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Diskurs Warum wählen Menschen die AfD? 

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Rassismus ist keine Alternative, aber die Alternative für Deutschland wird gewählt aus Rassismus. Symbolbild aus Hamburg, 2018 (Quelle: flickr.com/ Rasande Tyskar / CC BY-NC 2.0)

Nach den Wahlerfolgen von Sonneberg und Raguhn-Jeßnitz kommen die Umfragen, in denen die AfD stärker und stärker zu werden scheint. Warum?

Die AfD ist 2023 eine Partei, die als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet wird und sich passenderweise auch permanent rassistisch, islamfeindlich, demokratiefeindlich, antisemitisch, wissenschaftsfeindlich, antifeministisch und insgesamt nationalistisch und abwertend äußert. Offenbar stört das aber ihre Wähler*innen und ihre Sympathisant*innen nicht, sondern motiviert sie sogar. Warum ist das so? Dazu gab es in den letzten Wochen verschiedene Thesen – unter Expert*innen und Politiker*innen ebenso wie unter AfD-Wähler*innen. Hier ein Überblick.

Heute: Politiker*innen, Presse-Kolumnist*innen, AfD-Wähler*innen

Reaktionen von Politiker*innen

Friedrich Merz, Bundesvorsitzender CDU (t-online)

  • „Die Grünen sind der Hauptgegner der Union.“
  • „Die Grünen sind dafür verantwortlich, dass diese Polarisierung um die Energiepolitik, um die Umweltpolitik in dieser Weise entstanden ist. Deswegen werden für uns auf absehbare Zeit auch die Grünen die Hauptgegner sein in dieser Bundesregierung.“
  • Das Heizungsgesetz habe viele Menschen in Deutschland verunsichert.
  • Als weiteres Konfliktfeld mit den Grünen nannte Merz eine „bevormundende, moralisierende Außenpolitik„.

Andy Grabner, CDU-Landrat des Landkreises Anhalt-Bitterfeld (taz)

  • „Wenn die Politik, die momentan die Ampel-Regierung vollzieht, so bestehen bleibt, werden das nicht der letzte Bürgermeister und der letzte Landrat der AfD gewesen sein.“
  • Die AfD-Wähler*innen seien keineswegs alle Rechtsradikale. „Da sind ganz normale Menschen von nebenan – wie du und ich.“

Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident Sachsen (taz)

  • „In diesem Land gerät etwas ins Rutschen.“
  • Die Menschen seien verstört, wie Politik gemacht werde in Deutschland.
  • „Wir sind auf dem Weg in eine Polarisierung, wie wir sie aus Amerika kennen. Die Debatte der vergangenen Woche hat nicht erkennen lassen, dass alle das begriffen haben.“
  • „Energiewende, Heizungsgesetz, Flüchtlingspolitik und Russland-Embargo haben der AfD den Sieg gebracht. Diese Themen drohen die Gesellschaft zu zerreißen.“

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident Sachsen-Anhalt (tagesschau)

  • „Die AfD kann behaupten, sie können die Probleme lösen, aber sie mussten das noch nie nachweisen.“
  • Man müsse den Menschen klarmachen, dass die Partei die freiheitlich, demokratische Grundordnung beseitigen und mit „simulierter Bürgernähe“ darüber hinwegtäuschen wolle.
  • Als eigenen Lösungsansatz, um das Vertrauen in die etablierten Parteien wieder zu stärken, kündigte Haseloff an, die Dinge beim Thema Migration künftig klarer benennen zu wollen. Er zeigte etwa Verständnis für den Ärger über einige Flüchtlinge, die Wohnraum und Leistungen bekämen, obwohl sie nach deutschem Recht nicht legal in Deutschland seien. „Das ist ein Thema, bei dem wir deutlich sagen müssen, was wir da vorhaben.“

Jan Redmann, Vorsitzender der CDU Brandenburg (b.z.)

