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KSK wird teils aufgelöst Kramp-Karrenbauer gegen den Korpsgeist

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Gegenfeuer: Das KSK, eine Eliteeinheit des Bundeswehr, wird teilweise aufgelöst.
Ein Kampfschwimmer der Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM), feuert bei einer Einsatzübung auf einem Truppenübungsplatz in der Nähe von Eckernförde mit dem Maschinengewehr MG5. (Quelle: picture alliance/dpa | Carsten Rehder)

Das immer wieder rechtsextrem aufgefallene Kommando Spezialkräfte (KSK) soll teilweise aufgelöst werden. Diese überraschende Entscheidung kündigte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am Dienstag an. Zuvor hatte die Ministerin sich von einer hochrangigen militärisch-zivilen Arbeitsgruppe beraten lassen und den KSK-Standort im baden-württembergischen Calw spontan besucht. „Mit eisernen Besen“ wolle sie aufräumen, hieß es. Nun wird die 2. Kompanie mit ihren 70 Soldat*innen aufgelöst – ein Viertel des Verbandes. Insgesamt gehören 1400 Kommandosoldat*innen und Unterstützungskräfte der geheim operierenden Einheit an.

Der Beschluss folgt einer Reihe von rechtsextremen Vorfällen in der sogenannten Eliteeinheit der Bundeswehr: Bei einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für Nachrichtendienste am Montag sprach Christof Gramm, Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), von einer „neuen Dimension“. Ihm zufolge seien die Verdachtsfälle von Rechtsextremismus und Reichsbürger*innen in der Bundeswehr auf mehr als 600 angestiegen. Doch das dürfte wohl lediglich die Spitze des Eisbergs sein: In einem Panorama-Beitrag im März vermutete ein aktiver Bundeswehroffizier, dass rund 15 bis 20 Prozent der 184.000 Bundeswehrsoldat*innen solche Einstellungen propagieren würden.

Alles nur Einzelfälle?

Beispiele von rechtsextremen Vorfällen gibt es etliche, vor allem beim KSK: So feierte der KSK-Oberstleutnant Pascal D. 2017 mit Rechtsrock-Musik und Hitlergrüßen auf einem Schießplatz seinen Abschied von der Einheit. Daraufhin erließ das Amtsgericht Böblingen einen Strafbefehl und eine Geldbuße von 4000 Euro gegen den Oberstleutnant – wegen der Verwendung von Kennzeichen verbotener Organisationen. Bei einem KSK-Reservisten, der sich an zwei rechtsextremen Chatgruppen beteiligt haben soll, fand der MAD detaillierte Informationen über 17 Politiker*innen und Prominente – mit Handynummern und Privatadressen. Er erhielt ein Uniformtrage- und Dienstverbot.

Für besondere mediale Aufmerksamkeit sorgte der Fall André S., besser unter dem Decknamen „Hannibal“ bekannt. Der Unteroffizier des KSK gründete „Nordkreuz“ – ein in Chatgruppen organisiertes Prepper-Netzwerk, das Waffen hortet und sich auf den „Tag X“, den Zusammenbruch der Demokratie in Deutschland, vorbereitet. André S. wurde im September 2018 wegen Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz verurteilt. Ans Tageslicht kam der Vorfall nicht wegen Ermittlungen des MAD, sondern der unverdrossenen Recherche der taz.

Alles nur Einzelfälle? Eine verharmlosende und fatale Behauptung – wie Netzwerke von Nordkreuz bis Uniter zeigen. Vielmehr gibt es ein strukturelles Problem innerhalb des KSK, dass rechtsextreme Tendenzen im besten Fall ignoriert und im schlimmsten Fall aktiv gefördert werden.

Fruchtbarer Boden

Seit Monaten laufen Ermittlungen des MAD gegen zahlreiche Soldaten der 2. Kompanie des KSK – mit wenig Erfolg. So sprach der MAD von einer „Mauer des Schweigens“ innerhalb der Einheit. Nun greift Kramp-Karrenbauer nach härteren Maßnahmen: Unbelastete Soldaten werden nach Prüfung ihrer politischen Gesinnung auf andere Kompanien verteilt, während Verdachtsfälle zunächst in anderen Einheiten der Bundeswehr versetzt und eventuell entlassen werden. Gegen einige Soldaten laufen schon offizielle Verfahren.

Die restlichen drei Kompanien des KSK sollen reformiert werden: Die Ausbildung soll dezentralisiert, die Sicherheitsprüfung – samt Verhältnis zum Grundgesetz – verschärft werden und die Soldaten auch in andere Truppenteile rotieren müssen. So soll Isolation vermieden werden: Denn die abgeschottete Natur der Eliteeinheit hat sich immer wieder als fruchtbarer Boden für radikalisierendes rechtsextremes Gedankengut und eine Kultur der schweigenden Solidarität gegenüber Ermittlungen bewiesen – kurzum: ein korrumpierender Korpsgeist.

