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CDU-Kandidat Hans-Georg Maaßen, der umstrittene Direktkandidat in Thüringen

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Hans-Georg Maaßen (CDU) gewinnt in der Wahlkreisvertreterversammlung der CDU-Kreisverbände in Südthüringen die Abstimmung. (Quelle: picture alliance/dpa | Michael Reichel)

Hans-Georg Maaßen wurde am 30.04.2021 zum Direktkandidaten der CDU  in Süd-Thüringen gewählt. In dem konservativen bis rechten Wahlkreis hat der ehemalige Verfassungsschutzpräsident gute Chancen. Doch seine Wahl stößt auf Kritik, auch innerhalb der Partei.

Ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit geriet Hans-Georg Maaßen, damals noch Präsident des bundesdeutschen Verfassungsschutzes, nachdem er eine Hetzjagd auf migrantisch gelesene Menschen in Chemnitz 2018 als „Falschinformation“ abtat. Er erklärte damals, der Verfassungsschutz habe keine „belastbaren Informationen“ darüber, dass diese, auf Video gefilmte Jagd tatsächlich stattgefunden habe: „Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist“, so Maaßen in einem Interview mit der Bild-Zeitung. Diese Aussagen waren ein gefundenes Fressen für Rechtsextreme und Verschwörungsideolog*innen. Unter Druck der Öffentlichkeit wurde der Verfassungsschutzpräsident  in den einstweiligen Ruhestand versetzt. „Eigentlich war ich derjenige, gegen den eine ‚Hetzjagd‘ stattgefunden hat.“, erklärt er später der FAZ. Aber damit hatte weder seine problematische Positionierung begonnen, noch seine Karriere geendet.

Rassismus ab Tag Eins

Bereits 1997 fallen in seiner juristischen Dissertation an der Kölner Universität fallen Begriffe wie „Asyltourismus“ und „unkontrollierte Massenzuwanderung“. Maaßen plädiert für eine restriktivere Flüchtlingspolitik. Dementsprechend äußert er sich bis heute: „Ich bin vor dreißig Jahren nicht der CDU beigetreten, damit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen.“, erklärt Maaßen 2019 bei einer Veranstaltung der WerteUnion. Seit 2019 ist Maaßen Teil des als rechtskonservativ geltenden Flügels der CDU/CSU. Die WerteUnion ist vor allem für ihre restriktive Migrationspolitik bekannt. Sie spricht von „europäisch-deutscher Leitkultur”und fordert in diesem Zuge „Assimilation” von Muslim*innen und Migrant*innen. Im Bundesinnenministerium zeigte er bereits kurz nach seiner Dissertation, wie diese Politik in der Realität aussehen kann: 2002 befasst sich Maaßen als Referatsleiter für Ausländerrecht mit dem Fall Murat Kurnaz. Der Bremer wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 nach Guantánamo entführt und gefoltert. Maaßen verfasste ein Rechtsgutachten, dem nach Kurnaz Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland auf Grund seiner türkischen Staatsangehörigkeit nach sechs Monaten im Ausland erloschen sei. Kurnaz wurde erst 2006 wieder entlassen.

Hans-Georg Maaßen und der Kampf gegen die Presse

Auch durch seine Ausfälle gegen die Presse fällt Maaßen immer wieder auf. Bereits 2015 erstattete der damalige Verfassungsschutzchef Strafanzeige wegen Landesverrats gegen den Blog netzpolitik.org, da diese aus vertraulichen Verfassungsschutzunterlagen zitiert hatte. Als er im NSA-Ausschuss über Spionage der USA in Deutschland berichten sollte, diskreditierte er vor allem den Whistleblower Edward Snowden. Es sei plausibel, dass Snowden ein russischer Agent wäre. Regelmäßig tweetet er außerdem implizite oder explizite Unterstellungen, die Presse sei korrupt und im „linksextremistischen Sinne“ beeinflusst, ohne seine Behauptungen zu untermauern.

