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Corona-Proteste Austauschbare Inhalte, gefestigte Kernideologie  

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In Dresden nahmen etwa 1.300 Personen an der Demonstration teil.
In Dresden nahmen etwa 1.300 Personen an der Demonstration teil. (Quelle: Recherchenetzwerk Berlin)

Am vergangenen Wochenende, vom 17. bis 19. Juni 2022, fanden in Dresden und Berlin wieder einmal Proteste gegen die Coronamaßnahmen statt. Beide Veranstaltungen wurden aus Bündnissen verschiedener Gruppen Verschwörungsgläubiger, Impfgegner:innen und Reichsbürger:innen organisiert. Angesichts der schwindenden Corona-Maßnahmen haben Gruppierungen aus dem Kontext der Corona-Demos zunehmend mit der Schwierigkeit zu kämpfen, ausreichend Menschen für die Proteste zu mobilisieren. Das Ringen um die Unterstützung ihrer Anhänger:innen scheint zunehmend zu einer Herausforderung für die Protestbewegung zu werden. Dennoch schaffen es Veranstalter:innen Mal um Mal, einen harten Kern verschiedener Gruppen zu mobilisieren. 

 

Berlin 

Am Freitag, den 17. Juni 2022, versammelten sich etwa 200 Demonstrierende vor dem Bundestag in Berlin. Trotz der für die Veranstalter:innen wohl enttäuschend geringen Teilnehmer:innenzahl, war das volle Spektrum von Verschwörungsgläubigen, über Impfgegner:innen bis Reichsbürger:innen vertreten. Angemeldet wurde die Veranstaltung vor dem Bundestag als sogenannter „Deutschlandkongress“ von Ralph T. Niemeyer („Die Basis“). Ebenfalls anwesend waren Anhänger:innen und Vertreter:innen der „Gelben Westen Berlin“, „Deutschlandfrage“ und der Corona-Protest-Gruppe „Freedomparade“. Verschiedene Redner verbreiteten bei der Kundgebung die gewohnten Verschwörungsideologien und antisemitische Narrative. Arzt und Ex-AfD Politiker aus Baden-Württemberg Heinrich Fiechtner stimmte lautstark „Die Gedanken sind frei“ an und behauptete, auf den Bundestag deutend, „die Herrschaften da drüben“ seien „gar nicht eigentliche Repräsentanten des Volkswillens“. 

Der Tag der Demonstration wurde wohl auch wegen des geschichtsträchtigen Datums gewählt. Am 17. Juni 1953, kaum vier Jahre nach der Gründung der DDR, kam es zu einem Volksaufstand für freie Wahlen und die Wiedervereinigung Deutschlands. Dem SED-Regime war es damals nur mithilfe sowjetischer Panzer möglich, den Aufstand zu beenden. Nun, im Jahr 2022, versuchten also keine Kämpfer:innen für, sondern Feinde unserer Demokratie das Datum zur Mobilisierung im vermeintlichen Einsatz für die Grundrechte zu nutzen. Von Reichsbürger-Flaggen und QAnon-Symbolik bis zu den üblichen Schriftzügen ‚Lügenpresse‘ und ‚Hände weg von den Kindern‘, trotz aktuell sehr geringen Corona-Maßnahmen, führt ein harter Kern radikalisierter Gruppen den Protest fort. 

 

Dresden

In Dresden zogen am Samstag, den 18. Juni etwa 1.300 Personen verschiedener Gruppen durch die Innenstadt. Unter dem Motto „Tag für Frieden und Freiheit“, widmete sich der Protest einer ganzen Bandbreite von Themen, die sich seit Beginn der Pandemie zum Bindeglied demokratiefeindlicher Strukturen entwickelt haben: ‚Coronadiktatur’, Impfpflicht, Kinderrechte, Selbstbestimmung und Frieden mit Russland. Im Vorfeld gab es eine breite Mobilisierung verschiedener lokaler Gruppen, darunter „Querdenken Dresden“, „Freie Linke“, „Eltern stehen auf“, „Studenten stehen auf“, sowie der neu gegründeten rechtsextremen Regionalpartei „Freie Sachsen“.  Auch Szene-Promis, wie die rechtsextreme Sängerin Runa waren vor Ort, sie postete ein Bild mit den Hashtags „Widerstand” und „Patriotin” bei Instagram.