  • AfD-Erfolg fußt auf „Abstiegsängsten vieler Bürger“
  • Es sei zu einfach, zu sagen: „Mit den Rechtsextremisten reden wir nicht. Wir müssen sie zwingen, Antworten auf die Probleme vor Ort zu geben. Da fehlen der AfD die Konzepte.

Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident Thüringen (mdr, ZDF

  • Die Sonneberger hätten sich entschieden, ein Signal zu geben.
  • Zur gemeinsamen Wahlempfehlung über die Parteigrenzen hinweg, sagte Ramelow, dass er nicht ausschließen könne, das mancher das als Bevormundung empfindet.
  • Deutliche Kritik äußert Ramelow an der Medienpräsenz der letzten Wochen in der Region. Er habe das Gefühl, dass immer, „wenn im Osten etwas sehr Schreckliches, Negatives, Unangenehmes“ geschehe, dies geradezu „als widerlich wahrgenommen werde“ und dann „über uns sehr intensiv“ berichtet werde – bei positiven Ereignissen nicht.
  • „Wir müssen den Geist der Deutschen Einheit neu definieren.“
  • Das bedeute, man müsse „die Ostdeutschen mitnehmen und nicht das Gefühl auslösen, dass über sie gelacht wird oder über sie nur geredet wird“.

Georg Maier (SPD), Thüringens Innenminister (ZDF)

  • Der Ausgang der Landratswahl in Sonneberg zeige, dass weder Wahlaufrufe gegen die AfD noch deren Beobachtung durch den Verfassungsschutz Menschen davon abhielten, diese Partei zu wählen.
  • Konkrete Sachpolitik sei das Mittel, um die AfD zu bekämpfen. Maier appellierte an die rot-rot-grüne Koalition und die CDU in Thüringen, „einen Modus zu finden, um die politische Selbstlähmung des Landtages zu überwinden“.
  • Bei allen Plänen zur Bewältigung von Krisen soll eine soziale Abfederung mitgedacht werde – ob Heizungsgesezt oder Aus für Verbrenner-Motoren.
  • „Wir haben da wirklich eine Überforderung vieler Menschen gehabt.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) (ZDF)

  • Die gestiegenen Umfragewerte für die AfD seien vorübergehend, er sei „ganz zuversichtlich“.
  • „Sie werden bei der nächsten Bundestagswahl nicht anders abschneiden als bei der letzten.“
  • Ziel aller anderen Parteien im Bundestag sei es, „dass wir für das werben, was für die Zukunft dieses Landes wichtig ist, dabei die Bürgerinnen und Bürger überzeugen.“
  • „Und die übergroße, riesige Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes hat nichts am Hut mit irgendwelchen extremistischen Positionen.“

Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern (t-online)

  • Viele Bürger*innen hätten große Sorgen, was da auf sie zukomme, sagte sie weiter und warnte: „Die AfD nutzt die Frustration und Verunsicherung als großes Mobilisierungsthema, es besteht die Gefahr, dass es auch die nächsten Wahlkämpfe bestimmen wird.“
  • Schwesig kritisierte zudem, dass das „ganze Thema Klimaschutz“ durch die Debatte um das Heizungsgesetz beschädigt worden sei.

Wolfgang Tiefensee (SPD), Landeswirtschaftsminister Thüringen (Handelsblatt)

  • Demokratische Parteien sollen den Fokus stärker auf die AfD-Wähler*innen legen, die der Programmatik der Partei aus seiner Sicht häufig gar nichts abgewinnen könnten, aber aus Unzufriedenheit dennoch mit ihr sympathisierten.
  • „Die Leute kann man zurückgewinnen, wenn man offen und ehrlich argumentiert und vor allem konstruktiv politisch handelt.“
  • Wirtschaft in Verantwortung: „Ich appelliere daher bei jeder sich bietenden Gelegenheit, zum Beispiel an die Geschäftsführer von Unternehmen, sich nicht wegzuducken, sondern aktiv den Diskurs zu suchen.“