Maaßen unterstellt der Tagesschau linksextrem beeinflusst zu sein. [Quelle: Screenshot twitter @HGMaassen]
Über seinen Twitteraccount mit fast 83.000 Follower*innen teilt er jedoch unkritisch rechtsalternative und populistische Medien, von tichyseinblick über the germanz bis zum rechtsradikalen Blog Journalistenwatch. Dabei bewies er mitunter schlechte Medienkompetenz und fiel zum Beispiel auf die Meldung des Fake-Magazins Mediamass rein, als dieses behauptete, der Satiriker Böhmermann würde 96 Millionen US-Dollar im Jahr verdienen (Also mehr als Elton John 2020).
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Sympathien mit und von Rechtsaußen

Es überrascht nicht, dass Maaßen Gleichgesinnte in der AfD gefunden hat. Als Verfassungsschutzchef pflegte er Beziehungen zu Frauke Petry (Parteisprecherin der AfD 2013 – 2017) und Alexander Gauland (Parteisprecher der AfD 2017 – 2019), berat mutmaßlich die Partei, wie sie einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen könne und überprüfte auf Bitte Gaulands hin ein AfD-Mitglied auf dessen Russland-Kontakte.

Maaßen fordert von Merkel Dankbarkeit für Orbans „Grenzschutz“ [Quelle: Screenshot twitter @HGMaassen]
Dementsprechend setzt sich auch seine Fangemeinde zusammen. Der Softwareentwickler Johannes Filter analysierte den Twitteraccount Maaßens und stellte fest: Accounts, die Maaßen retweeten, verbreiten ansonsten vor Allem rechtsalternative, rechtsradikale und rassistische Posts, nicht etwa Beiträge aus dem Spektrum CDU. Auch nachdem er den Verfassungsschutz verlassen muss, stellten sich vor allem AfD-nahe Accounts, wie Erika Steinbach mit dem Hashtag #wirsindmassen hinter ihn. Seine Stoßrichtung scheint Maaßen bewusst zu sein. Er gab bereits der rechtsradikalen „Jungen Freiheit“ Interviews, traf sich mit Reportern des rechtsexremen „Compact-Magazins“ und „Journalistemwatch“.

Alte Feindbilder, neue Polemik

2018 schied Maaßen als Verfassungsschutzchef aus. Sein vorläufiger Ruhestand dauerte jedoch nicht lange. Erst kürzlich befürwortete Maaßen auf Twitter die Videokampagne #allesdichtmachen, in der sich Künstler*innen über Coronaschutzmaßnahmen beschwerten und kritisierte die angebliche „Verbotsorgien“. Passend dazu bedient sich Maaßen verschwörungsideologischer Narrative und Phrasen. Merkel gehöre beispielsweise wegen ihrer Politik strafrechtlich verurteilt oder würde kritische Stimmen diskreditieren, twitterte Maaßen alleine in diesem Jahr.  Er scheint nahezu besessen davon, Merkel als unfähig und kriminell darzustellen. Fast täglich twittert er zu diesem Thema..

Maaßen lobt die Kampagne #niewiederaufmachen von verschiedenen Künstler*innen, in der die Coronaschutzmaßnahmen als lächerlich dargestellt wurden [Quelle: Screenshot twitter @HGMassen]
Aber er wird auch deutlicher. Im Februar 2020 schreibt er: „Mit dem Labor in Wuhan verhält es sich wie mit dem Atomkraftwerk in dessen Umfeld zahlreiche Menschen an Leukämie sterben. Natürlich könnte es auch daran gelegen haben, dass sie verstrahlte Fledermäuse auf dem Markt gekauft haben. Jedenfalls, wenn man best. Medien glauben würde“. Er folgt damit Trumps Wahn einer Chinesischen Biowaffe.
Maaßen verbreitet Trumps Narrativ, Covid 19 sei in einem chinesischen Labor entstanden [Quelle: Screenshot twitter @HGMaassen]

Vor wenigen Tagen, am 09. Mai 2021 geriet Maaßen erneut in Kritik. Bei Anne Will warf ihm im Beisein Armin Laschets (CDU, Ministerpräsidenten NRW) die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer vor, „rassistische, antisemitische, identitäre und übrigens auch wissenschaftsleugnerische Inhalte“ zu verbreiten. Der Antisemitismusvorwurf traf bei Laschet und später bei Maaßen (der nicht Gast der Talkshow war) auf Empörung.

Was ist dran am Vorwurf?

