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Antisemitismus im Fußball Das Spiegelbild der Gesellschaft 

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Der Fußball ist ein Spiegel der Gesellschaft. Antisemitischen Narrative und Ressentiments existieren auch außerhalb des Stadions. Bei Fußballspielen ist jedoch die Gefahr groß, dass der tief sitzende Antisemitismus durch verschiedene Einflüsse „getriggert“ wird und ausbricht. (Quelle: Pixabay)

Am vergangenen Donnerstag trafen in der European Conference League der Berliner Bundesligist FC Union Berlin und der israelische Meister Maccabi Haifa aufeinander. Das Stadion der Berlin-Köpenicker ist für den europäischen Wettbewerb nicht zugelassen, daher mussten die Berliner in das Stadion des Lokalrivalen Hertha BSC umziehen, das Olympiastadion. Das Berliner-Olympiastadion wurde 1936 erbaut und für NS-Propagandaveranstaltungen genutzt. Maccabi Haifa sollte an jenem Donnerstag das erste israelische Team sein, das im Olympiastadion spielt. 

Was ist passiert?

Bereits zu Beginn des Spiels wurde eine Gruppe von Maccabi-Fans rassistisch als „Eselficker“ und homofeindlich als „schwul“ beschimpft. Die Fans des israelischen Meisters saßen in einem Block mit Union Fans. Nur kurze Zeit später wurde ein Auswärtsfan beim Getränke holen mit den Worten „Scheiß Jude“ und „Verpiss dich, du scheiß Jude“ beleidigt.

Nach dem 1:0 Führungstreffer für Union Berlin wurde erneut die Gruppe Maccabi-Fans mit Bierbechern und Zigarettenstummeln beworfen und körperlich angegangen. Ein großer Teil der Maccabi-Sympathisanten verließ daraufhin den Block und begab sich in Richtung des Gästeblocks. Den zurückgebliebenen Maccabi-Anhängern wurde eine Israelfahne entwendet, die anschließend verbrannt werden sollte. Drei Heimfans intervenierten jedoch rechtzeitig, sodass es wenigstens nicht zur Flaggen-Verbrennung kam.

Eine Zeugin beobachtete einen Besucher mit einem Tattoo der „Schwarzen Sonne“. Die Schwarze Sonne ist ein Erkennungssymbol der rechtsterroristischen und rechtsextremen Szene und beruht auf einer SS-Symbolik. Ein anderer Besucher des Fußballspiels rief mehrmals Sieg Heil und zeigte den verbotenen Hitlergruß, woraufhin er von der Polizei verhaftet wurde.

Auch nach dem Spiel kam es zu antisemitischen Anfeindungen durch Heimfans. Eine Gruppe von Maccabi-Sympathisanten wurde gefragt, ob „einer von euch noch ein wenig 74-90-8 in der Tasche“ habe. Die Zahlenkombination 74-90-8 bildet die Registrierungsnummer für Cyanwasserstoff, Wirkstoff des Giftgases Zyklon B. Mit Zyklon B wurde von 1941 bis 1945 in zahlreichen Konzentrationslagern mehrere Millionen Juden systematisch ermordet. 

Woher kommt der Hass?

Der Fußball ist ein Spiegel der Gesellschaft. Antisemitischen Narrative und Ressentiments existieren auch außerhalb des Stadions. Bei Fußballspielen ist jedoch die Gefahr groß, dass der tief sitzende Antisemitismus durch verschiedene Einflüsse getriggert wird und ausbricht. 

Alexander Rasumny, Referent für Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS), sieht einen Auslöser für die diskriminierenden und antisemitischen Beschimpfungen in der fehlenden Akzeptanz eines Fanlagers durch das andere und sagt gegenüber Belltower.News: Für die Feindseligkeiten war unter anderem ein territoriales Verhalten der Anlass. Die Union-Fans haben sich daran gestört, dass die Fanblocks nicht komplett nach Heim und Auswärtsfans getrennt und so in einigen Sitzbereichen auch Fans von Maccabi dabei waren“. In diesem Zusammenhang aktivierten einige Heimfans tiefsitzende antisemitische Ressentiments, so Rasumny.

