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Jahresend-PR Die rechtsextremen Fanboys des Jeremy Fragrance

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Warum niemand rechtsextreme Freunde haben möchte: Weil der echte Jeremy Fragrance den Rechtsextremen noch zu unmännlich ist, posten sie eine vermännlichte KI-Version. (Quelle: Screenshot)

Alles an Jeremy Fragrance und seiner Welt wirkt ausgesprochen aufgesetzt, aufgekratzt, bisweilen absurd, und beinhaltet Gefühle zwischen Fremdscham und Amüsement. Geboren wurde er als Daniel Sredzinski aus Oldenburg und nahm dann viele Identitäten an, Daniel Schütz, Jeremy Williams und dann Jeremy Fragrance. Er war offenbar von Anbeginn ausgestattet mit dem festen Willen, berühmt zu werden – koste es, was es wolle.

Aber vielleicht haben ihm seine Stationen auch wirklich Freude bereitet, das barbrüstige Boyband-Engagement als Twen (vgl. t-online), die Selbstinszenierung aus Social Media, die bisweilen wie eine Selbsterniedrigung wirkt, wenn er als stets in weiß gekleideter Parfum-Freund auf Social Media tanzt, dabei einen androgynen Look pflegt, aber auch sehr auf männlichkeitsunterstreichende Aktivitäten wie einarmige Liegestütze und Eisbaden steht. Aber: Geld verdient der 34-Jährige damit offenbar, seinen Reichtum stellt er gern zur Schau, und sehen wollen das auch viele Menschen, allein 7 Millionen auf TikTok, 1,3 Millionen auf Instagram und 2,1 Millionen auf YouTube. Bei einer Teilnahme 2022 bei „Promi Big Brother“ schadet Schrägheit auch nie, und Jeremy Fragrance brachte es zu Aufmerksamkeit, die in einem Buchvertrag mit dem Heel-Verlag, einer „Sky“-Doku („Power, Baby!“) über sein Leben und einer Werbepartnerschaft mit Aldi Nord mündete.

Gemeinsam ist all diesen Aktivitäten und Stationen, dass sich schwer einschätzen lässt: Wie viel ist Zufall, wie viel ist Kalkül? Wie schlau und strategisch ist Daniel Sredzinski aka Daniel Schütz aka Jermey Williams aka Jeremy Fragrance?

Was macht ein Parfüm-Influencer auf einer rechtsextremen Gala?

Denn der Grund, warum Belltower.News sich für Jeremy Fragrance interessiert, ist nicht seine reichweitenstarke Selbstinszenierung, die mit vielfältigen Formen inszenierter Männlichkeit einhergeht, oder die erstaunliche Tatsache, dass er über ein geruchsblindes Medium wie Social Media und Websites ein Geruchsprodukt wie Parfums erfolgreich vermarktet. Jeremy Fragrance war vor wenigen Tagen bei einer bekannten rechtsextremen Gala in den USA, ausgerichtet von der New York Young Republican Party, Hauptredner Donald Trump, Gäste sind Rechtsextreme aus aller Welt, der Eintrittspreis liegt bei 699 Dollar. Deshalb stellt sich die Frage: Was macht Jeremy Fragrance auf einer solchen Konferenz?

Jeremy Fragrance hat der Welt diese Frage beantwortet, und er sagt: Zufall. Er habe in dem 55-Wall-Street-Hochhaus, in dem die Veranstaltung der Republikaner mit Festredner Donald Trump stattfand, ein Apartment: „Hey ich wohne in dem Gebäude und hab nur einen Blick reingeworfen in das W Event und hab keine Geld dafür bekommen dass ich da war.“ (Alle Fehler im Original) Dann hätten halt ein paar Leute Fotos machen wollen, das habe er gemacht, und ja, er habe die auch auf Social Media getaggt, aber „manchmal INKLUSIVE nicht vorher zu informieren wer was macht in der Öffentlichkeit.“ Ist das glaubwürdig für einen, der mit Social Media sein Geld verdient? Ist es glaubwürdig, dass er auf eine Party mit Sicherheitsstufen und teurem Eintritt stolpern kann, dass er aus Versehen zwischen Amerikas prominentesten Rechtsextremen landet?

