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„Querdenken“ Wird die Berliner „Großdemo“ zum nächsten Debakel?

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Die letzte "Großdemo" aus dem "Querdenken"-Milieu in Berlin wurde mit Wasserwerfern aufgelöst. (Quelle: Nicholas Potter)

Lange und ausgiebig hatte die „Querdenken“-Szene für den 24. Juli 2021 in Kassel mobilisiert. Eigentlich kein Wunder, denn am 20. März 2021 konnte die Gruppierung in der hessischen Stadt einen Erfolg feiern. Angemeldet waren damals 6.000 Demonstrierende. Mehr als 20.000 erschienen. Immer wieder kam es zu unerlaubten Demozügen mit mehreren tausend Teilnehmenden, inklusive Angriffen auf Gegendemonstrant:innen und Polizei. Die Szene feierte die Demo im März als großen Erfolg. Der sollte nun wiederholt werden.

Aber es kam anders. Szene-„Prominente“, wie der Berliner „Hygienedmeo“-Gründer Anselm Lenz oder der Anwalt Reiner Fuellmich hatten mobilisiert, genau wie viele andere Telegram-Kanäle. Aber der Aufzug der Verschwörungsszene wurde bereits im Vorhinein von den Behörden verboten.

Daraufhin riefen lokale Aktivist:innen dazu auf, andere Veranstaltungen, die an dem Tag in der Stadt stattfinden sollten, zu „infiltrieren“, darunter auch Gegendemos zur „Querdenken“-Veranstaltung. Am Vorabend der „Großdemo“ fand ein Autokorso statt, an dem immerhin 50 PKWs teilnahmen. Darunter unter anderem Michael Sceele, ein Party-DJ aus der Region. Über Lautsprecher kündigte er „die größte Veranstaltung 2021 an“. Und ergänzte, „vielleicht Merkels Hinrichtung wird noch größer.“

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Doch die „größte Veranstaltung 2021“ fiel dann doch eher mickrig aus. Offenbar reisten ohnehin nur wenige Teilnehmende nach Kassel, die Polizei berichtete, dass am Bahnhof mehrere Kleingruppen Platzverweise erhalten hätten. Am Nachmittag kam es dann doch noch zu einer unangemeldeten Demonstration in der Innenstadt. 50 Personen nahmen teil.

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Ähnlich läuft eine Bustour, die seit dem 24. Juli für die Demo in Berlin mobilisieren soll. In Fulda etwa erschienen ebenfalls nur sehr wenige Interessierte und das, obwohl sogar „Schwindelarzt“ und „Querdenken“-Ikone Bodo Schiffmann aus seinem selbstgewählten Exil in Tansania angereist war. In Halle beschwerte sich der Arzt vom Dach des Busses über die wenigen Teilnehmenden.

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Schiffmann war auch in unterschiedliche „Hilfsaktionen“ involviert, die den Opfern der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zugutekommen sollten. Aktivist:innen der Verschwörungsszene hatten sich mit Rechtsextremen zusammengetan und eine Schule in Ahrweiler in Beschlag genommen, um von dort aus betroffenen Kinder zu betreuen und Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Der offizielle Krisenstab unterband die Kinderbetreuung sehr schnell und auch sonst wurde klar, dass es sich statt um Hilfe eher um eine Promo-Aktion für die Bewegung oder gleich für rechtsextreme Ideologien handelte.

Lesen Sie bei Volksverpetzer mehr Details zu den verhinderten Fluthelfer:innen

Allerdings demonstrierte Bodo Schiffmann auch, wie leicht manipulierbar die Szene ist. Innerhalb kürzester Zeit sammelte der Arzt im Exil über 600.000 Euro von seinen Unterstützer:innen ein, angeblich, um den Opfern des Hochwassers zu helfen. Seine Fans trauten dem Arzt offenbar eher als seriösen Hilfsorganisationen. Das stellt sich aber als Fehler heraus. Denn Schiffmann versucht, die potentiellen Empfänger offenbar mit dem Geld zu erpressen: „Entweder, wir kriegen jetzt Unternehmen und Bauleute, die kein Problem damit haben, dass sie mit Querdenken zusammenarbeiten. Und vielleicht ihre gesamte Baumaschine mit Querdenken plakatieren und mit einem Hinweis am 1.8. nach Berlin zu gehen. Und alle, die nicht dazu bereit sind, können es lassen“ An anderer Stelle bekräftigt er, dass er den Betroffenen „unkompliziert“ helfen wolle, „daran ist eine Bedingung geknüpft: Die Diskriminierung von Menschen die sich gegen eine Impfung oder das Tragen von Masken entscheiden, ist sofort zu beenden. Das Gleiche gilt für die Diffamierung als Rechtsradikaler nur, weil man in der Lage ist, selbst zu denken“, so Schiffmann.

Und auch der Rest der „Querdenken“-Szene, die auf der Suche nach Aufmerksamkeit in das Katasstrophengebiet eingefallen war, zeigte schnell, worum es eigentlich ging. So wurden Menschen beleidigt und verhöhnt, die sich impfen lassen wollten oder die kein Interesse an der Zusammenarbeit mit den Verschwörungsgläubigen hatten. Offenbar wurden sogar Helfer:innen des THW beschimpft und mit Müll beworfen.

Außerhalb der Verschwörungsblase sorgen die Aktivitäten von „Querdenken“ für Irritationen. Und auch innerhalb der Szene gibt es immer wieder Streit, die unterschiedlichen Akteure werfen sich gegenseitig vor, für den Verfassungsschutz oder in anderer Form für die „Corona-Diktatur“ zu arbeiten. Für die nächste „Großdemo“ wird trotzdem weiter mobilisiert. Und die soll bereits am 1. August 2021, also am Sonntag, in Berlin stattfinden. „Der Tag, an dem das Ende von denen eingeläutet wird, die diese Lügen über dieses Land und unsere komplette Menschenfamilie in Deutschland gebracht haben“, kündigt beispielsweise „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg an. Für die Demo in Berlin wurden 22.500 Menschen angemeldet. Angesichts der aktuellen Situation von „Querdenken“ vermutlich recht optimistisch. Selbst bei den großen Demos im Sommer 2020 kamen etwa so viele Menschen. Ein Jahr später und nach mehreren weitaus weniger erfolgreichen Veranstaltungen dürften weitaus weniger Menschen der Einladung nach Berlin folgen.

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