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Arbeit gegen Rechtsextremismus Was steht im Demokratiefördergesetz aus der Zivilgesellschaft? 

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Die Zivilgesellschaft hat zum Demokratiefördergesetz erprobte Ideen aus der täglichen Praxis. Wird der Bundestag sie mitgestalten lassen? (Quelle: flickr.com/Jesús Antonio Vizcaíno Jiménez / CC BY 2.0)

Was machen Sie, wenn der Nachbar, der das Haus nebenan gekauft hat, sich als Neonazi herausstellt? Wenn die Tochter von Freund*innen rassistisch beschimpft und geschubst wurde – und nun Angst vor ihrem Schulweg hat? Gut, wenn es dann erreichbare, verlässliche Beratungsstrukturen gibt, am besten mit erfahrenen Mitarbeiter*innen, die sich gut auskennen. Solche Arbeit leisten etwa Mobile Beratungsteams gegen Rechtsextremismus oder Opferberatungsstellen – die bisher alle paar Jahre wieder begründen müssen, warum ihre Arbeit gut und wichtig ist, auch wenn ihre Methoden inzwischen seit 20 Jahren erprobt und bestätigt sind. Geförderte Arbeit für Demokratie hat in Deutschland aktuell immer Projektcharakter, des Öfteren sogar Modellprojekt-Charakter: Immer muss etwas Neues ausprobiert werden, obwohl wirksame Methoden bereits bekannt sind. Projekte sind zeitgebunden, mit Unsicherheiten belegt – so wird kontinuierliche Arbeit erschwert, gute Expertise geht verloren.

Ändern könnte das ein lang ersehntes und noch länger bearbeitetes Demokratiefördergesetz.  Anfang 2023 soll es endlich in Kraft treten. Damit wird eine Handlungsempfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses umgesetzt, die bereits 2017 im Bundestag fraktionsübergreifend beschlossen wurde. Inzwischen ist allerdings klar: Es wird ein Rahmengesetz für die bisher bestehende Projektförderung verschiedener Bundesministerien, das, so Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen), für den Alltag der Projekte nichts ändern werde.

Das allerdings sind keine guten Nachrichten, denn die Zivilgesellschaft wünscht sich Änderungen, die in ihrem Alltag spürbar sind. Deshalb hat die „Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung“ (BAGD), ein Zusammenschluss von über 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen, nun einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Er soll zeigen, was im Demokratiefördergesetz geregelt sein müsste, um Projekten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus die angekündigte Planungssicherheit zu geben. Grit Hanneforth, Geschäftsführerin des Bundesverbands Mobile Beratung (BMB), erklärt auf der Pressekonferenz am Dienstag, dem  27. September 2022 in Berlin: „Unser Gesetzesentwurf steht nicht in Opposition zum geplanten Demokratiefördergesetz – es ist eher eine Konkretisierung, damit die Zivilgesellschaft ihre Kompetenzen einbringen und verlässlich arbeiten kann.“

 Der Gesetzesentwurf der Zivilgesellschaft fordert:

  • Gefahr benennen! Das Gesetz muss konkrete Demokratiegefährdungen benennen – wie Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und andere Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – und klar machen, aus welchen Richtungen die Demokratie angegriffen wird.

 

  • Etablierte Projekte verstetigen und benennen! Das Gesetz benennt eindeutige Fördergegenstände. Dazu gehören die Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die Ausstiegsberatung und ihre jeweiligen Dachverbände sowie die Kompetenznetzwerke, die bundesweit verschiedene Formen von Demokratiefeindlichkeit bearbeiten, und die Partnerschaften für Demokratie vor Ort.

 

  • Zivilgesellschaft ernsthaft beteiligen: Das Gesetz regelt verbindlich, dass die Zivilgesellschaft an der Erstellung und Umsetzung der Förderrichtlinien beteiligt wird, um sinnvolle und möglichst wenig bürokratische Arbeitsschritte zu ermöglichen. Denn die Richtlinien werden ausschlaggebend dafür sein, unter welchen Bedingungen die Fördergelder bei welchen Trägern landen.

 

  • Mindestfördersumme festschreiben: Für die Umsetzung des Demokratiefördergesetzes wird eine jährliche Summe von 500 Millionen Euro vorgesehen.

Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, erläutert: „Die engagierte Zivilgesellschaft braucht Planungssicherheit, die kleinteilige Projektitis muss aufhören. Wir brauchen eine Demokratieinfrastruktur, auf die sich Engagierte und Betroffene rechter Gewalt verlassen können. Ein klar abgestecktes und finanziell unterlegtes Demokratiefördergesetz ist auch die Ansage an den organisierten Rechtsextremismus, dass die demokratische Gesellschaft ihm die Stirn bietet.“

Außerdem wäre die Politik gut beraten, die Expertise der Zivilgesellschaft zu beachten: „Bisher werden wir beteiligt, aber nicht einbezogen.“ Robert Kusche, Vorstand im Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG), bekräftigt: „Wir machen wichtige Arbeit, sind aber dabei schlecht aufgestellt.“ Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und rechtsterroristischen Attentaten benötigten langfristige, solidarische und professionelle Beratungsstrukturen: „Dies ist nur mit einer gesetzlichen Grundlage möglich. Es geht darum, die Arbeit langfristig abzusichern. Nur so können wir den mannigfaltigen Herausforderungen gerecht werden.“

Den Gesetzesentwurf der Zivilgesellschaft finden Sie hier:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2022/09/dfoerdg_entwurf_bagd.pdf

Der Gesetzesentwurf der Regierung ist noch nicht veröffentlicht, liegt aber vereinzelt der Presse vor. 170 zivilgesellschaftliche Initiativen konnten dazu Stellungnahmen einreichen – wie viele Ideen und Forderungen davon ins Gesetz eingeflossen sind, ist noch unklar. Im Entwurf steht: „Im Zentrum steht dabei insbesondere die dringend notwendige Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen und die damit verbundene nachhaltige Absicherung der Fördermaßnahmen.“ (vgl. Presse Augsburg).

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