Weiter zum Inhalt

Urteile im „Altermedia“-Prozess sind gefallen

Bis 2016 war „Altermedia“ die wichtigste Plattform für Rechtsextreme im deutschsprachigen Internet. Die Seite mobilisierte für Demonstrationen und Veranstaltungen, verbreitet Hetze und Gewaltaufrufe. Nach dem Verbot wurde „Altermedia“ am 27. Januar 2016 vom Netz genommen. Seit September 2017 standen die Betreiber_innen in Stuttgart vor Gericht. Am 08. Februar sind jetzt Urteile gefallen. Ein Mann muss für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. Drei Frauen wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt.

 
"Altermedia Deutschland" anno 2011: Hier wurde gerade das geschmacklose "Dönerkiller"-T-Shirt im Bezug auf den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) gefeiert. (Quelle: Screenshot, 2011)

Altermedia Deutschland“ war der erste Versuch der rechtsextremen Szene, ein „alternatives“ Medium zu schaffen und eine rechtsextreme Sicht und Deutung auf die Geschehnisse der Welt zu verbreiten. Mindestens ebenso wichtig wie die Texte der Website waren die Kommentarspalten und Foren, in denen rechtsextremer Lifestyle gepflegt wurde, toxische Hass-Erzählungen etabliert und von Gewalt, Umsturz und dem Ende der Demokratie geträumt wurde. Gewaltaufrufe, Volksverhetzung und Holocaustleugnung gehörten zum Alltag – kein Wunder also, dass das Interesse der Strafverfolgungsbehörden bald geweckt war. Interessant zudem: Ähnlich wie beim Thiazi-Forum sind auch hier viele der verantwortlichen Personen weiblich: Hetze im Internet ist ein „Dienst am Vaterland“, der sich eben gut mit einer häuslichen Orientierung oder Kindererziehung verbinden lässt und deshalb offenkundig von Anfang an für Frauen attraktiv war.

Der Prozess gegen die Betreiber_innen fand vor dem Oberlandesgericht Stuttgart statt. Die Anklage lautete auf Volksverhetzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Ursprünglich waren fünf Personen angeklagt, zwei davon als Betreiber_innen und Administrator_innen: Jutta V., eine Callcenter-Mitarbeiterin aus dem Kreis Lippe und Ralph-Thomas K., ein Informatiker aus dem Schwarzwald. In ihrer Funktion als Moderator_innen waren Uwe P., Irmgard T. und Talmara S. angeklagt.

Ralph-Thomas K. wurde unter anderem wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung für schuldig befunden und zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Für mehr als ein Jahr war K. verantwortlich für das Portal.

Auch drei der mitangeklagten Frauen wurden zu Haftstrafen zwischen acht Monaten und zwei Jahren verurteilt, allerdings auf Bewährung.

K.s Anwalt Alexander Heinig hatte die Vorwürfe gegen seinen Mandaten in seinem Schlussplädoyer am letzten Donnerstag noch als „absurd“ bezeichnet. Laut der „Stuttgarter Zeitung“ war Heinig Sänger in der Skinhead-Band „Ultima Ratio“ und half bei der mittlerweile aufgelösten Band „Noie Werte“ seines späteren Anwaltskollegen Steffen Hammer aus. Heute gilt Heinig als Szeneanwalt. Heinig argumentierte, dass zwar einige der auf „Altermedia“ veröffentlichten Inhalte „sicherlich“ unter den Straftatbestand der Volksverletzung fielen, K. könne dafür aber nicht verurteilt werden. Bei Berichten über Gewalt, die von Migranten ausging, sei er der Meinung, man würde „was dazu sagen dürfen“. Dabei dürfe man „auch mal Worte gebrauchen, die man sonst nicht gebraucht“. Laut Heinig sei das „maximal eine Beleidigung“, wie Prozessbeobachter Sebastian Lipp bei „Blick nach Rechts“ berichtet.

Im Prozess hatten sich die Bundesanwälte auf 30 besonders schwere Fälle konzentriert. Der Generalbundesanwalt bezeichnete „Altermedia“ als das führende rechtsextreme Internetportal im deutschspracheigen Raum. Es sei massenhaft rechtsextremes und nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet worden.

Belltower.News macht gemeinnützigen Journalismus, denn wir klären auf und machen das Wissen von Expert*innen zu Antisemitismus, Rassismus und
Rechtsextremismus und allen anderen Themen der Amadeu Antonio Stiftung für alle zugänglich.
Unsere Reportagen, Recherchen und Hintergründe sind immer frei verfügbar und verschwinden nie hinter einer Paywall. Dafür brauchen wir aber auch deine Hilfe.
Bitte unterstütze unseren Journalismus, du hilfst damit der digitalen Zivilgesellschaft!

Weiterlesen

2017-08-02-Monatueberblick-Hatespeech

Monatsüberblick Internet, Hate Speech, Fake News- Juli 2017

+++ Hate Speech vor Gericht +++ Amtsanwalt aus Rostock schreibt rechtsextreme Kommentare +++ Buddeberg: Botschafterin gegen Hasskriminalität im Netz – es ist wichtig, dass Opfer Anzeige erstatten +++ Hate Speech: Recht und Hetze +++ Hate-Speech vor der Sporthalle +++ „Wir retten hier Leben!!!“-Besuch bei Löschkommando Facebook +++ KiKA-Medienmagazin „Timster“ erhält „klicksafe Preis für Sicherheit im Internet +++ Twitter: Härteres Vorgehen gegen Missbrauch zeigt Wirkung +++ Meldestelle für Hate Speech startet – Jugendstiftung in Baden-Württemberg startet Neues Angebot +++ Fake News: Österreich zu Fake im Netz – Propagandaschlacht um den Brenner, „Gerade unseriöse Berichte sind beeindruckend erfolgreich“+++

Von
memes-3

Kreative, ans Werk! Memes als metapolitisches Mittel des extrem rechten Kulturkampfes

Memes und Metapolitik: Die junge Generation der (selbsternannten) „Neuen Rechten“ setzt auf gezielte Strategien, um ihre (potenziellen) Anhänger*innen anzusprechen und…

Von
2020-03-05-buch-tit

Buchtipp Wie Demokratie leidet, wenn Rechtspopulismus viral geht

Rechtsextremismus im Internet kommt nicht aus dem Internet und bleibt auch nicht dort. Aber in der medialen Verstärkung finden Rechtsextreme…

Von

Schlagen Sie Wissenswertes in unserem Lexikon nach.