergebnis hatten. Wahlreformen, wie die Anpassung der Parlamentsgröße und Verteilung der Wahlkreise, bildeten keine fairen Bedingungen für eine demokratische Wahl. Auch die unterschiedlichen Regelungen des Briefwahlrechts für im Ausland lebende Ungar:innen wirkten zum Vorteil der regierenden Fidesz Partei. Im benachbarten Ausland lebende Angehörige von ungarischen Minderheiten mit ungarischer Staatsbürgerschaft haben seit 2018 das Recht an Parlamentswahlen teilzunehmen. Die klare Mehrheit dieser Gruppe wählt traditionell die Fidesz Partei. Ungarische Arbeitsmigrant:innen, die im Ausland leben, können dagegen nicht per Briefwahl abstimmen und müssen entsprechend großen Aufwand betreiben, Zeit und Geld investieren, um ihr Wahlrecht wahrnehmen zu können. Viele dieser Ungar:innen leben in westlichen Ländern und wählen eher Parteien der Opposition. 

Neben diesen strukturellen Vorteilen wirkten jedoch noch weitere einflussreiche Faktoren der Fidesz Partei zum Vorteil. So wurde beispielsweise die einzuhaltende Obergrenze für Ausgaben im Wahlkampf von der Fidesz Partei deutlich überschritten und auch die Medienberichterstattung, fest in den Händen der Regierung, trug zur unfairen Ausgangslage der Wahl bei. Wie die ZEIT berichtet, kritisiert die OSZE in diesem Kontext vor allem eine „einschüchternde und fremdenfeindliche Rhetorik”, die das Klima der ungarischen Wahl prägte. Die eingeschränkte und entsprechend zunehmend gefährdete Pressefreiheit ist eins von vielen Warnsignalen und Anzeichen des autoritären Umbaus, den Orbán seit Jahren in Ungarn betreibt. Als Befürworter einer illiberalen Demokratie nannte Orbán in der Vergangenheit Länder wie China, Russland und die Türkei als Vorbilder. Neben der Pressefreiheit leiden auch die Kulturlandschaft und Wissenschaft unter den eingeschränkten Bedingungen im Land. Das politische Klima stellt eine klare Bedrohung für Minderheiten, wie etwa die Queere Community dar. Dies wurde am Beispiel des 2021 eingeführten Gesetzes deutlich, welches das Teilen von Information über Homo- und Transsexualität einschränkt, indem entsprechende Inhalte in Büchern und Filmen an ungarischen Schulen verboten wurden. Auch im Wahlkampf wetterte Orbán bis zuletzt gegen den vermeintlichen „Gender-Wahnsinn” der Linksliberalen.

Ein klares Signal

Mit seiner Siegesrede in der Wahlnacht sendete Orbán ein deutliches Signal an seine politischen Gegner:innen. In einer Aufzählung derjenigen, die sich gegen ihn verbündet haben, nannte Orbán nicht nur ausländische Medien, die ungarische und internationale Linke, sondern auch den ukrainischen Präsidenten Selenskyj und das „Soros-Imperium mit seinem ganzen Geld”. Damit spielte er auf den jüdischen Philanthropen George Soros an und bedient ganz nebenbei antisemitische Weltverschwörungen: Es sei ein Wahlsieg gegen „mächtige ausländische Machtzentren”. 

Der Sieg sei auch einer gegen die „Bürokraten in Brüssel”: „Wir haben einen Sieg errungen, der so groß ist, dass man ihn vom Mond aus sehen kann, aber von Brüssel aus ganz sicher“. Wir – das sind in diesem Fall nicht nur die Wähler:innen der Fidesz Partei, sondern auch internationale Verbündete des rechtsnationalen Staatsoberhaupts. Neben Applaus von der AfD und anderen rechtsnationalen Parteien im Europaparlament, blieben Gratulationen zum Wahlsieg aus Brüssel zwar aus, dafür gehört Russlands Präsident Putin zu den ersten Gratulanten. 

Orbán und Putin führen eine lange und freundschaftliche Beziehung. Obwohl sich Ungarn den EU-Maßnahmen der politischen Unterstützung der Ukraine anschloss, zeigt sich die ungarische Regierung im weiteren Verlauf des Krieges wenig bereit, russischen Interessen in die Quere zu kommen. Orbán inszeniert sich als Wärter des Friedens, will „neutral bleiben” und lässt nicht nur keine ungarischen Waffen in die Ukraine liefern, sondern untersagt darüber hinaus Waffenlieferungen über ungarisches Staatsgebiet. Inwiefern dies im Rahmen der NATO-Bündnistreue zu bewerten ist, bleibt zu diskutieren. Darüber hinaus spricht sich Orbán gegen weitere Sanktionen aus und folgt Russlands Aufforderungen, Gas und Öl fortan in Rubel zu bezahlen. Orbán bleibt somit der wohl einzige europäische Freund Putins. Mit seinem Handeln, so der Vorwurf der ukrainischen Regierung in Kyjiw, zerstöre Orbán „die Einheit der EU”. Ein Blick nach Frankreich, lässt weitere Brüche der bisher so geeinten europäischen Gemeinschaft befürchten, sollte die rechtsextreme Marine Le Pen die Stichwahl am 24. April gewinnen. 

Warten auf eine europäische Antwort

Als Mitgliedstaat der Europäischen Union ist Ungarn an rechtsstaatliche Bedingungen gebunden. Die Verfehlung dieser Auflagen wurden in Brüssel zwar mit wachsendem Unmut, jedoch bisher ohne tatsächliche Konsequenzen begegnet. Das sei zu wenig, mahnen Kritiker:innen. Sie geben der EU eine Mitschuld am erneuten Erfolg des Autoritären Orbáns.

Doch jetzt will die EU endlich aktiv werden und auf der Basis des ungarischen Verstoßes gegen EU-Recht den Rechtsstaatsmechanismus einsetzten. Der Rechtsstaatsmechanismus wurde 2021 eingeführt und wird jetzt erstmalig zum Einsatz kommen, nachdem Polen und Ungarn erfolglos vor dem EuGH gegen die Einführung geklagt hatten. Die erfolgreiche Anwendung dieser Maßnahme würde sich mit bedeutenden Mittelkürzungen der europäischen Gelder für Ungarn auswirken. 

Ungarn wird nach diesem erneuten Wahlerfolg Orbáns noch bis mindestens 2026 von einem rechtsnationalen Autokraten mit parlamentarischen Mehrheit ungestört regiert. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Maßnahmen des Rechtsstaatsmechanismus Wirkung zeigen und die EU im Umgang mit Orbán tatsächlich ein Instrument zur Wahrung der in der EU geltenden Werte gefunden hat. Schließlich trägt die EU eine Verantwortung für die Minderheiten in Ungarn und es ist ihre Aufgabe für die europäischen Grundwerte einzustehen und Menschenrechte zu schützen.

 

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