Ann-Sophie Bohm und Max Reschke (Die Grünen), Landesvorsitzende Die Grünen Thüringen

  • „Das Ergebnis lässt mich fassungslos zurück.“
  • Die Mehrheit der Wähler*innen im Kreis Sonneberg hätte damit das Amt des Landrates „in die Hände einer Partei gelegt, deren politische Agenda die gesellschaftliche Spaltung ist“.
  • „Wir haben uns trotz aller inhaltlichen Differenzen hinter den CDU-Kandidaten gestellt“, doch dies habe nicht gereicht. Teile der Bevölkerung im Kreis Sonneberg hätten sich „bewusst für das ‚rechtsextreme‘ Original entschieden“.
  • Der AfD-Kandidat Sesselmann habe nur mit dem Schüren von Stimmungen und Ängsten so viel Zuspruch erfahren habe.

Schahina Gambir (Die Grünen), Bundestagsabgeordnete (taz)

  • Fordert die schnelle Verabschiedung des Demokratiefördergesetzes.
  • „Dass die AfD nun erstmals einen Landrat stellt, ist auch eine Konsequenz der zunehmenden Normalisierung menschenfeindlicher Narrative.“
  • Rassismus wird mehr und mehr zum guten Ton in selbsternannten bürgerlichen Kreisen.“
  • Entscheidend sei nun „eine starke Zivilgesellschaft“. Mit dem Gesetz wolle man diejenigen „nachhaltig unterstützen“, die sich für die Demokratie starkmachten.

Martin Hagen, FDP Bundesvorstand (taz)

  • Warnte davor, mit dem Gesetz NGOs zu fördern, die etwa legitime Kritik „bekämpfen“.
  • Auch brauche es die Wiedereinführung der Extremismusklausel – was Grüne und SPD ablehnen und Projekte als Generalverdacht ansehen.
  • Hagen warnte anlässlich von Sonneberg nicht nur davor, AfD-Narrative zu übernehmen, sondern auch vor einer „überdrehten Identitätspolitik von links“.
  • Es drohe eine „Verengung der Debattenräume“, in der immer breitere Schichten „in die rechte Ecke gedrängt“ würden.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) (Handelsblatt)

  • Das größte Standortrisiko für Ostdeutschland ist die AfD.“
  • Er fürchte, dass sich wegen der Partei im Osten „nicht noch mehr Großunternehmen mit gut bezahlten Arbeitsplätzen“ ansiedeln könnten.
  • „Dennoch betrachte ich die Entwicklung hin zur Hoffähigkeit und Akzeptanz der AfD mit sehr großer Sorge. Eine Partei, die das Land abschotten will und ausländerfeindliche Klischees bedient, ist Sand im Getriebe der Wirtschaft.“

Stephan Fauth, Geschäftsführer des Verbands der Wirtschaft Thüringens (VWT) (Handelsblatt)

  • Freiheit hat in Ostdeutschland einen besonderen Stellenwert.“
  • Greife die Politik zum Mittel der Verbote und Reglementierungen, löse das in der Folge Unzufriedenheit und geringe Akzeptanz aus.
  • Die Politik müsse Antworten auf das weit verbreitete Gefühl des Abgehängtseins liefern, die Lebensqualität der Menschen vor Ort „spürbar“ zu verbessern.

Nils Naumann, parteiloser Kandidat bei der Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz (t-online)

  • „Auf der einen Seite verstehe ich natürlich, dass man darüber (AfD-Kandidat Loth) berichten möchte, was hier passiert. Aber letzten Endes haben die Medien den Kandidaten der AfD künstlich hochgepusht.“
  • „Eine neutrale Berichterstattung gab es ja quasi nicht. Ich will nicht jammern, aber alle Medien – mit Ausnahme der ‚Mitteldeutschen Zeitung‘ – haben überwiegend nur über Herrn Loth berichtet und auch nur sein Bild abgedruckt. Teilweise habe ich mir eine Stunde Zeit für Interviews genommen, um am Ende für fünf Sekunden in einem Beitrag aufzutauchen. Im Endeffekt hat man hier den Wahlkampf der AfD mitgestaltet.“