Linus Pook, Gründer des Vereins democ. Zentrum Demokratischer Wiederspruch e.V, sieht außerdem ein Problem in dem „fußballtypischen Männlichkeitsgebaren“, welches bei Fußballspielen oft antisemitisch aufgeladen wird, gerade wenn die Opfer in das antisemitische Feindbild zu passen scheinen, so Pook im Gespräch mit Belltower.News

Reaktionen auf die Vorfälle

Der FC Union Berlin zeigte sich nach den Vorfällen entsetzt. Nur wenige Stunden nach dem Spiel verkündete der Präsident Dirk Zingler via Twitter: Dieses Verhalten ist beschämend und nicht tolerierbar. Es gilt wachsam zu bleiben und unermüdlich dagegen anzukämpfenMittlerweile hat der Verein einen mutmaßlichen Täter identifiziert und ein Vereinsausschlussverfahren eingeleitet, darüber hinaus versicherte Zingler, dass man mit dem Landeskriminalamt eng an einer Aufarbeitung arbeite. 

Auch Berlins Justizsenator Dirk Behrendt zeigte sich geschockt: „Antisemitismus darf auch im Fußball keinen Platz haben. Meine Solidarität gilt den Fans des israelischen Meisters Maccabi Haifa“. Die Polizei ermittelt gegen mehrere noch unbekannte Personen wegen des Verdachts der Volksverhetzung. 

Die Eingetragenen Union Fanclubs (EUFC) veröffentlichten eine Erklärung zu den Vorfällen des Conference-League-Spiels. In der Erklärung heißt es: „Fußball als verbindendes und versöhnendes Element sollte im Vordergrund stehen und zeigen, wie geschichtliche Gräben überwunden werden können“. Und weiter: „Die EUFCs erklären ihre uneingeschränkte Bereitschaft, bei der Aufklärung zuzuarbeiten und mitzuhelfen.“

Antisemitismus taucht im Fußball nicht nur bei Beteiligung einer israelischen Mannschaft oder jüdischer Spieler:innen auf: Im September 2021 kam es im Rahmen des Regionalligaspiels BFC Dynamo Berlin gegen die BSG Chemie Leipzig zu zahlreichen antisemitischen Anfeindungen gegen die Leipziger. Rasumny weiß zu berichten, dass die beiden Regionalliga-Vereine Chemie Leipzig und Carl Zeiss Jena, ohne jeden jüdischen Hintergrund, oft zur Zielscheibe von Antisemitismus werden. Antisemitismus ist nicht ausschließlich ein Problem von Union Berlin oder anderen Vereinen aus den neuen Bundesländern, es ist ein gesamtdeutsches Problem, betont Rasumny. 

Wie sollte Antisemitismus im Fußball bekämpft werden? 

Einige Vereine sind bereits bemüht gegen Antisemitismus und andere Formen der Diskriminierung präventiv vorzugehen. Die Bandbreite der Arbeit gegen die Diskriminierung von Minderheiten ist dabei vielseitig, von interner Bildungsarbeit bis hin zu öffentlichen Statements und öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Rasumny sieht dabei die Verantwortung auch bei den Vereinen: Es liegt an den Vereinen, was im Stadion toleriert wird, welche Kultur der Verein vorlebt und vor allem wie sehr diese Haltung dann mit Leben gefüllt wird.

Pook fordert mehr Verantwortungsbewusstsein bei den Fußballverbänden: Die Verbände sind hier gefragt, scharf und entschieden zu reagieren, solches Verhalten zu sanktionieren und auch die Vereine in die Pflicht zu nehmen. Antisemitismus lässt sich aber – auch im Fußballstadion – nicht einfach verbieten. Daher fordert er eine nachhaltige Bekämpfung von Antisemitismus durch langfristigen Bildungsangebote und kontinuierliche zivilgesellschaftliche Präventionsarbeit. 

Viele Fanprojekte gehen hier, zum Beispiel mit Bildungsreisen, wichtige Schritte. Auch aus den Vereinen und Fangruppen gibt es in den letzten Jahren wiederholt Signale, dass Antisemitismus nicht toleriert wird. Ich denke dabei beispielsweise an die Annahme der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus durch mehrere Vereine oder Aktionen gegen Antisemitismus von verschiedenen Ultra-Gruppierungen. Die Verbände sind in der Pflicht, diese Entwicklung und Aktionen und nachhaltige Bildungsangebote gegen Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und Homofeindlichkeit zu fördern, so Pook. 

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