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Gruselgeschichte Halloween in Bautzen

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(Quelle: Paul Podbielski )

Kurz vor 18 Uhr rennt ein junges, vielleicht 7 Jahre altes Kind mit einer Fahne der rechtsextremen Partei „Freie Sachsen“ über den Kornmarkt. Auch auf ihrer Mütze prangt dieses Motiv. Und damit ist sie nicht alleine.

Beobachtet von ungewöhnlich viel Polizei, sammeln sich am Montag, dem 31. Oktober 2022, etwa 1.000 Personen in Bautzen. Es ist die typische sächsische Mischung: Vor allem ältere Männer und Frauen, aber auch einige Familien, teilweise mit kleinen Kindern, sind dabei.  Über der Menschenmenge wehen Russland Fahnen neben den schwarz-weiß-roten Flaggen des deutschen Kaiserreiches, welche bei Rechten schon lange sehr beliebt sind. Alles in allem nichts Überraschendes, denn solche Bilder sieht man*, wenn auch meist mit weniger Teilnehmenden, aktuell jeden Montag in Sachsen.

Beworben von den „Freien Sachsen“, einer rechtsradikalen Kleinstpartei, und organisiert von lokalen Akteur*innen finden rechte Proteste statt. Noch vor einem Jahr ging es dort überwiegend um Corona und die Maskenpflicht. Jetzt geht es vermeintlich um Frieden, die Inflation, ja sogar um das Bildungssystem. Jedoch, auch trotz der neuen Themen, haben sich die Proteste kaum verändert. Vielerorts werden sie weiterhin von denselben Personen organisiert. Es werden die gleichen Verschwörungsmythen verbreitet.  Und sie sind auch weiterhin eine Plattform von und für rechte Akteur*innen.

Doch zurück nach Bautzen.

Hier hat der Protest noch eine weitere Facette: Er ist christlich geprägt. Neben den schwarz-weiß-roten Fahnen sind hier auch Kreuze und mindestens ein IchthysFisch zu sehen, ein christliches Symbol. Und auch auf der Bühne wird gleich über Gott und den Glauben geredet. Doch zuvor tritt ein Mann an das Mikrofon. Er verliest die Auflagen, dann beginnt er über „die Ereignisse hier in Bautzen“. Gemeint ist damit, dass Unbekannte einen Brandanschlag auf das Spreehotel verübt haben, welches als Unterkunft für Asylsuchende genutzt werden sollte. Der Redner erzählt, man verurteile jegliche Form von Gewalt. Doch sehr schnell kommt er zu seinem eigentlichen Thema: Da die Presse nun mit besonderem Interesse auf Bautzen schaue, solle man* heute extra friedlich sein und auf Provokateure achten.

Quelle: Paul Podbielski

Nach ihm redet eine Rednerin, die als Kathrin angekündigt wurde. Sie spricht über vieles, meist mit Bezug zum Christentum. Hinter ihr steht ein Plakat, beschriftet mit „Demnächst auch in unserem Land. THE GREAT RESET“. „Great Reset“ ist eine rechtsextreme Verschwörungserzählung, wonach eine zumeist jüdische Finanzelite angeblich den System-Crash plane. Auch Kathrin selbst verbreitet antisemitische Verschwörungsmythen. So spricht sie zum Beispiel von „der Finanzelite“, die vom Vatikan kontrolliert werde. 

Quelle: Paul Podbielski

Durch die Rede eingestimmt, beginnen die Menschen sich für den Demonstrationszug aufzustellen. In der ersten Reihe stehen angeblich Mediziner*innen. Sie tragen Kreuze aus Pappe. Darunter ist auf einem Transparent zu lesen: „Impfpflicht im Gesundheitswesen sofort stoppen. Das Grundgesetz gilt auch für uns!“
Schon nach kurzer Zeit setzt sich die Menge in Bewegung. Neben dem Aufzug hat sich die AfD, trotz Unvereinbarkeitsbeschluss mit den „Freien Sachsen, positioniert.  In der Hand halten sie ein Banner, das „Wenn wir frieren, muss die Regierung zittern“ liest. 

Nun geht es, begleitet von den Geräuschen einiger Trillerpfeifen und schlechter Musik, den Wendischen Graben entlang. Wie auch bei vielen anderen verschwörungsidelogischen Protesten der letzten Monate und Jahre, wird das eigene Weltbild hauptsächlich über Schilder verkündet. Gemeinsame Demorufe gibt es nicht. Zumindest bis eine Gruppe von etwa 50 vermummten und schwarz gekleideten Jugendlichen sich aus dem Demozug lösen. Angestachelt von einem Megafon rufen sie „Auf die Straße! Auf die Straße!“ Von ihnen wird später ein Großteil der Aggressionen ausgehen. 

Auch „Balaclava Graphics, ein rechtes und rassistisches Medienprojekt, ist heute, wie so oft in Bautzen, vertreten. In ihrem Telegram Kanal bewerben sie unter anderem Sticker mit der Aufschrift „NAZIKIEZ“ oder „THE WHITE RACE“. Letzteres ist auch auf dem grünen Cappi ihres anwesenden Filmers zu lesen. Er hat eine, dem Anschein nach, mehr oder weniger professionelle Kamera mit einem externen Licht dabei. Dieses nutzt er, anders als vielleicht zu erwarten wäre, weniger, um gute (oder weniger gute) Bilder der Versammlung zu machen. Nein, hauptsächlich versucht er damit, anwesende Journalist*innen zu blenden und an ihrer Arbeit zu hindern. 

Der Block Jung-Nazis stellt sich provokativ neben die paar anwesenden Journalist*innen.

Jetzt scheinen sie ihre Stimmen aufgewärmt zu haben. Sie singen „Ihr seid Zecken, asoziale Zecken“. Passend zu dieser feierlichen Stimmung kann einer von ihnen sich anscheinend nicht beherrschen, und lässt sich dabei filmen, wie er einen Hitlergruß zeigt – eine Straftat. 

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Später muss ein Ordner einen von ihnen daran hindern, sich mit der Polizei anzulegen. Hier scheinen die Emotionen und der Hass gegen alle, die nicht in ihr Weltbild passen, überhandzunehmen. Nur die Präsenz der Polizei, mit verhältnismäßig vielen Kräften, verhindert an diesem Abend wahrscheinlich Schlimmeres.  Aus diesem Grund ist eine sichere Berichterstattung nicht mehr möglich. 

Was bleibt ist der Eindruck einer sich weiter radikalisierenden verschwörungsidelogischen Szene, welche es auch versteht junge, gewaltbereite Rechte für sich zu gewinnen. Und auch die Sorge, was passiert, sollte auch nur die Hälfte dieser Jung-Nazis noch in ein paar Jahren in Bautzen aktiv sein, beschäftigt uns. 

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