Presse-Kommentator*innen

Jan Sternberg, Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)

  • „Die Rechtspartei AfD besetzt die Leerstellen“, die ihr die konstruktiven politischen Kräfte lassen.
  • „Die AfD ist mehr oder weniger die letzte Partei, die in dem Ort wirklich präsent ist. Sie sammelt nicht nur die Unzufriedenen ein, (…) sie ist auch zur Kümmererpartei geworden.“
  • „CDU, SPD und FDP haben seit 1990 die Hälfte oder mehr ihrer Parteimitglieder verloren. (…) Die Basis vor Ort fehlt.“ Das zeigten auch die parteilosen Kandidat*innen, die kommunal antreten.
  • „Die Ausgrenzung der AfD ist gescheitert, schlimmer noch: Sie gewinnt Stärke aus ihrem Schmuddelkinderstatus, nennt sich offen rechts, nicht mehr „konservativ“.“
  • Regierung scheitert, gesellschaftliche Neuerungen einer veränderungsmüden Öffentlichkeit zu erklären– ein anderes Arbeiten, einen anderen Umgang mit Ressourcen, eine diversere Gesellschaft . „Deutschland und Europa brauchen aber diese neue Zukunftserzählung.“

Gareth Joswig, taz

  • Der 42-jährige Loth (jetzt Bürgermeister) hat vor Ort verschwörungsideologische Coronaproteste organisiert, gleichzeitig aber an einem Testzentrum verdient.
  • In Raguhn gibt es seit acht Jahren rechte Demos – erst gegen Merkels Flüchtlingspolitik, dann wegen Corona und schließlich gegen die Unterstützung der Ukraine.
  • Loth war fester Teil der Proteste und wurde für die AfD bereits 2016 und 2021 in den anhaltischen Landtag gewählt. Als Landwirt war er agrarpolitischer Sprecher. Im Wahlkampf hetzte er ausdauernd gegen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

Daniel Deckers, FAZ

  • „Die meisten Galionsfiguren der Partei [AfD] sind in der alten, kompromissorientierten Bundesrepublik sozialisiert worden, nicht in einem Land, in dem zwei gescheiterte Diktaturen drei Generationen in den Knochen stecken.“
  • Ost oder West sei unwesentlich angesichts der Erfahrung multipler Bedrohungen sozialer Identität und die damit einhergehende Aktivierung eines in Aggression umschlagenden Abwehrpotentials.
  • Dazu komme die Suche nach gesellschaftlichen Ressourcen und politischen Strategien in Zeiten vielfältiger Krisen.

Martin Greive, Handelsblatt

  • Viele Bürger*innen wollen in Thüringen die AfD wählen, weil sie eine diffuse Angst umtreibt, „auf die Verliererseite des Lebens zu geraten.“
  • Hohe Migration, Klimagesetze wie das Heizungsgesetz: Entscheidungen, die „die da oben“ vermeintlich vorbei an der Bevölkerung und gegen sie fabrizieren. Daraus folgt das Gefühl, von der Politik nicht wahrgenommen zu werden – das ist bislang der Erfolgsfaktor für die AfD. (Handelsblatt)
  • Der materielle Aspekt spielt keine große Rolle. Wenn das Land jedoch in eine tiefere Wirtschaftskrise rutscht, könnte sich das schnell ändern. Und die Anzeichen dafür verdichten sich.

