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AfD (t)wittert das Ende der Meinungsfreiheit

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Beatrix von Storch twittert schon wieder. Besser wird es dadurch nicht. (Quelle: Screenshot Twitter, 03.01.2018)

 

 

Ab dem 1. Januar 2018 ist das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)“ vollumfänglich in Kraft – das heißt, nun können volksverhetzende oder Holocaust leugnende Internet-Postings in Deutschland nicht mehr nur den Netzwerken selbst gemeldet werden, weil sie gegen deren Gemeinschaftsstandards verstoßen. Sie können auch als Verstoß gegen das NetzDG gemeldet werden. Wenn Sie dann nicht innerhalb von 24 Stunden geprüft und gegebenenfalls vom Netz genommen werden, drohen den Netzwerkbetreibern hohe Strafen. Eine Gefahr dabei: Overblocking, das vorsorgliche Löschen von problematisch erscheinenden Inhalten, weil die Kapazitäten oder Qualifikationen fehlen, juristisch oder inhaltlich genug zu prüfen.

Zur Einführung des neuen Gesetzes gibt es in Rechtsaußen-Kreisen nun geradezu einen Wettkampf darum, wer zuerst und wie lange für was gesperrt worden ist – und das, obwohl mangels Transparenz seitens der Netzwerke weiterhin nicht nachvollziehbar ist, ob Inhalte wegen Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards oder wegen Meldung nach NetzDG gelöscht werden – oder aus anderen Gründen, wie etwa eine Besinnung beim Postenden selbst.

 

Gewonnen hat die AfD

Gewonnen hat den Wettkampf, zumindest in der medialen Ausschlachtung, wenig überraschend die AfD: Zwei ihrer prominenteren Rassistinnen, die Berliner stellvertretende Landesvorsitzende Beatrix von Storch und Bundestags-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, gelang es auf Twitter, mit rassistischen Postings am Rande der Legalität (Vokabeln wie „muslimische, gruppenvergewaltigende Männerhorden“ (Von Storch) oder u.a. „prügelnden, Messer stechenden Migrantenmobs“ (Weidel)) für ein paar Stunden gesperrt zu werden. Dankenswerterweise sind beide Postings auch vielfach angezeigt worden, so dass eine juristische Klärung der eben nicht immer leicht zu beantwortenden Frage „Volksverhetzung oder nicht“ zu erwarten ist.

Interessant außerdem: In beiden Postings ging es mitnichten um politisch relevante Beobachtungen der Damen, die eine gewisse Emotionalität der Antwort nahe gelegt hätte.  Es ging um einen schnöden Twitter-Post der Polizei Köln, der unter anderem auf Arabisch ein frohes neues Jahr wünschte. Könnte man sich dazu auch ohne Volksverhetzung äußern? Allerdings. Auch, wenn man es kritisch sieht.

Von Storch und Weidel wollten das offenbar nicht. Wurden daraufhin ihre Twitter-Accounts gelöscht? Wurden Sie für immer von Social Media-Aktivitäten ausgeschlossen? Nein. Von Storch konnte ein paar Stunden nichts auf Twitter posten, ihr Posting wurde – auch auf Facebook – gelöscht. Weidel wurde der eine Tweet gelöscht. Mehr nicht.

 

Bullshit-Bingo von Rechtsaußen: Stasi, Unterdrückung, Zensur

Trotzdem folgt am heutigen Tage die Pressemitteilung von AfD-Vorsitzendem Alexander Gauland: „Meinungsfreiheit ging 2017 zu Ende“ (wie erstaunlich, dass er die Pressemitteilung dann trotzdem veröffentlichen kann. Sogar im Internet). Danach folgt das erwartbare sprachliche Bullshit-Bingo der Rechtsaußen-Szene zum Thema: Zensur, Heiko Maas, freiheitsbeschneidend, Stasi-Methoden, Unterdrückung, Unterwerfung etc.

Wie verquer es in AfD-Köpfen vorgeht, zeigt auch Von Storchs (ungelöschtes) Folge-Statement auf Facebook: „Die Polizei in Köln folgt politischen Vorgaben, wenn sie jetzt gegen mich Anzeige erstattet. Die Anhänger der Multikulti-Agenda schließen sich dem natürlich an. Aber ich werde mich nicht mundtot machen lassen. Nicht von Merkel und nicht von Maas, nicht von den Linksextremisten, die die AfD bedrohen.“ Aha, also sind die Polizisten Linksextreme? Wird die AfD bedroht, wenn Frau von Storch nicht mehr twittern darf? Und warum darf sie dann weiter Sachen veröffentlichen, wenn sie mundtot gemacht wurde?

 

Kritik geht auch ohne Volksverhetzung

Was Rechtspopulist_innen nicht verstehen wollen: Sie dürfen ja alles kritisieren und skandalisieren, was sie wollen, auch in Sozialen Netzwerken. Sie dürfen dabei sogar völligen Unsinn schreiben, wenn Sie es für nötig halten. Aber sie dürfen dabei nicht: Volksverhetzung betreiben und die Grundrechte anderer Menschen verletzen. Und wenn sie nicht wissen, wo die Grenze ist, können sie entweder lieber sachlich argumentieren oder damit leben, dass sie ab und zu belangt werden, weil sie gegen geltendes Recht in Deutschland verstoßen haben. Recht, an dem sich übrigens durch das NetzDG nichts geändert hat. Alle Straftatbestände, die über NetzDG-Formulare gemeldet werden können, gab es auch schon zuvor.

Eines, was schon im Vorfeld kritisiert wurde, zeigt sich allerdings in den ersten Tagen mit NetzDG sehr deutlich: Bisher lag die Entscheidung, welche Äußerungen strafrechtlich relevant sind und welche nicht, bei Gerichten. Weil es mitunter sehr schwierig ist, darüber zu urteilen. Diese Entscheidungen auf Social-Media-Unternehmen zu übertragen, ist problematisch und überfordert Mitarbeitende dort offensichtlich. Der Beweis für das Problem fehlenden Kontextes wurde denn heute auch sofort erbracht:  Auf Twitter wurde der Kanal des Satiremagazins „Titanic“ gesperrt, der vorgab, nun Beatrix von Storch eine Twitter-Heimat gegeben zu haben,  und vorgeblich in ihrem Namen Tweets absetzte. Titanic will diese satirischen Tweets nun keinesfalls, wie von Twitter gefordert, löschen, sondern die Debatte um Zensur und NetzDG anfeuern.

Derweil lohnt es sich weiterhin, rassistische, antisemitische oder islamfeindliche Hass-Inhalte statt nach NetzDG einfach als Verstoß gegen die geltenden Gemeinschaftsstandards der Unternehmen zu melden, die in der Regel weitreichender sind als die deutschen Gesetze.

Wenn Unternehmen dann entscheidet, dass ein Verstoß vorliegt, werden die Inhalte im Zweifelsfalle nämlich nicht nur in Deutschland, sondern weltweit entfernt.

 

Auch lesenswert:

Sascha Lobo: Debakel um Hassrede-Gesetz: Die stumpfe Pracht des NetzDG

http://www.spiegel.de/netzwelt/web/netzdg-berechtigtes-getoese-um-ein-daemliches-gesetz-a-1185973.html

Patrick Beuth: Rechtswidrige Inhalte bei Twitter und Co. – Provozieren wie die Profis

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzdg-bei-twitter-und-co-provozieren-wie-die-profis-a-1185923.html

FAZ: So funktioniert das NetzDG

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/so-funktioniert-das-netzwerkdurchsetzungsgesetz-15370362.html

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