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Höcke-Rede Rechtsextreme Allianz in Gera und andere Demos zum 3. Oktober

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Björn Höcke, (M), Vorsitzender der AfD in Thüringen läuft bei einer Demonstration gegen die Energiepolitik der Bundesregierung und gegen Coronamaßnahmen in der ersten Reihe. An der Demonstration beteiligten sich 10.000 Menschen. (Quelle: picture alliance/dpa | Bodo Schackow)

Für die einen ist der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober ein Tag der Freude. Andere freuen sich einfach über einen freien Tag. Zehntausende, vor allem im Osten Deutschlands, gehen derweilauf rechtsextreme Demonstrationen. Alleine in Thüringen protestierten 36.000 Menschen – vorgeblich zunächst gegen die Energiepolitik der Regierung und Russlandsanktionen.

Die größte Demonstration Thüringens fand in Gera statt. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich rund 10.000 Menschen. Für das sogenannte „Fest der Freiheit“ war zuvor ein bundesweiter Aufruf über die sozialen Medien verbreitet worden. In Gera zeichnete sich eine rechtsextreme Allianz ab, die nichts Gutes für den „heißen Herbst“ vermuten lässt:

Organisiert wurde der Protest vom Thüringer Neonazi Christian Klar und Frank Haußner, Sprecher der extrem rechten Vereinigung „Patrioten Ostthüringen“. Auf der Bühne stand Martin Kohlmann. Er ist der Kopf der Bewegungspartei „Freie Sachsen“, ein rechtsextremes Erfolgsrezept aus Sachsen, das nun auch auf andere Bundesländer übertragen werden soll. Auch Jürgen Elsässer hielt in Gera eine Rede. Er ist Chef des rechtsextremen und verschwörungsideologischen Propaganda-Mediums Compact. Am Montag sprach er auf der Bühne über einen angeblichen „Bevölkerungsaustausch“ und die Energiekrise. Unzweifelhaft war jedoch ein anderer der große Liebling des Publikums: der AfD-Faschist Björn Höcke. Er ist die Führungsfigur des klar rechtsextremen Lagers innerhalb der AfD und bindet große Teile der ostdeutschen AfD-Kernwählerschaft an seine Person.  Seine Rede war wohl die erschreckendste.

Am Rande der Demonstration werden Gegenprotestierende mit Migrationshintergrund mit „Abschieben“-Rufen bedroht:

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Russen und Deutsche hätten „ähnliche seelische Prägung“

Der Partei- und Fraktionschef der AfD in Thüringen propagierte in Gera den Schulterschluss mit Russland. Permanent zeichnete er das Bild der bösen USA, die er stets als „raumfremde Macht“ bezeichnete und einer unterwürfigen deutschen Regierung. Unterdessen lobte er den Diktator Putin und sagte, dass Russland der natürliche Pater Deutschlands sei, auch weil „die Deutschen und die Russen eine ähnliche seelische Prägung haben“. Das ist blanker Rassismus, in völkischen Worten verpackt.

Es gehe, so versucht Höcke seine Zuhörer*innen einzulullen, im aktuellen Ukraine-Krieg eigentlich um einen Krieg zwischen Russland und den USA „dazu kommt noch der Kampf beider Regierungen gegen die deutsche Wirtschaftsnation“. Er lobt Länder wie Ungarn, die kinderreiche Familien zum Fundament von „Volk und Nation erklärt“. In klassisch völkischer Tradition ist die kinderreiche Familie, die „Keimzelle des Volkes“, die als solche auch vor „unreinem Blut“ geschützt werden muss. Russland und Serbien würden den Glauben daran herausstellen, was „fundamental zur inneren Gesundheit eines Volkes“ gehöre. Die völkische Ideologie stellt „das Volk“ über das Individuum und seine Freiheit. Im Nationalsozialismus wurde der Begriff des „Volkskörpers“ als Metapher verwendet, die ein biologistisches Verständnis von Gesellschaft ausdrückte, um damit Antisemitismus, „Rassenhygiene“ und Euthanasie zu begründen. Damit der „Volkskörper“ gesund bleibe, müsse er von „Parasiten“ und „Schädlingen“ gereinigt werden – damit wurden ganze Bevölkerungsgruppen zu krankmachenden Elementen erklärt und so entmenschlicht. Dass AfD-Funktionäre Björn Höcke immer wieder das Bild vom krankenden Volkskörper Deutschland zeichnet, zeigt seine ideologischen Bezüge.

Jene von Höcke gelobten Staatslenker, in Russland, Polen, Serbien und Ungarn hätten sich gegen die „Veralberung der Tradition und Geschichte entschiede“, gegen die „ungebremste Einwanderung, gegen die Transformation ihrer Völker in eine gesichtslose Masse von perfekt durch materialisierten Konsumfaschisten“. Höcke lobt, dass nationalistische Staaten im Osten „Respekt vor der Leistung ihrer Vorfahren“ hätten, „die in jedem Volk und jeder nationalen Ordnung etwas sehen, was bewahrt werden muss“, „Völker und Nationen also, die sich der globalen Einheitszivilisation nicht unterwerfen wollen.  Jener Höcke forderte vor einigen Jahren noch offener eine Wende der „Erinnerungspolitik um 180 Grad“ in Bezug auf den NS – also, dass der Deutsche wieder offen stolz seien sollte auf die Verbrechen, die die Großeltern während des Zweiten Weltkrieges begangen haben.