Christoph Schwennicke, Kolumnist t-online

  • Treibt die CDU der AfD die Wählerinnen und Wähler in die Arme, weil sie zu wenig oder zu viel konservativ ist? Dafür gibt es keine Belege.
  • Ein AfD-Verbot wäre Dünger auf das Wurzelwerk der AfD – und Ausdruck von Hilflosigkeit.
  • Die immer wieder geforderte Brandmauer hilft, dass die AfD nicht in Regierungsverantwortung kommt. Im Kampf gegen das Gedankengut hilft sie nicht, schreibt ein „Wir gegen die“ fest. Besser wäre, die zu stärken, die sich vor Ort gegen die AfD stellen.
  • Potenzielle AfD-Wähler*innen fühlten Neid gegen „linksgrüne“ Politik, weil die sich nicht um sie selbst dreht. Sie wollen eine Partei wählen, die nicht mit den Grünen koaliert – was die CDU aber tue. Insofern gibt Schwennicke Friedrich Merz recht, der die Grünen als „Hauptgegner“ benannt hat. Problem aber: Nicht einmal mehr die CDU wolle so rückschrittig sein.

Anetta Kahane, FR-Kolumnistin und ehemalige Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung

  • „Die Leipziger Autoritarismus-Studie zeigt als erschreckendes Ergebnis, dass eine Mehrheit der Ostdeutschen die Demokratie mehr oder weniger ablehnt. Sie hat völkische Einstellungen und neigt zu autoritären und rechtsextremen Ansichten.“
  • „Das ist wenig überraschend für Menschen, die den Osten aus der Perspektive der Minderheit kennen, denn das war in der DDR so, ist nach der Vereinigung geblieben und hat sich seither wenig verändert.“
  • „Gemütlich und solidarisch fühlte sich die DDR-Gesellschaft nicht für alle an. Im Gegenteil, je größer die Gleichheit war, desto heftiger wurde die Ausgrenzung aller, die anders waren.“
  • „Die Drohung begann gleich nach der Einheit: Wenn wir nicht kriegen, was wir wollen, und zwar sofort, dann sind Baseballschläger noch gar nichts, dann werden wir richtig rechts.“
  • Noch heute stehen in vielen Orten eher die Menschen unter Beschuss, die sich gegen Rechtsextremismus wehren.“
  • „Das Muster der Erpressung, für unerwünschtes Verhalten rechts zu wählen, ist nun gesetzt und die AfD sammelt grinsend die Unzufriedenen ein. Völkisch-nationalistisch, rassistisch oder rechtsextrem, in jedem Fall autoritär – egal. Wem eigene Verantwortung gar nicht in die Tüte kommt, wem zu viel ist, was die Welt gerade bewegt und wer sich vollkommen grundlos überlegen fühlen will, rennt jetzt unter großem „Ätsch, Bätsch“-Geschrei der AfD hinterher.
  • „Klarheit ist jetzt angesagt. Erpressungen und Drohungen nachzugeben, hat noch nie geholfen. Diplomatisch sein ja, Appeasement nein! Eine andere Sprache verstehen Autoritäre nicht.“

Und was sagen die AfD-Wähler*innen in Thüringen und Sachsen-Anhalt?

Thomas (55) ist Chef des Oberlinder Bratwursthäusla und steht zusammen mit seinem Sohn Niklas (24, Metzgermeister) am Grill. (BILD)

  •  „Bis jetzt war ich politisch sehr neutral.“ Aber nun hat er AfD gewählt. „Nicht wegen der Ausländer. Sondern wegen denen da in Berlin.“
  •  „Es gab im wahrsten Sinne des Wortes keine Alternative. Wenn ich sehe, wer da in der Regierung an der Macht ist, dann kriege ich einen Hals. Der Habeck! Der soll weiter seine Kinderbücher schreiben.“
  • „Wie sollen wir diesen neuen Mindestlohn betriebswirtschaftlich mit einbauen? Das müssen wir dann auf unsere Bratwürste umlegen. Wir leben doch nicht im Speckgürtel hier.“ (Die Wurst kostet nun 2,25 statt 2 Euro).