300 Beamt:innen der Polizei waren über den Tag im Einsatz. Etwa 70 Personen versammelten sich zum Gegenprotest, zu Auseinandersetzungen kam es nicht. Medienberichten zufolge wurden Ermittlungsverfahren gegen zwei Demonstrierende eingeleitet: Wegen Volksverhetzung, weil ein Mann ein T-Shirt einem blauen Davidstern und der Aufschrift „ungeimpft“ trug und wegen Billigung von Straftaten, weil eine Frau eine Flagge mit dem prorussischen „Z-Symbol“ mit sich trug. 

Wie  das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) berichtet, scheute „Freie Sachsen“ Gründer und Vorsitzender Martin Kohlmann nicht davor, die eigene Radikalität in seiner Rede zum Ausdruck zu bringen, indem er sich für den „Säxit“, mehr Autonomie für Sachsen, Stärkung der „Sächsischen Heimat“ und der Abkehr der vermeintlichen „Planwirtschaft“ stark machte. Von Demonstrierenden erhielt Kohlmann für diese radikalen Forderungen Applaus. Bei der Kundgebung waren ebenfalls Aktivist:innen des rechtsextremen „Compact Magazins“ und verschiedene bekannte Rechtsextreme mit Verbindungen zur Kleinpartei der „III. Weg“ vor Ort. 

Bei über 30 Grad Hitze und einer 9 km langen Demonstrationsroute, brauchte es am vergangenen Samstag besonderer Motivation und Durchhaltevermögen. Vermutlich lag es auch daran, dass nur ein Bruchteil der Teilnehmenden am Ende der Veranstaltung auf dem Dresdner Neumarkt ankam, wo eine große Überraschung angekündigt war. Diese zeigte sich dann um 20 Uhr, als ca. 50 Tauben in die Freiheit entlassen wurden. 

 

Kein Grund zur Freude

Sowohl in Berlin, als auch in Dresden ist es nicht die Teilnehmer:innenzahl die zu Denken gibt, sondern die Zusammensetzung der Anwesenden, die besonders auffällt. Das JFDA reflektiert die Ereignisse in Dresden zutreffend, denn, wenn Reichsbürger:innen, Freie Linke, Alt-Nazis, junge Rechtsextremisten, Esoteriker:innen und friedensbewegte Altlinke zusammen demonstrieren, zeigt sich, „dass die propagierten Inhalte weitestgehend nebensächlich sind“. Stattdessen wurde hier erneut deutlich, dass vor allem eine gefestigte Verschwörungsideologie im Kern der Bewegung steht. Diese ist uns bleibt geprägt von antisemitischen Narrativen und demokratiefeindlichen Denkmustern. 

Obwohl die Anzahl der Demonstrierenden im Vergleich zu ähnlichen Protestaufrufen in der Vergangenheit also deutlich geringer ausgefallen ist, ist das kein Grund zur Freude. Ganz im Gegenteil, Verweise auf den Nürnberger Kodex, die Rede von „Volksverrätern“, „Lügenpresse“, Neonazi-Symbolik, Russlandsympathie, Politiker:innen in schwarz-weiß gestreifter Sträflingskleidung und Drohungen gegen Journalist:innen zeigen, dass die Ablehnung demokratischer Grundwerte am vergangenen Wochenende auf verschiedensten Stufen der Radikalität zum Ausdruck kam und vorerst kein Ende dieser demokratiegefährdenden Bewegung zu erwarten ist. 

 

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