Das Schreckgespenst des „Regenbogenimperiums“

Weiter behauptet Höcke, dass es einen „Frontverlauf“ zwischen jenen von ihm gelobten nationalistischen Staaten gäbe und zwischen liberalen Demokratien, die er das „neue Regenbogenimperium“ nennt. Dieses sogenannte „Regenbogenimperium“, mit den USA als Kernland und Deutschland als wichtigstem Brückenland innerhalb der EU, forciere „die Zerstörung der Nation durch Masseneinwanderung“, außerdem, so fantasiert Höcke, habe dieses „Regenbogenimperium“ Männern und Frauen den Kampf angesagt. Nichts sei ihm mehr heilig, nicht einmal mehr „unser grandioses historisches Erbe“. Selbst die Kinder sieht Höcke vom „Regenbogenimperium“ bedroht und holt zum Rund um Schlag gegen Abtreibung und transgeschlechtliche Identitäten aus.  „Sie wollen die Seelen unserer Kinder, aber das werden wir nicht zulassen“, ruft Höcke kurz vor Ende. Damit will er durchauszum Kampf aufrufen. Man müsse sich und seine Kinder im Akte der Selbstverteidigung schützen. Zum Schuss ruft er seine Fans noch auf, in den kommenden Wochen zahlreich auf den Straßen gegen die Regierung zu protestieren. Schließlich gab es tosenden Applaus für den Faschisten Höcke.

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An der 10.000 Personen starken Demonstration beteiligten sich neben Neonazis von der „Neuen Stärke“-Partei“ auch der ex-CDU-Bundestagsabgeordnete Albert Weiler. Er kommentierte im Nachgang, dass hier Menschen „friedlich spazieren“ gingen und ihren „Unmut über die Regierungsarbeit“ zeigten. Kein Ton über die demokratiefeindlichen Reden von Höcke, Elsässer oder Kohlmann.  

Thüringen

Insgesamt demonstrierten alleine in Thüringen 36.000 Menschen an 39 Orten gegen die Politik der Bundesregierung, Inflation oder die Russland-Sanktionen. Rund 4.200 Menschen gingen in Weimar, dem Landkreis Weimarer Land und dem Saale-Holzland-Kreis auf der Straße. In Eisenach kamen 2.500 Menschen unter dem Motto „Wir sind eine Nation“ zusammen, zu der ein CDU-Mitglied aufgerufen hatte. Die Landespartei hatte sich von diesem Aufruf distanziert. In Gotha versammelten sich zudem knapp 1.000 Menschen, in Sömmerda waren es etwa 600. Hunderte gingen auch in Kahla und in Pößneck auf die Straßen. Zu einer unangemeldeten Versammlung kamen rund 3.800 Menschen in Altenburg zusammen. In Schmölln und Zeulenroda fanden ebenfalls nicht angemeldete Versammlungen statt. In Sonneberg demonstrierten rund 2.400 Teilnehmende, in Suhl 700 und hunderte in Meiningen und in Hildburghausen, berichtet der MDR.

Gewalt unter 150 Teilnehmenden in Heiligenstadt:

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Sachsen-Anhalt

Auch in Sachsen-Anhalt haben 32 Jahre nach der Wiedervereinigung tausende Menschen gegen die Energiepolitik der Bundesregierung und die Sanktionen gegen Russland protestiert. In Bitterfeld haben etwa 2.000 Menschen an einer AfD-Demonstration teilgenommen, darunter auch AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch. In Magdeburg hatten sich etwa 2.500 Menschen versammelt. Zu der Demo „Preisexplosion stoppen. Demo für Frieden, Freiheit und Wohlstand“ hatte die AfD aufgerufen. Weitere Demonstrationen gab es unter anderem in Halle, Bitterfeld, Querfurt, Oschersleben, Sangerhausen, Aschersleben, Naumburg und Wernigerode.

Sachsen

In Dresden gingen laut Polizeiangaben am Montag rund 1.500 Menschen auf die Straße. Mehr als 3.300 waren es den Angaben zufolge in den angrenzenden Landkreisen, berichtet der MDR.  In den beiden Landkreisen Bautzen und Görlitz demonstrierten rund 5.500 Personen. Schwerpunkt war erneut Bautzen, hier versammelten sich rund 1.400 Menschen. Auch in Chemnitz, Borna, Zwickau sowie in Plauen und Rosswein gingen Hunderte auf die Straße.

Berlin und Brandenburg

In Brandenburg beteiligten sich am Montag insgesamt 10.500 Menschen an 35 Orten an rechten Demonstrationen, berichtet der rbb. In Cottbus gingen am Abend rund 2.000 Menschen auf die Straße, in Frankfurt Oder 1.700.  Weitere 1.000 Menschen kamen laut Polizei in Wittenberge (Prignitz) zusammen. In Oranienburg (Oberhavel) seien es etwa 420 und in Potsdam rund 60 gewesen. 

In vielen Städten war Gegenprotest organisiert, um den rechten, verschwörungsideologischen und rassistischen Hass nicht unkommentiert zu lassen.

 

 

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