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Jahresrückblick Sachsen-Anhalt – Stagnation der AfD

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(Quelle: unsplash / Max Fuchs)

Die AfD wird als rechtsextremer Verdachtsfall in Sachsen-Anhalt geführt. Mit dieser Meldung startete das Jahr 2021. Nach jahrelanger Materialsammlung hatte das Landesamt für Verfassungsschutz genug Belege für die Einschätzung. Die rund 1.400 Mitglieder des Landesverbandes können dadurch nachrichtendienstlich überwacht werden. Als Gründe werden unter anderem Angriffe auf die Menschenwürde, die Ablehnung rechtsstaatlicher Prinzipien und Demokratiefeindlichkeit angegeben.

Vielleicht auch wegen dieser Einschätzung stagnierte das Ergebnis für die Alternative für Deutschland bei der Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt. Mit 19,6 Prozent konnte die Partei weder Verluste noch Gewinne verzeichnen und landete hinter SPD und CDU auf dem dritten Platz. Die NPD konnte lediglich rund 3.000 Wähler:innen überzeugen, ein Verlust von 0,5 Prozentpunkten auf lediglich 0,2 Prozent. Die verschwörungsideologische Partei „die Basis“ erreichte 1,6 Prozent der Stimmen.

Im Juni war bereits ein neuer Landtag in Sachsen-Anhalt gewählt worden. Mit dem Motto „Alles für unsere Heimat!“ zog die AfD unter Spitzenkandidat Oliver Kirchner in den Wahlkampf. Kirchner ist Unterzeichner der Erfurter Resolution, dem Gründungspapier des sogenannten Flügels. In einer internen WhatsApp-Gruppe offenbarte er ein gestörtes Verhältnis zur Presse: „Irgendwann sollte man Herrn Richter vom Deutschlandfunk den Schlips mal etwas enger ziehen“, schrieb er. Trotzdem wurde die Partei mit 20,8 Prozent hinter der CDU zweitstärkste Kraft, musste aber einen Verlust von 3,4 Prozentpunkten verkraften. „Die Basis“ erreichte 1,5 Prozent, die NPD 0,3 Prozent, was einen Verlust von 1,6 Prozentpunkten bedeutete.

Die Corona-Proteste, die über das Jahr auch in Sachsen-Anhalt abnahmen, entwickelten gegen Ende 2021 eine neue Dynamik. Sachsen-Anhalt bildete dabei neben Thüringen und Sachsen bereits früh eine Hochburg. Demonstrationen wurden nicht angemeldet, sondern versucht, als Spaziergänge zu tarnen. Man stellte sich dabei in die Tradition der Montagsmahnwachen.

Auch die in Sachsen-Anhalt relativ großen Szene der völkischen Siedler versuchte diese Proteste für sich zu nutzen. Diese Siedler:innen haben Verbindungen in praktisch alle rechts-alternativen Milieus, von der sogenannten „neuen“ Rechten über Parteien wie NPD und AfD, zu den rechtsextremen „Identitären“ und auch zum Rechtsterrorismus von Lübcke-Mörder Stephan Ernst und „Blood & Honour“. Dabei ist es keine Wunder, dass sich viele der Protagonist*innen der Szene aktuell in der Corona-Protest-Szene herumtreiben. Sie organisieren Proteste, diese Demos dienen dabei als Einstieg und Rekrutierungsfeld für völkische Ideologien. Zentral sind dabei vor allem Gruppen, die sich um die rassistischen und antisemitischen „Anastasia“-Romane von Wladimir Megre gebildet haben.

Das terroristische Attentat von Halle aus dem Jahr 2019 bleibt weiterhin aktuell. So wurde im September 2021 bekannt, dass eine Polizistin der Polizei Bitterfeld eine Brieffreundschaft mit dem Attentäter unterhielt. Die Beamtin sei bereits im Frühsommer aufgefallen, da sie sich gegenüber Kolleg:innen positiv zum Halle-Attentäter geäußert haben soll. Daraufhin hatten Kolleg:innen die Vorgesetzten informiert, die wiederum die Polizistin zur Rede gestellt haben sollen, heißt es aus Sicherheitskreisen in Sachsen-Anhalt. In der Folge kam heraus, wie lange sie schon mit dem Rechtsterroristen in Kontakt stand. Die Briefe wurden bei einer Kontrolle in dessen Zelle in der Justizvollzugsanstalt gefunden. Für ihre Brieffreundschaft habe die Anfang 20-jährige Polizeikommissarin aus dem Bereich der Polizeiinspektion Dessau-Roßlau einen falschen Namen und eine falsche Adresse angegeben. Deshalb sei bei der Postkontrolle in der Justizvollzugsanstalt, in der der Täter einsitzt, nicht sofort klar gewesen, dass es sich um eine Polizistin handelt.

Eine weitere Merkwürdigkeit wurde zwei Monate vorher bekannt. Am zweiten Jahrestag des Anschlags im Oktober sollte in Halle an der Saale eine Waffenbörse stattfinden – auf deren Vorläufermesse in Kassel viele NS-Devotionalien angeboten wurden. Die Stadt Kassel war allerdings Ort eines NSU-Mordes und des Anschlags auf Walter Lücke, seither versuchten verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen sowie die Stadt Kassel selbst, die weitere Austragung der unter Nazis beliebten Messe zu verhindern. So sollte die Messe nach Halle wechseln. Zunächst wurde nur der Termin nach hinten verschoben, am Ende wurde sie komplett abgesagt.

Rechtsextreme greifen in Sachsen-Anhalt regelmäßig Klimaaktivist:innen an. Sie setzten sich gegen den Weiterbau der A14 durch die Altmark ein, der Bahnhof in Seehausen im Landkreis Stendal bildet dabei das Hauptquartier. Dort schoss dann im Juni ein unbekannter Mann mit einer Softairwaffe oder einem Paintballgewehr auf mehrere Menschen. Der Täter trug dabei eine Ku-Klux-Klan-Kutte. In einem Video, das offenbar von einem Sympathisanten des Täters aufgenommen wurde, ist die Szene festgehalten. Der Filmer beschimpft darin die Opfer. Ein 20-jähriger Mann aus Arendsee wurde am Arm getroffen. Ein 13-jähriger Junge, der zufällig vor Ort war, wurde ebenfalls durch die Schüsse verletzt.

 

Bildquelle: unsplash / Max Fuchs

 

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