Zwar spricht Maaßen nicht explizit von Juden, aber antisemitische Chiffren  verbreitet er trotzdem: Er spricht mehrmals von einem vermeintlichen „Great Reset“. Der Begriff bezeichnet die Fantasie, eine globale Finanzelite würde die Weltwirtschaftsordnung zurücksetzen wollen. Dabei argumentiert er ironischer Weise mit einer Gefährdung der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung (FDGO), die durch einen Versuch des „Great Resets“ durch Umweltschützer*innen gefährdet sein. Im gleichem Atemzug zweifelt er den Klimawandel an, so wie er es auch auf Twitter bereits getan hat.

Maaßen leugnet als Mitglied der „WerteUnion“ den menschgemachten Klimawandel [Quelle: Screenshot twitter @HGMaassen]

Das ist nicht der einzige antisemitische Code den Maaßen nutzt: „Globalisten“ würden die „gewöhnlichen Menschen“ verachten und ihres „bürgerlichen Lebens“ berauben wollen. Damit fantasiert er von einer einheitlichen Gruppe, die mit einem gemeinsamen Weltbild im gesellschaftlichen Hintergrund die Gesellschaft bedroht. Das ist ein klassisch antisemitisches Narrativ. Dementsprechend warnt er auch auf Twitter vor einer „Neuordnung der Weltpolitik“. Ganz im Sinne einer angeblichen jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung impliziert er außerdem, hinter der Wahl Bidens ständen Sozialist*innen, die auf Bidens Handlungsunfähigkeit spekulierten, um dann die Macht zu übernehmen.

Maaßen spricht von gefährdenden „Globalisten“ [Quelle: Screenshot twitter @HGMaassen]
Maaßen impliziert, Merkel wolle eine „Neuordnung der Weltpolitik“ einleiten. [Quelle: Screenshot twitter @HGMaassen]

Wir haben schon zweimal versucht, die Welt zu retten und es ist schief gegangen”

Nun macht auf Twitter ein Video die Runde, dass Maaßen einmal mehr in eine Ecke rückt, die deutlich weiter rechts ist, als es der Union lieb sein kann. „Es gibt grüne Politiker, die schon seit Jahren gegen Deutschland agitieren. Für mich ist das ein Rassismus gegen die eigene Nation, den die Grünen hier betreiben“, sagt Maaßen in dem Clip, der Teile eines Gesprächs vom 08. Mai 2021 mit Peter Weber für das rechts-alternative Portal “Hallo Meinung” ist.

„Die sozialistische Bewegung, die eine zutiefst totalitäre Denkweise hat“, habe neue Themen zur Mobilisierung gefunden, die da wären Klima, Ökologie sowie „Antirassismus und die Black Lives Matter-Bewegung“, meint Maaßen. Weiter sollten keine Maßnahmen mit Blick auf den Klimawandel „initiiert“ werden – mit „unabsehbaren Folgen für die Menschen und unsere Ökonomie“. Schließlich sei Deutschland nicht alleine am Klimawandel beteiligt, verantwortlich, sondern die ganze Welt. „Und wir können nicht die Welt retten, wir haben es schon zweimal versucht, die Welt zu retten, und es ist jedes Mal schiefgegangen.“ Was er damit meint, Deutschland habe schon zwei mal versucht die Welt zu retten, sei aber zweimal gescheitert, wissen wir nicht. Aber wir können es uns denken.

Und jetzt?

Aber warum wird Maaßen trotz alledem aufgestellt? Natürlich profitiert Maaßen vom Rücktritt Mark Hauptmanns, dem eigentlich schon aufgestellten CDU-Kandidaten im Wahlkreis, der wegen Verstrickungen in die Maskenaffäre der Partei alle Ämter niederlegen musste. Dazu tritt er eben nicht trotz, sondern wegen alledem an. Maaßen  passt sehr gut in den Wahlkreis, der zwischen CDU und AfD hin und her pendelt. „Ich werde als Symbol wahrgenommen“, sagt er. „Die Leute sehen, dass ich es teuer bezahlt habe, meine Meinung zu sagen“, erklärte Maaßen kurz nach seinem Abschied vom Verfassungsschutz dem Tagesspiegel.

Anmerkung der Redaktion: der Text wurde am 11.05.2021 ergänzt.

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