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Neue Broschüre „Gaming und Rechtsextremismus“ Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Videospielen

Die Broschüre "Gaming und Rechtsextremismus" (2021) bietet kompakte Informationen im Pixie-Format. (Quelle: Amadeu Antonio Stiftung )

Dieser Text ist ein Auszug aus der neuen Broschüre „Gaming und Rechtsextremismus“ des Projektes „Good Gaming – Well played Democracy“ der Amadeu Antonio Stiftung. Die Broschüre entstand in Kooperation mit der Landeszentrale für Politische Bildung Niedersachsen. Sie beschäftigt sich mit Videospielen als Kulturgut, aber auch mit menschenfeindlichen Praktiken und rechtsextremer Einflussnahme.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) in Videospielen 

Da Gaming die Gesellschaft widerspiegelt, gibt es auch GMF in Videospielen und in den verschiedenen Gaming-Communitys. Während in einigen Spielen Diskriminierung kritisch eingeordnet und mit einer klar ablehnenden Haltung dargestellt wird, tauchen in anderen Spielen abwertende Inhalte auf – durch Spielmechaniken, Handlungselemente oder grafische Darstellungen. Diese Inhalte können explizit im Spiel angelegt sein, wie z.B. bei der sexualisierten Darstellung weiblicher Figuren in einigen Mittelalter-Rollenspielen oder auch in der dämonisierten Abbildung des Islam in einigen populären Ego-Shooter-Spielen. Hauptprotagonist*innen in Videospielen werden zudem häufig nach stereotypen Schönheitsidealen entworfen, in denen sich die Spieler*innen nicht wiederfinden.
Über Antisemitismus, Rassismus und Sexismus in Videospielen oder Communitys wird inzwischen relativ häufig debattiert. Hier ist also schon ein Bewusstsein entstanden, dass mehr Vielfalt auch Games guttut. Dagegen werden diskriminierende Einstellungen gegen andere Gruppen, wie beispielsweise Sinti*ze und Rom*nja oder Menschen mit einer Behinderung, in diesem Kulturbereich noch oft ignoriert.

Antisemitismus in Videospielen

Wie sehen antisemitische Stereotype und Darstellungen in Videospielen aus? Ein Beispiel ist ein Spiel, welches den Gaza-Krieg 2014 abbildet. In diesem wird die Perspektive eines Vaters eingenommen, der mit seiner Tochter auf der Flucht ist. Die erzählende Hintergrundstimme dämonisiert Israel als Verursacher des Krieges und nimmt eine einseitige Erzählperspektive ein. Hierbei handelt es sich um eine Form von israelbezogenem Antisemitismus. Außerdem gibt es selten die Möglichkeit, jüdische Protagonist_innen zu spielen; auch der jüdische Glaube wird nur exkursartig zum Thema. Ein Gegenbeispiel ist der Shooter „Wolfenstein”. Hier wird die Rolle eines jüdischen Protagonisten eingenommen, der mit einer diversen Widerstandsgruppe gegen das Nazi-Regime kämpft. Im Spiel „Through the Darkest of Times” spielen Gamer_innen dagegen eine Widerstandszelle im Jahr 1933. Immer wieder begegnen sie Gewalt gegen Jüdinnen und Juden und haben die Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Formen gegen das Naziregime aufzulehnen.

Rassismus in Videospielen

Wie sieht Rassismus in Videospielen aus? Mit klassischem Rassismus haben wir es zu tun, wenn „das Böse“ mit rassistischen Klischees dargestellt wird, wie in vielen Actionspielen, die im Nahen Osten spielen. Oder auch dann, wenn die Existenz von People of Colour (POC) im europäischen Mittelalter ausgeblendet wird bzw. sich die einzigen POC in der Rolle barbarischer Invasoren wiederfinden. An anderer Stelle wird in einer Strategie-spiel-Simulation zwar die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts behandelt, eine umfassende Thematisierung des damit verbundenen Sklavenhandels bleibt aber aus. Auch klischeehafte Ausgestaltungen von Spielfiguren reproduzieren Vorurteile. Ebenso ist das Thema der Repräsentation marginalisierter Gruppen ausbaufähig: Hauptprotagonist*innen in gängigen Videospielen sind selten POCs, und wenn, dann werden sie oft sehr stereotyp dargestellt. In Spielen, in denen man die eigene Spielfigur selbst gestalten kann, fehlt es zudem häufig an passenden Individualisierungsoptionen für Hautfarben und Haartypen von People of Color. Allerdings gibt es nach und nach – unter anderem angeregt durch die Black Lives Matter Proteste – mehr Spiele, die sich um Diversität bemühen und People of Color verstärkt abbilden oder selbstbestimmt darstellen.

Sexismus in Videospielen

Formen von Sexismus werden in manchen Videospielen kritisch gebrochen, in weitaus mehr allerdings schlicht reproduziert. Weibliche Charaktere werden häufig sehr stereotyp und hypersexualisiert dargestellt. Das trifft beispielsweise auf die weiblichen Champions im populären Online-Spiel „League of Legends” zu. Ein berühmtes Beispiel ist die Protagonistin der „Tomb Raider“-Spiele, Lara Croft, deren erste grafische Version eine enorm hypersexualisierte Abbildung darstellte und seitdem mehrfach überarbeitet wurde. Grundsätzlich folgen noch immer viele Spiele der Erzählung der „Damsel in distress” – also der schwachen Jungfrau in Nöten, die von einem starken männlichen Protagonisten gerettet werden muss. Selbst in Fantasyspielen, in denen leicht mit sexistischen Klischees gebrochen werden könnte, kommt es teilweise zu einer Reproduktion stereotyper Bilder. In Teilen der Spielreihe „Pokémon“ werden zum Beispiel weibliche Fantasiewesen tendenziell schwächer dargestellt als ihre männlichen Ableger. Meist bleiben Videospiele in einer zweigeschlechtlichen Logik und abseits des Männlichen und Weiblichen werden selten diverse Geschlechteridentitäten repräsentiert. Allerdings gibt es inzwischen vermehrt Bemühungen um vielfältige Darstellungen und von Klischees abweichenden Charakteren. So wird etwa im Spiel “Tell me Why” ein Transgender-Protagonist gespielt. “Horizon Zero Dawn” hat eine starke weibliche Hauptfigur. Diese positive Entwicklung entsteht durch den steigenden Anteil von nicht-männlichen Gamer*innen, was die Branche auch aus finanziellem Interesse motiviert, hier diverser zu werden.

