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Neunter „Sächsischer Förderpreis für Demokratie“ in Dresden verliehen

Während auf dem Dresdner Theaterplatz selbst am historisch bedeutsamen Datum des 9. Novembers Tausende mit „Pegida“ ihren Rassismus und Demkratie-Hass in die Nachtluft trugen – und ihnen 6.000 Menschen zeigten, dass sie nichts davon halten – trafen sich im Max-Planck-Institut ausgewählt gute Sächsinnen und Sachsen: Hier wurde der „Sächische Förderpreis für Demokratie“ verliehen. Hauptpreisträger wurde die Bürgerinitiative „Gesicht zeigen – Netzwerk für demokratisches Handeln Penig und Lunzenau“. Als Kommune wurde Heidenau ausgezeichnet, vertreten durch seinen Bürgermeister Jürgen Opitz. Die Laudatio hielt ARD-Journalistin Anja Reschke.

 
Alle Nominierten des Sächsischen Förderpreises für Demokratie 2015. (Quelle: ngn / SR)

Der Sächsische Förderpreis für Demokratie wird seit 9 Jahren jedes Mal am 9. November verliehen, historisch gesehen dem Tag der Reichsprogromnacht wie des Mauerfalls. Selten allerdings fiel es den nominierten Projekten und Initiativen aus Sachsen so schwer, den Festakt zu genießen: In Dresden und Leipzig trugen „Pe- und Legida“ auch an diesem Datum ihren Rassismus und ihre Demokratiefeindlichkeit auf die Straße. Und so entsandten manche der Nominierten Stellvertreter_innen – weil sie, wie die „Banda Comunale“ aus Dresden oder das Bündnis „Legida? Läuft nicht!“ aus Leipzig auch heute gegen Pegida und Legida auf die Straße gehen wollten. Oder weil sie, wie die Bürgerinitiative „Gesicht zeigen Penig und Lunzenau“, an diesem Datum mit eigenen Veranstaltungen an den tödlichen Antisemitismus der Nationalsozialisten erinnern wollen, um heute die Menschen zum Handeln gegen Ausgrenzung und Rassismus zu bewegen. Mitglieder der Inititative „Willkommen in Roßwein“ sind nicht zur Preisverleihung gekommen, weil im benachbarten Döbeln „Stolpersteine“ geschändet wurden – und sie nun wachen, damit dies am 9. November nicht wieder geschieht (mehr dazu auf hier). Es gibt viel zu tun für die, die gegen Rechtsextremismus aktiv sind in Sachsen.

Yellow Umbrella

Genau deswegen haben die Amadeu Antonio Stiftung, die Freudenberg Stiftung, die Sebastian Cobler Stiftung und die Stiftung Elemente der Begeisterung den „Sächsischen Förderpreise für Demokratie“ aber auch ausgelobt: Um herausragendes Engagement von Initiativen und Kommunen gegen Rechtsextremismus und für Menschenrechte und eine demokratische Kultur in Sachsen zu würdigen. In diesem Jahr bewarben sich 64 Initiativen, Projekte, Kommunen und Landkreise für die Auszeichnung. Jedes einzelne Aktion hätte eine Würdigung verdient gehabt, betonten die Laudator_innen auf der Veranstaltung zu Recht. Letztendlich nominiert wurden sieben von ihnen – und erlebten nicht nur einen abwechslungsreichen Abend im Max-Planck-Institut, sondern gingen auch mit Anerkennungspreisen von 1.000 Euro pro Initiative nach Hause – bis auf die Hauptpreisträger, die sogar 5.000 Euro in neue Pläne stecken dürfen. Zum zweiten Mal wurde 2015 auch eine Kommune für ihre Arbeit gewürdigt. Sie wird mit einer Festschrift ausgezeichnet.

Sebastian Krumbiegel

Die Preisverleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie begann, wurde untermalt und endete mit der mitreißenden Musik der Ska-Band „Yellow Umbrella“, die den Saal trotz festlichen Anlassen gar zum Mitsingen und Tanzen brachten. Dann spiegelte sich auf der Bühne die Diskussion, die Dresden aktuell beschäftigte: Während Dresdens Bürgermeister Dirk Hilbert (FDP) darlegte, wie sehr ihn die Thesen von „Pegida“ „anwiderten“, aber wie sehr er auch keine Möglichkeit sehe, Pegida (wenigstens am 9. November) die prestigeträchtige Kulisse des Theaterplatzes zu nehmen, widersprachen ihm nicht nur Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD), die sich mehr Engagement der Behörden wünschte und ankündigte, nach ihrem Grußwort beim „Sächsischen Förderpreis“ die „Herz statt Hetze“-Demonstration gegen „Pegida“ zu unterstützen, wie auch Jury-Mitglied Dorothee Freudenberg („Es kann nicht sein, dass in Dresden Menschen, die anders aussehen, verunsichert sein und Angst haben müssen“) und Journalistin und Laudatorin Anja Reschke, die meinte:“Natürlich muss die Demokratie ‚Pegida‘ aushalten. Aber doch nicht auf dem Theaterplatz!“ In anderen Städten gelinge es doch auch, solche prominenten Orte an solchen Daten von solchen Demonstrationen frei zu halten.

