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Nachbarländer Tabubruch in Österreich

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Österreich; Foto: Dana, via Flickr, cc

Beschauliche Ziehharmonikaklänge ertönen, eine stilisierte Sonne geht auf. Idylle, so weit das bei einem Computer-Spiel überhaupt möglich ist: Heimat, Berge, vertraute Melodien. Doch der Wahlkampf-Gag, den die rechtsradikale FPÖ im Vorfeld der Landtagswahlen in der Steiermark veröffentlichte, ist keineswegs so harmlos und bieder wie es den Anschein hat. „Moschee-Baba“ ist mehr, es ist eine Provokation. Es ist eine Kampfansage an demokratische Spielregeln.

FPÖ-Spielchen

In einer idyllischen Berglandschaft gilt es, ähnlich wie beim berühmten Moorhuhnspiel, Minarette und Muezzine abzuschießen. So einfach, so dumm. Das Spiel ist inzwischen gesperrt, es wurde von den österreichischen Behörden per einstweiliger Verfügung verboten. Grund für die Aktion: Der dringende Verdacht der Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren. Damit war die Provokation jedoch keineswegs aus der Welt: Später tauchte das FPÖ-Spielchen auf einer einschlägigen Nazi-Seite auf. Die FPÖ, so scheint es, hat auch außerhalb des demokratischen Spektrums ihre Unterstützer.

Erfolgversprechende Wahlempfehlung…

Trotz des Verbotes hat sich der neuerliche Tabubruch für die Freiheitlichen ausgezahlt: Bei der Landtagswahl am Wochenende schaffte die rechtslastige Truppe den Einzug in den steirischen Landtag. Während die beiden Großparteien SPÖ und ÖVP Verluste hinnehmen mussten, konnte die FPÖ ihr Ergebnis auf knapp elf Prozent verdoppeln und wurde drittstärkste Kraft in dem auf Wein und Tourismus spezialisierten Bundesland.

Der rechte Tabubruch, die Hetze gegen Minderheiten oder am besten gleich gegen ganze Religionen – sie hat sich im Alpenland zu einer erfolgversprechenden Wahlempfehlung gemausert. Immer wieder treten Protagonisten der Freiheitlichen Partei Österreichs vor Urnengängen in Erscheinung und ziehen die nationalistisch-rassistische Karte. Und immer wieder applaudiert ein Teil des Wahlvolkes ob der zweifelhaften Stimmungsmache, klatscht angeregt Beifall und votiert für die unerschrockenen Aufwiegler.

Immer wiederkehrende Leitidee des rechten Lagers

Der steirische FPÖ-Spitzenkandidat Gerhard Kurzmann hatte das Baller-Spiel im Wahlkampf noch mit den Worten verteidigt: Es zeige ohnehin nur „die Beschäftigung mit einer Situation, die in Europa längst weit verbreitet ist“. Kurzmann gilt als Ewiggestriger. Als Mitglied der Kameradschaft IV, einer rechtsextremen Organisation ehemaliger SS-Mitglieder, wettert er gerne gegen den Vorwurf einer Kollektivschuld aller Wehrmachtsangehöriger. Es ist eine immer wiederkehrende Leitidee des rechten Lagers, die Rolle der Wehrmacht zu verharmlosen. Bereits der verstorbene Glücksritter der österreichischen Radikalen, Jörg Haider, verbreitete sie, etwa, als er, im Dezember 1995, gegenüber dem OFR erklärte: „Die Waffen-SS war Teil der Wehrmacht, und es kommt ihr daher alle Ehre und Anerkennung zu.“

Immer wieder macht die FPÖ mit derart bewusst in Szene gesetzten Tabubrüchen auf sich aufmerksam. In Vorarlberg verunglimpfte FPÖ-Landesrat Dieter Egger im Landtags-Wahlkampf 2009 Hanno Loewy, den Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, indem er auf klassisch antisemitische Grundmuster zurückgriff. Loewy, so Egger damals, sei ein „Exil-Jude aus Amerika“ mit einem „hochsubventionierten Museum“. Und wieder brachte die Entgleisung den Freiheitlichen im Wahlvolk Punkte: 25,3 Prozent gaben bei der Landtagswahl am 20. September 2009 der FPÖ ihre Stimme. Fünf Jahre zuvor waren es noch 12,9 Prozent.