Sexismus in Communitys

Obwohl fast die Hälfte aller Spieler*innen als weiblich gelesen wird, berichten viele Spieler*innen, dass sie in Spielechats oder auf Spieleplattformen regelmäßig mit belästigenden oder abwertenden Kommentaren konfrontiert werden. Dies ist umso mehr in Videospielgenres wie Ego-Shootern oder Strategiespielen der Fall, in denen Frauen* unterrepräsentiert sind. Wenn sich Spieler*innen als weiblich zu erkennen geben, werden sie in Sprach- oder Textchats häufig nicht ernst genommen oder beleidigt. Sexuelle Belästigungen werden bisweilen in privaten Nachrichten nach dem Spiel fortgeführt. Dieses Verhalten findet sich auch in Kommentaren unter dem Hashtag #GamerGate wieder, einer antifeministischen Hasskampagne, die 2014 in den USA startete und unter der Frauen* in Videospielkontexten weltweit mit zu Teilen sexistischer Hassrede bis zu Vergewaltigungs- und Morddrohungen attackiert wurden. Auch wenn der Anteil von Gamerinnen und Streamerinnen in jenen Genres zunimmt, die bisher primär von einer männlichen Zielgruppe gespielt werden, führt die Liste der 50 erfolgreichsten deutschen Streamer_innen auf der Plattform Twitch bisher nur drei nicht-männliche Personen auf (Stand Januar 2021, vgl. twitschmetrics.net)

Rassismus in Communitys

Rassistische Beleidigungen und diffamierende Stereotypen finden sich nicht nur in den Spielen, sondern noch mehr in Gaming-Communitys auf unterschiedlichen Plattformen oder auch in Spiele-Chats wieder. Das spiegelt sich bereits in der Wahl von Accountnamen oder Pseudonymen, etwa auf der Vertriebsplattform Steam. Hier gibt es unzählige Profile, die sich nach rechtsextremen Attentätern benennen, rechtsextreme Codes und Losungen im Titel tragen oder im Profilbild rassistische Symbole abbilden. In vielen Spielechats sind Wortfilter eingestellt, die etwa das N-Wort unkenntlich machen oder löschen. Deswegen sieht man häufig Schreib-weisen, die versuchen, solche Filter zu umgehen. Im Voicechat gibt es diese Filter nicht und wer sich im Spiel durch Namen, Sprechweise oder Aussagen als nicht-weiß erkennbar macht, bekommt häufig rassistische Beleidigungen und Stereotype zu hören. Außerdem finden sich rassistische Memes als Bilder oder ASCII Art (Kunstrichtung bestehend aus Buch-staben, Ziffern und Sonderzeichen) in den Foren. Auch einige Streamer_innen zeigen vereinzelt rassistische Einstellungen in ihren Videos oder bei ihren Auftritten in den sozialen Medien. Sie benutzen das N-Wort oder verwenden rechtsextrem anklingende Begriffe oder Namen.

Antisemitismus in Communitys

In Deutschland erleben Jüdinnen und Juden im Alltag kodierten oder offenen Judenhass, der sich in allen gesellschaftlichen Milieus wiederfindet. Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie haben sich durch Verschwörungsideologien altbekannte Erzählungen des Judenhasses aktualisiert: Auch auf Gaming-Plattformen wird verhandelt, dass hinter dem Virus angeblich eine „jüdische Weltverschwörung“ stecke oder es wird die Neuauflagen der Legende von „Ritualmorden” erzählt, die „QAnon“-Anhänger*innen verbreiten, wenn sie vor angeblichen „pädophilen Eliten“ warnen, die „unsere Kinder“ versklaven wollten. Auf der Vertriebsplattform Steam gibt es beispielsweise zahlreiche Profile, die die antisemitische Verschwörungsideologie von „QAnon“ reproduzieren. Natürlich bleibt es nicht bei der Symbolik, die Ideologie wird auch in Spielechats einiger kaum oder gar nicht moderierter Spielelobbies verbreitet. Andere Spieler_innen leugnen in Chats den Holocaust oder relativieren mit ihren Nicknamen die Shoah. Um Wortfilter zu umgehen, werden in den Kommentaren beispielsweise bewusst einzelne Buchstaben ausgelassen, um Menschen jüdischen Glaubens ungehindert diffamieren und abwerten zu können. Auch wenn Antisemitismus in vielen Communitys auf Twitch oder Discord nicht geduldet wird, entstehen vor allem auf Discord immer wieder Server, auf denen sich eindeutig antisemitische Akteur*innen austauschen und nationalsozialistische Symbolik verwenden.

Die Broschüre „Gaming und Rechtsextremismus“ des Projektes „Good Gaming – Well played Democracy“ der Amadeu Antonio Stiftung und der Landeszentrale für Politische Bildung Niedersachsen kann hier heruntergeladen oder als Printversion bestellt werden:

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