Matthias, Wirt der „Scharfen Ecke“ (BILD)

  • Trägt um den Hals ein Eisernes Kreuz.
  •  „Das steht für Deutschsein. Nichts mit Hitler und so.“
  • Gegen Ausländer habe er nichts – also zumindest nicht gegen die, „die arbeiten und Steuern zahlen“.
  • Die Flüchtlinge dagegen würden am zentralen Platz „herumlungern“.

Franziska (27) und Martin (39) (BILD)

  • Er sagt: „Mein bester Freund ist Afghane. Der ist stolz auf sein Volk und darf das auch sagen. Warum wir nicht?“
  • Sie sagt: „Mich ärgert, wenn mir Migranten respektlos nachpfeifen.“

Focus-Recherchen zur AfD

  • Viele Menschen treibe die Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung zur AfD. Das Heizungs-Chaos, die Klimapolitik, der Umgang mit Zuwanderern, das Gefühl, von denen „da oben“ nicht beachtet zu werden, solche Dinge regen die Leute auf.
  • Etliche haben das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren. Die seien lange genug am Ruder gewesen und hätten es trotzdem nicht geschafft, die wirklichen Probleme des Landes in den Griff zu bekommen.
  • Auch wenn die AfD in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen keine vernünftigen Konzepte zu bieten hat – vielen gilt sie als einzige Alternative. Für Frust.
  • „Ich wähle die AfD. Aber deswegen bin ich doch nicht rechtsradikal“, sagte eine Rentnerin aus dem ostthüringischen Oettersdorf. Sie mache ihr Kreuz bei der Partei, weil die sich „mehr für die Bevölkerung einsetzt“ als andere.

Otto, Rentner, 82 (Focus)

  • Er sei von den etablierten Parteien maßlos enttäuscht.
  • Die vielen Flüchtlinge. Die Milliarden für die Ukraine. Die 3.000 Euro Inflationsausgleich für die Bundesregierung. „Und uns lassen sie hängen“.
  • „Eines will ich Ihnen sagen: Zu DDR-Zeiten war es hier besser.“ Der Hinweis auf Mauer, Schießbefehl und Stasi lässt ihn kalt: „Trotzdem!“

Handwerksmeister aus Volkmannsdorf (Focus)

  • „Die in Berlin sind total neben der Spur. Die regieren komplett am Volk vorbei.“
  • Der Realitätsverlust der Ampel-Parteien sei „grenzenlos“.
  • „Dass es Leute gibt, die auf dem Land leben und ganz andere Probleme haben als in den großen Städten, das haben die noch nicht begriffen. Dass wir hier komplett abgehängt sind vom Rest der Welt, das merken die nicht. Das ist denen egal. Das interessiert die nicht.

Sven, 47, Hausmeister, seine Freundin Susann, 46, Pflegerin (Focus)

  • Beide sind überzeugte Wähler der AfD.
  • Früher hätten sie CDU gewählt. „Statt um die Mehrheit der Bürger kümmern die sich um Minderheiten und Probleme, die eigentlich keine sind. Gender-Sprache zum Beispiel ist totaler Nonsens. Oder die sexuelle Orientierung. Soll doch jeder machen, was er will, aber nicht andere Leute damit nerven. Wir haben hier ganz andere Sorgen.“
  • „Die Schulen sind marode, es gibt zu wenige Lehrer. (…) Das ist doch eine Katastrophe.“
  • Die Regierung gebe Milliarden für die Ukraine und arme Länder aus, kümmere sich um Toiletten in afrikanischen Dörfern und wolle ständig die Welt retten. „Aber nach der Flut im Ahrtal konnten die Opfer selbst zusehen, wie sie zurechtkommen.“
  • „Bei den Grünen und der SPD haben manche keinen Berufsabschluss und kein abgeschlossenes Studium. Die haben nichts gelernt, machen aber große Politik. In meinen Augen haben die kein Recht, uns zu regieren.“

Sandro, 46, Handwerker und Bundeswehr-Reservist aus Oettersdorf (Focus)

