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Pegida, die Medien und die Mechanismen des Rechtspopulismus

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(Quelle: Flickr / Strassenstriche.net / CC BY-NC 2.0)

1. Pegida tauchte sehr plötzlich auf. Aus einer zuvor nicht beachteten Internetgruppe wurden innerhalb weniger Wochen mehrere tausende Menschen auf die Straße mobilisiert. Das warneu. Und interessant.

2. Es handelte sich um Personen mit menschenfeindlichen Thesen, besonders gegen „den Islam“ und eine angebliche „Islamisierung“ sowie gegen Geflüchtete, auch voller Politikverdrossenheit und gegen Grundwerte der Demokratie eingestellt. Aber: Sie hatten – vor allem am Anfang in Dresden – überwiegend ein vom optischen Erscheinungsbild her nicht rechtsextremes Auftreten. Dies hat auch in der medialen Berichterstattung dazu geführt, dass Pegida überraschend lange als legitim-demokratischer Protest eines »frustrierten« Bürgertums wahrgenommen wurde, dessen Ängste man erst nehmen müsse – selbst, als es bereits gewalttätige Übergriffe und antidemokratische verbale Ausfälle bei den Redner_innen gab. Teilweise wurde die Berichterstattung über Pegida auch genutzt, um Themen, über die man angeblich sonst nicht sprechen könne, zu platzieren. (Vgl. Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (2016): Pegida im Spiegel der Medien. Vom „bürgerlichen Protest“ zur „Bedrohung von rechts“, S. 38-42.)

3. Mit den von Anbeginn an vorhandenen verbalen (und praktischen) Angriffen auf die im NS-Jargon als „Lügenpresse“ beschimpften Medien hatte Pegida einen Trigger für Berichterstattung gefunden, der in der Medienlandschaft ein fulminantes Echo fand: Sei es, weil die Medien empört reagierten, sie es, weil sie betroffen versuchten, ihre Aufrichtigkeit zubeweisen, oder sei es, dass sie, wie einige konservative Medien, zunächst klammheimlich applaudierten, weil ihnen die Presselandschaft in Deutschland selbst zu liberal und flüchtlingsfreundlich erschien. Reagiert haben sie alle gerade am Anfang vielfach, täglich, in der nachrichtlichen Berichterstattung wie in Analysen, Kommentaren und Reportagen. Forciertwurden die „Lügenpresse“-Rufe durch Pegida-Kopf Lutz Bachmann von der Bühne aus. Bachmann war zuvor im Marketing tätig und hat diesen Effekt bewusst genutzt: Nicht nur, um sichund seinen Mitstreiter_innen eine außerordentliche Bestätigung zu verschaffen, sondern vor allem, um die Ideen von Pegida schnellstmöglich bundes- oder gar europaweit zu verbreitenund damit die Grenzen des Sagbaren zu erweitern.

4. Durch die plötzliche massive mediale Präsenz von Pegida ließen sich einige rechtspopulistische Verschwörungserzählungen scheinbar belegen: Etwa, dass es sich bei den dort geäußerten rassistischen Ressentiments um die Stimmung einer größeren, bislang „unterdrückten“ Menge von Menschen handele. Auch der Gender-Aspekt spielt hier eine Rolle: Indem auf der Pegida-Bühne und auch in den Pressekontakten nicht nur Männer, sondern auch Frauen agierten, wurde die scheinbare „Bürgerlichkeit“ der Bewegung betont. Geschickt wurde auch die Wahrnehmung von Frauen in der Gesellschaft medial genutzt: Als etwa 2015 Kathrin Oertel als Pegida-Sprecherin zu Günter Jauch geschickt wurde, funktionierte dies gleich mehrfach. Zum einen wurde sie im Live-Interview, auch weil sie sich dort wenig informiert und souverän gab, wesentlich weniger hart angegangen, als es bei Lutz Bachmann der Fall gewesen wäre. Und auch die Öffentlichkeit diskutierte hinterher eher über ihr ungelenkes Auftreten und optische Besonderheiten als über die demokratiefeindlichen Inhalte, die sie vertreten hatte. Ähnliches ist bei Tatjana Festerling zu beobachten, die im beigefarbenen »Mutti«-Outfit mit selbstgebastelten Schildern in der Hand auf der Pegida-Bühne stand und dort in schlimmster Fäkalsprache menschenverachtende Statements von sich gab, die medial für lange Zeit weder ernst noch wirklich wahr genommen wurden.

Was lässt sich daraus lernen?

Auf das anfängliche mediale Pegida-Überangebot folgte eine Phase der Selbstreflektion (die wieder neue Berichterstattung generierte): Wie können Medien über Rechtspopulismus berichten, aber dabei verantwortungsvoll mit dem Thema umgehen? Die nervös getaktete Tagesberichterstattung wich mehr analytischen Texten. Der Ruf nach Verständnis für die geäußerten Positionen wandelte sich in eine Ablehnung bis hin zur Erkenntnis, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung und argumentative Bearbeitung des Gesagten den besten Effekt bei noch unentschlossenen Leser_innen hat – und das sind die, die journalistischen Fakten gegenüber noch aufgeschlossen sind. Vereinzelt wurden auch Positionen von Menschen aufgegriffen, die zu den Feindbildern von Pegida gehörten und sich etwa montags nicht mehr in die Innenstadt von Dresden trauen, weil sie Angst haben, Opfer von Übergriffen zu werden.Doch die Pegida-Inhalte sind in den Diskurs getragen und werden nun im AfD-Umfeld geäußert (vgl. z.B. die Analysen der AfD-Wahlprogramme zu den Landtagwahlen 2016 auf Belltower.News: In Baden-Württemberg und Sachsen-AnhaltMecklenburg-Vorpommern bzw. die Analyse von öffentlichen Social Media-Posts von Kandidatin in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin oder auch https://publikative.org/2012/10/22/von-tanzenden-rassisten-und-uniformierten-milizen), wo sie die Medien weiterhin beschäftigen. Wünschenswert hierbei wäre:

? Differenzierung in der Begrifflichkeit: Statt eines allgemeinen Vorwurfs des »Rechtspopulismus« ist es überzeugender, konkret zu beschreiben und zu erklären, wenn und warum eineAussage rassistisch, völkisch, antidemokratisch ist.? (An)Erkennen, wie sehr Rechtspopulismus durch Provokation, Dementi, Neuprovokation, Zurücknahme, Relativierung usw. Medienlogiken bedient und gezielt strategisch nutzt – um diesen Strategien daraufhin nicht mehr reflexhaft zu folgen, sondern einen analytischen Umgang möglich zu machen.? Sich auf die Stärken des eigenen Berufsfeldes zu besinnen: Wer Rechtspopulismus mit Recherche, Sachlichkeit, Ernsthaftigkeit, konsequentem Nachfragen, Aufdecken von (Logik-)Fehlern, Fragen nach Lösungen für benannte Probleme begegnet, stellt den Charakter und die Konsequenzen einer solchen Bewegung und ihrer Vertreter_innen am augenscheinlichstendar – und bloß.

Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre „Peggy war da! Gender und Social Media als Kitt rechtspopulistischer Bewegungen“ der Amadeu Antonio Stiftung. 

Mehr zur Broschüre hier

Die Broschüre als PDF zum Download gibt es hier.

Für ein Print-Exemplar wenden Sie sich bitte an info@amadeu-antonio-stiftung.de

Titelfoto oben: Flickr Strassenstriche.net / CC BY-NC 2.0

 

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