Für die „tapferen und mutigen Menschen“, wie Max-Planck-Instituts-Geschäftsführer Liu Hao Tjeng sie nannte, sang „Die Prinzen“-Sänger Sebastian Krumbiegel das (wieder) hochaktuelle Lied „Er wollte nach Deutschland“ von Udo Lindenberg, bevor die Engagierten nacheinander auf der Bühne geehrt und von Moderator Bastian Wierzioch zu ihrer Arbeit befragt wurden. Belltower.news hat Ihnen die Initiativen ja bereits in den vergangenen Tagen vorgestellt:

Anerkennungspreise (je 1.000 Euro):

Banda Comunale: Mit der Initiative Neujahrsputz und der Angsthasen Prozession setzten sie Pegida eine Protestform entgegen, die mit Satire und positiven Bildern viele Dresdner ermutigte, sich mit zu positionieren.Bündnis „Willkommen in Roßwein“: Die Bürgerinitiative organisierte sich, um mit Politik, Verwaltung, Kirchen und Vereinen Asylsuchenden die ersten Schritte im Ort zu erleichtern und der lokalen Pegida-Bewegung die Stirn zu bieten.Initiativkreis Antirassismus: Das Projekt „Die verschwiegenen Toten“ informiert über statistisch nicht erfasste Opfer rechter Gewalt in Leipzig und kämpft um ihre Anerkennung und ein an-gemessenes Gedenken.Legida? Läuft nicht. Leipziger Studierende gegen Rassismus: Die hochschulübergreifende Initiative ist eine der treibenden Kräfte der No-Legida-Bewegung und aktiv bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Gebäuden der Hochschulen.Schüler für Flüchtlinge: Die Schüler des Goethe-Gymnasiums Bischofswerda setzen sich für Aufklärung und praktische Hilfe im benachbarten Asylbewerberheims ein und wurden zum Zentrum der ehrenamtlichen Unterstützungsstrukturen der Stadt.

Hauptpreis (5.000 Euro):

Bürgerinitiative „Gesicht zeigen“ – Netzwerk für demokratisches Handeln: Engagierte Eltern starteten trotz ständiger Bedrohung ein vielfältiges Programm zur Entwicklung einer demokratischen Soziokultur im ländlichen Raum um Penig und Lunzenau.

Kommunenpreis:

Jürgen Opitz, Bürgermeister der Stadt Heidenau: Der Bürgermeister positionierte sich klar gegen rassistische Ausschreitungen und gewalttätige Flüchtlingsgegner und schaffte es so, auch andere Bürger für Willkommensaktivitäten zu mobilisieren (Den Text zu Heidenau veröffentlicht Belltower.news morgen – es sollte ja heute eine Überraschung für den Preisträger sein).

Anja Reschke

Anja Reschke, ARD-Journalistin und „Panorama“-Redakteurin und -Moderatorin, ehrte anschließend an die Preisverleihung das Engagement der aktiven Sächsinnen und Sachsen und betonte die Wichtigkeit ihres tagtäglichen Einsatzes: „Ein paar Jahre lang hieß es in Redaktionskonferenzen immer: ‚Jetzt kommt ihr wieder mit Euren Nazis, das interessiert doch keinen mehr.‘ Heute ringen wir um die Demokratie und die Werte in unserem Land. Gewinnen Toleranz, Menschlichkeit und MItgefühl oder die nationalistisch-konservativen Strömungen?“ Bei Facebook und im Internet sieht sie Menschen Hass verbreiten, obwohl doch Deutschland ein schönes und starkes Land sei, „und hier kann jeder frei seine Meinung äußern – obwohl dies offenbar einige Menschen nicht zu schätzen wissen – die, die Gegenwind zu ihren Meinungen für Lügen halten.“ Gut findet Reschke dagegen, dass sich nun viele im Land an der politischen Diskussion beteiligen und darüber (hinaus) auch aktiv werden für Flüchtlinge und demokratische Kultur. Doch „Pegida“, findet sie, vergiftet in Sachsen viel, wie alle Kolleg_innen nach Dreharbeiten hier stets berichteten. Umso wesentlicher sei doch das Engagement der Zivilgesellschaft, wie sie beim „Sächsischen Förderpreis“ vertreten ist: „Und im Engagement gibt es keine Sieger. Jeder Einzelne zählt. Denn es gibt in Deutschland eine gleichbleibende Menge von Menschen, die ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild vertreten. Entscheidend ist jedoch, wie sich der Rest verhält!“

Mehr im Internet:

www.demokratiepreis-sachsen.de

Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel: Die meisten Ostdeutschen waren auch Wirtschaftflüchtlinge (stern.de)

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