Fotos mit rechtsextremen Freunden – oder Fremden?

Was er dort tat, ist jedenfalls gut dokumentiert und wurde auch von ihm selbst auf Social Media veröffentlicht: Er machte Fotos mit deutschen und österreichischen Rechtsextremen. Dabei sind solche, die vielleicht nicht jede*r kennt, wie der „Identitären“-Alt-Aktivist Alexander „Malenki“ Kleine, der Fragrance offenbar das Logo seiner „Medienagentur“ in die Hand drückte, oder David Bendels vom AfD-wahlkampfunterstützenden „Deutschlandkurier“. Allerdings hat Fragrance auf seinen Instagram-Posts brav die Accounts verlinkt, die nicht wirklich mit ihrer Gesinnung hinterm Berg halten. Und er hat strahlend mit Maximilian Krah posiert, AfD-Europapolitiker und damit vielleicht nicht ganz so klandestin und unbekannt wie Malenki und Brendels, ebenso mit Gerald Grosz, ehemals FPÖ und BZÖ, aus Österreich.

Wie viel Naivität ist Jeremy Fragrance zuzutrauen? Zumindest muss er jetzt mit den Folgen leben, wie etwa Buchverlage und Werbepartner, die Konsequenzen ziehen, weil sie sich nicht in die Nähe des Rechtsextremismus platzieren wollen. Das ist ihr gutes Recht, denn Fragrance ist erwachsen und muss mit Konsequenzen aus seinen Handlungen leben. Er fühlt sich allerdings missverstanden, weil er, auch als „Number 1 Fragrance Icon That Follows The Teachings Of Jesus“ (Instagram-Bio) einer anderen Partei nahe stehe: der CDU. Um das zu unterstreichen, hat der „CDU“ auf ein Blatt Papier gemalt. Im Fall Fragrance kann das Kopfschütteln gar nicht mehr aufhören.

Interessant: Hier kommen die Kommentare aus der rechtsextremen Szene, die oberste Person ist beispielsweise eine IB-Aktivistin.

Fanboys in der rechtsextremen Szene

Aber die rechtsextreme Szene, die freut sich. Was für ein PR-Coup, so kurz vor Jahresende! Und statt sich zu fragen, wer eigentlich einer bunten deutschen Rechtsextremismus-Mischung wie Alexander „Malenki“ Kleine („Identitäre“), David Bendels („Deutschlandkurier“) und Maximilian Krah (AfD) Reisen und Eintrittskarten nach New York finanziert, wo sie auf der Konferenz der New York Young Republican Party neben Donald Trump unter anderem auf den Alt-Right-Medienstrategen Steve Bannon trafen, sprechen alle nur über den blonden Parfüm-Verkäufer, der nun plötzlich ein Held der Rechtsextremen zu sein scheint.

Aber Rechtsextreme sind keine sehr freundlichen Freunde, und so ist auch ihre Begeisterung für Jeremy Fragrance eher taktisch. Der „Deutschlandkurier“, der sich auf Instagram als „internationaler Medienpartner“ der rechtsextremen Gala bezeichnet, veröffentlicht Fotos über Fotos: Fragrance mit David Bendels und Maximilian Krah, Fragrance mit Deutschlandkurierschild und Trump-Pappaufsteller, grinsend und Daumen hoch (hat er den auch nicht erkannt?), und liefert so immer neue Belege seiner Anwesenheit.