  • „Das größte Problem ist der Zuzug von Ausländern. Überall fehlt es an Geld, aber dort spielt Geld keine Rolle.“
  • Er sei prinzipiell der Meinung, dass man notleidenden Menschen helfen müsse.
  • Viele Leute hätten aber das Gefühl, die deutschen Politiker hätten mehr für Flüchtlinge übrig als für die eigenen Bürger. „Und das treibt der AfD die Wähler zu.“

Jens, 59, Kraftfahrfer, Oettersdorf (Focus)

  • Er vergleicht die Bundesregierung mit den Kommunisten, die den Bürgern „alles aufdrängeln“ – Asylpolitik, Energiepolitik, Ukrainepolitik.
  • Wer sich wehrt, etwa gegen die staatlichen Coronamaßnahmen, werde „als Nazi abgestempelt und kriminalisiert“. Er habe das am eigenen Leib erfahren.

Rentner, 64, Tegau (Focus)

„Ich bin mit dem Herrn Thrum von der AfD zufrieden. Er geht auf die Leute zu. (…) Und er hat nichts mit rechts zu tun. Der ist kein Extremist. Der war auch schon bei uns auf dem Dorfplatz.“

Dietmar, 67-jähriger Rentner aus Zwickau (t-online)

  • Jahrelang habe ich dann die SPD oder die Grünen gewählt, aber jetzt kann ich das einfach nicht mehr. (…) Die machen einfach zu viele Fehler!
  • „Ich dachte immer: AfD kannste doch nicht wählen! Aber jetzt bin ich fast so weit. (…) Natürlich sind bei der AfD auch stramme Rechte dabei, mein Eindruck ist aber: Die sind da längst nicht alle rechts
  • „Die AfD ist die einzige Partei, die die offensichtlichen Probleme klar anspricht. Das heißt noch gar nicht, dass sie die Probleme auch lösen könnte, wenn sie selbst an der Regierung wäre. Aber wenigstens sagt sie, was falsch läuft, statt alles schönzureden.“
  • „Ich sage immer überspitzt: Hier im Osten sind wir aus der sozialistischen Einheitsfront in die kapitalistische Einheitsfront gewechselt. Es geht überall nur noch ums Geld – aber viele wollen gar nicht mehr wirklich dafür arbeiten.“

Fazit:

Politik und Kommentator*innen arbeiten sich größtenteils an der Politik der Ampel-Regierung ab, die Menschen verunsichert habe, Platz gelassen habe für die AfD, die sich vor Ort als Kümmerer zeigen. Viele geben den demokratischen Parteien Schuld, Politik nicht attraktiv und nachvollziehbar genug zu gestalten. Mehr oder weniger irritiert wird festgehalten, dass der AfD die Klassifizierung als “rechtsextrem” bei ihren Sympathisant*innen durchaus nützt, wenn sie “Protest” gegen “das System” auf dem Wahlzettel verbildlichen wollen – oder den Westen erpressen wollen.

Das sind Themen, die die AfD-Wähler*innen oder AfD-Sympathisant*innen auch erwähnen –aber mehr als Rechtfertigung, genauso wie den immer gern gewählten Satz „Ich bin doch nicht rechtsradikal, nur weil ich die AfD wähle.“ Dahinter folgt sehr viel Rassismus (vor allem gegen Geflüchtete), der Wunsch nach Etabliertenvorrechten (lieber alles für mich als für andere), und eine Prise Identitätspolitik („Früher, in der DDR, alles besser“) sowie Demokratiemüdigkeit (jemand solle sagen, wo es langgeht). Dies weist durchaus in eine rechtsradikale Richtung – egal, was vorher behauptet wird. Einige der Befragten äußern, dass sie die AfD gar nicht als rechtsextrem empfänden. Das kann ein Zeichen der Normalisierung rechtsextremer Positionen sein oder ein Versuch der Verharmlosung der eigenen Wahlhandlung.

 


Teil 2:

Teil 3:

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Das Bild wird veröffenlicht unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC 2.0.

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