Auch die Ausbildung der Einheit geriet neulich in die Kritik, nachdem ein neu angestellter Hauptmann einen Brandbrief an Kramp-Karrenbauer schrieb. Darin kritisierte er: „Angehende Kommandosoldaten werden derzeit mit Kritikverbot und weitestgehend unerwünschtem Widerspruch gefügig erzogen.“ Der Bereich Ausbildung werde durch Rechtsextremisten unterwandert, hieß es weiter, was zu einer „demokratisch schlicht als toxisch zu bezeichnenden Kultur des Hinnehmens“ geführt habe.

Gleichzeitig sei die komplette Auflösung des KSK aber noch nicht vom Tisch, so Kramp-Karrenbauer. Wer kein Teil der Lösung sei, sei Teil des Problems, hieß es. Das Ultimatum: Bis Oktober soll ein*e Sonderbeauftragte*r in einem Bericht überprüfen, ob die Maßnahmen konsequent umgesetzt seien – ansonsten sei das KSK Geschichte. In der Zwischenzeit wurden internationale Übungen des KSK eingestellt und dessen Auslandseinsätzen von anderen Kräften übernommen. Ein Anfang.

Doch die Maßnahmen sind kein Anlass zum Feiern, auch wenn sie zum Teil unerwartet kommen und begrüßenswert sind: Denn sie greifen schlicht zu kurz und zu spät. Noch im Februar 2019 wollte der MAD keine Rechtsextreme im KSK sehen. Das ging aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervor. Darin hieß es: „Der MAD hat seit 2012 keinen ‘erkannten Extremisten’ im KSK festgestellt. Unterhalb dieser Schwelle wurden aber fünf ‘Verdachtspersonen mit Erkenntnissen’ festgestellt, d. h. Personen mit extremistischen Einstellungen, ohne dass dies für die Einstufung als Extremist ausreicht.“ Nicht einmal anderthalb Jahre später steht die Zukunft der ganzen Einheit wegen eben dieser offiziell nicht vorhandenen Rechtsextremen auf der Kippe.

Vermisst: Sprengstoff und Munition

Außerdem werden massenhaft Munition und Sprengstoff von der Einheit vermisst: derzeit 48.000 Schuss und 62 Kilogramm Sprengstoff, um genau zu sein – zutiefst beunruhigende Zahlen, die sich durch eine vermeintlich schlampige Buchhaltung, wie Kramp-Karrenbauer es vorschlug, schlicht nicht erklären lassen. Sogar der Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zor zeigt sich besorgt: „Das ist wirklich ein Gefährdungspotenzial, das sich dahinter aufbaut“, sagte Zor auf einer Pressekonferenz mit Kramp-Karrenbauer.

Mittlerweile sind 6000 Schuss und zwei Kilogramm Sprengstoff wieder aufgetaucht: Neben NS-Devotionalien in einem nordsächsischen Garten-Waffenlager des KSK-Soldaten Philipp Sch., gegen den der MAD ermittelt. Doch auch diese Entwicklung ist nicht ohne Skandal: Ein Oberstleutnant aus der Extremismusabwehr des MAD, der inzwischen entlassen wurde, hat Details über die Ermittlungen an andere KSK-Soldaten weitergegeben. Als Folge sollen alle MAD-Mitarbeiter*innen nun auch noch einmal gesondert sicherheitsüberprüft werden.

Die Auflösung der 2. Kompanie des KSK ist ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung. Doch das Problem hat Struktur: Immer wieder zeigt sich die Bundeswehr unfähig, gegen sich selbst zu ermitteln. Wer glaubt, mit symbolpolitischen Reformen grassierenden Rechtsextremismus zu bekämpfen, irrt sich auf fataler Weise und verkennt die Größe des Problems. Eine angemessene Aufarbeitung von Rechtsextremismus in der Bundeswehr ist schon längst überfällig. Eine rein militärische Angelegenheit darf sie allerdings nicht sein. Denn die Zielscheibe ist schließlich die demokratische Zivilgesellschaft. Das Problem betrifft uns alle.

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Die Masterarbeit von Franco A. ist eine rassistische und antisemitische Hetzschrift

Rechtsterrorist Franco A. reichte 2013 eine Masterarbeit zum Thema „Politischer Wandel und Subversionsstrategie“ an der französischen Militärakademie Saint-Cyr ein. Die französischen Gutachter der Offiziersschule bescheinigten ihm eine rechtsextreme, gegen die Demokratie gerichtete Gesinnung und empfahlen seine Entlassung. Die deutschen Verantwortlichen ließen ihn die Arbeit neu schreiben. Aber was steht drin? Dr. Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena hat  sich die Arbeit angesehen, die mit massivem Antisemitismus gespickt ist.

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