Dazu schreibt der Bendels für den „Deutschlandkurier“ über die „Cancel Culture“, die Jeremy Fragrance ereile „eine Technik der sozialen Hinrichtung Andersdenkender“, er stünde „am Pranger der inszenierten Verächtlichmachung und Ausgrenzung“, sei „eine Projektionsfläche für hemmungslosen linken Hass“ – wir erinnern uns, bisher ist eine Video-Dokumentation nicht mehr verfügbar und ein Supermarkt will nicht mehr mit ihm werben, mehr ist jetzt nicht passiert. Der österreichische rechtsextreme Politiker Gerold Grosz, jetzt „Kolumnist“ beim „Deutschlandkurier“, hat aber noch stärkere Geschütze zu bieten: Der Faschismus zeige sich hier „wieder getarnt unter dem Deckmantel der politischen Korrektheit (…), beschützt von Gutmensch*innen.“ Jeremy Fragrance wird hier nur als Strohpuppe instrumentalisiert, die wieder und wieder und wieder verwendet wird, um Ideologie zu verschütten.

Jeremy Fragrance in rechter Runde, u.a. mit David Bendels und Maximilian Krah (oben links) und einem Papp-Trump (Mitte rechts).

Und in Malenkis Medienschmiede? Gibt es einen Instagram-Post mit der Unterzeile „Stabil bleiben @jeremyfragrance“, auch dessen Lieblingskurzsätze wie „Power machen“ und „Kraft“ kommen vor. Bebildert wird der aber, weil ihnen offenbar der Parfum-Influencer trotz aller einarmigen Liegestütze nicht männlich genug ist, mit einer „vermännlichten“ KI-Version des Mannes. Die Follower der Seite sind schon nicht mehr ganz so begeistert, weil Fragrance ja schon „verkackt“ habe (siehe Titelbild)

AfD-Europapolitiker Maximilian Krah fand Jeremy Fragrance offenbar keinen Post wert. Auf X hat er aber schließlich eine Mobilisierung eines anonymen rechtsextremen Mobilisierungs-Accounts geteilt, der sich auch dem „Stolzmonat“ zuordnet. Er schreibt: „Jetzt muss auf eine Aktion eine Reaktion folgen, die zeigt dass ein Bekenntnis zur Rechten kein sozialer Suizid ist! Folgt #JeremyFragrance auf seinen Social Media Kanälen und lasst ein paar nette Kommentare da!“ Ein Aufruf, der auf Instagram wenige Tage Reaktionen hervorrief, allerdings auch schon rechtsextreme Hasskommentare wie von „Prepper Norddeutschland“: „Ist gemerkt, wenn hier ein anderer Wind weht wird er sich wie die Fahne im Wind drehen. Dann gibt’s aber nur noch Straße fegen für solche, Opportunisten nein danke.“ (Denk- und Orthographiefehler im Original). Noch unangenehmer übrigens Carlo Clemens, AfD-MdL in Nordrhein-Westfalen, der kommentiert: „Ok Cuck“ (Beleidigung, die in der extremen Rechten beliebt ist, wenn ein Mann zu weich, zu liberal erscheint). Inzwischen dominieren allerdings die kritischen Nachfragen auf Fragrances Profil, ob er die AfD unterstütze oder „nationalsozialistisch“ sei. Antworten gibt es darauf keine.

Apropos AfD: Die war übrigens mit mehreren Mitgliedern bei der rechtsextremen Gala in New York vertreten, wie sie selbst veröffentlicht hat und wie es auch ein Foto des „Deutschlandkuriers“ zeigt. Dabei waren neben Maximilian Krah auch die AfD-Politiker Matthias Moosdorf (Cellist und MdB, freut sich über Trump: „Er wird dem woken Spuk ein Ende machen.“), Jan Wenzel Schmidt (MdB mit Kontakt zu „Identitären“), Dirk Spaniel (MdB aus BW), Kay Gottschalk (MdB, repostet auf X den „Deutschlandkurier“ mit „We won’t be nice anymore“). Gilt deren Besuch bei US-Rechtsextremen eigentlich als Dienstreise?

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Die Berichterstattung um die Frankfurter Buchmesse mit rund 7.000 Ausstellenden aus der ganzen Welt, dreht sich zu großen Teilen um den einen kleinen Stand der sogenannten „neuen Rechten“. Von rechts ist man sich noch nicht ganz sicher, ob man triumphiert hat oder vielmehr Märtyrer der Meinungsfreiheit ist. Am Ende ist es aber egal: Die Öffentlichkeit, die sie wollten, haben sie bekommen.

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