Austesten, was so alles geht

Derlei geschieht oft im beschaulichen Österreich. Die FPÖ übt sich in Entgleisungen, testet aus, was in einer Demokratie so alles geht. Neben antisemitischen Anklängen und rassistischen Untertönen hat sie vor allem eines zu bieten: Einen kruden Anti-Islamismus. „Daham statt Islam“ und „Pummerin statt Muezzin“ (Pummerin heißt die Glocke des Wiener Stephansdoms) sind Parolen, mit denen die FPÖ in der Vergangenheit forsch auf Wählerfang ging.

Die jüngste Entgleisung boten die Freiheitlichen im aktuellen Wiener Landtagswahlkampf: „Mehr Mut für unser Wiener Blut. Zu viel Fremdes tut niemandem gut“, heißt es auf einem Wahlplakat, das derzeit überall in der Hauptstadt zu sehen ist. Es sind Anklänge an die Rassenlehre der Nazis, Eugenik, unselige Zeiten. Auf dem Plakat strahlt ein braungebrannter Spitzenmann Heinz-Christian Strache in die Kamera. Laut einem Gerichtsurteil von 2004 darf dem FPÖ-Chef eine „Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut“ attestiert werden.

Normalisierungsprozess

Mittels der permanenten Durchdringung der Gesellschaft durch rechtsextreme Ideologiebausteine hat die FPÖ in den vergangenen Jahren eine Art Normalisierungsprozess angestoßen, der zur Folge hat, dass diskreditierte Aussagen in weiten Teilen der Bevölkerung gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden. Die Gesellschaft wird auf diese Weise stetig nach rechts gerückt. Studien belegen, dass vor allem unter Jungwähler*innen die FPÖ – ebenso wie das gemäßigtere Bündnis Zukunft Österreich – als normale Parteien gelten.

Verantwortlich für diese Entwicklung sind vor allem die etablierten Parteien. Denn anders als etwa in Frankreich oder Deutschland gibt es im Alpenland keine strikte Abgrenzung gegenüber den rechten Hetzern. Man akzeptiert sie als Mehrheitsbeschaffer, als demokratiekompatible Größe im Parteienspektrum des Landes. Im Jahr 2000 holte der konservative Wolfgang Schüssel die FPÖ unter ihrem damaligen Chef Jörg Haider in die Regierung – ein entrüsteter Aufschrei in der Europäischen Union war die Folge. Mit diesem Schritt machte der machthungrige Konservative die von Haider propagierten rechten Überzeugungen salonfähig.

Gesunkene Schmerzgrenze

Dass 2008 mit Martin Graf ein Mitglied einer als rechtsextrem eingeordneten Burschenschaft gar zum Dritten Nationalratspräsidenten gewählt wurde, kann als Beleg für die gesunkene Schmerzgrenze im Umgang mit rechtsextremem Gedankengut in Österreich angesehen werden. Die konservative ÖVP gab im Falle Grafs gar eine Wahlempfehlung für den rechten Recken aus. Dieser nutzt seither jede Gelegenheit, seine belastete Gesinnung unters Volk zu bringen. So erklärte Graf nach seiner Wahl, dass er nichts vom „antifaschistischen Grundkonsens“ halte. Den Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde verunglimpfte er als „Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus“. Wohlgemerkt: Graf ist kein kleiner Kommunalpolitiker, sondern bekleidet eines der höchsten Ämter im Staate.

Gemeinsame Sache machen

Es ist diese Partei des fortgesetzten Tabubruchs, mit der die etablierten Parteien immer wieder gemeinsame Sache machen. Die Linie der SPÖ, die in Person von Bundeskanzler Werner Faymann auf Bundesebene eine Koalition mit den Rechten ausschließt, wird in den Ländern regelmäßig aufgeweicht. In der Steiermark etwa ist nach dem jüngsten Urnengang ein rot-blaues Bündnis durchaus im Bereich des Möglichen. Dem steirischen SPÖ-Chef Franz Voves, der die Wahl am Wochenende nur mit einem knappen Vorsprung vor der verhassten ÖVP gewann, traut man eine Koalition mit der FPÖ zu. Trotz Moschee-Baba. Trotz volksverhetzender Tendenzen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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