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“radikal feminin” – ein anti-feministischer Blog

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Screenshot vom Blog "radikal feminin" (14.09.2017)

 

 

Wer steckt hinter “radikal feminin”?

Seit Ende August 2017 gibt es die gleichnamige Facebook-Seite. Am 4. September wurde der dazugehörige Blog gelauncht. Dahinter stehen zwei junge Frauen, die sich Marja und Franziska nennen. Sie sind Anfang 20 und studieren, den Angaben auf dem Blog zufolge, Kulturanthropologie bzw. Politikwissenschaft und Germanistik. Von den beiden tritt bisher nur letztere öffentlich in Erscheinung. Auf Twitter nennt sie sich “Berit Franziska” und teilt Inhalte der sogenannten “Identitären Bewegung” (IB) und von Martin Sellner, einem der führenden Köpfe der IB in Österreich.

Der Blog “Tübingen rechtsaußen”, der über rechte Umtriebe und Gruppierungen in der Region informiert und diese dokumentiert, veröffentlichte am 6. September 2017 einen Post über “radikal feminin”. In diesem und einem weiteren Posting wird ebenfalls auf die Kontakte von “Berit Franziska”, die nach Informationen von “Tübingen rechtsaußen” Annika S. heißt, zur Identitären Bewegung, aber auch zur AfD verwiesen.

Screenshot (Twitter, 11.09.2017): Berit Franziska aka Annika S. bei einem Fackelzug der rechtsextremen Identitären Bewegung am Wiener Kahlenberg, Samstag, 09.09.2017

In einem Video, das “radikal feminin” auf ihrer Facebook-Seite geteilt haben, ist Annika S. im Gespräch mit Martin Sellner zu sehen. Hier spricht sie offen über ihre Mitgliedschaft in der IB Tübingen, bei der sie nach eigenen Angaben seit ca. einem Jahr aktiv ist.

Screenshot (Twitter, 11.09.2017): Die IB Tübingen bewirbt das Video von Annika S. mit Martin Sellner

Über die zweite junge Frau, die hinter dem Projekt steht, ist bisher nichts bekannt. Auf dem Blog gibt sie unter anderem folgendes Statement ab: „Feminismus wird die Probleme unserer Gesellschaft nicht lösen, sondern ist selbst eines davon.“

Wofür steht “radikal feminin” und was sind ihre Ziele?

Auf der Startseite des Blogs prangt das Motto: „Männer müssen Funken schlagen und Frauen ihre Flammen tragen. Habt keine Angst vor dem Feuer!“ Darunter das Logo, eine Granate, die in eine Rose übergeht. An Pathos fehlt es nicht.

Screenshot vom Blog (12.09.2017)

Franziska und Marja schildern auf der sich noch im Aufbau befindenden Seite, was sie dazu bewegt hat, einen anti-feministischen Blog zu starten. Ihr Grundsatz ist simpel: Frauen und Männer seien nun mal von Natur aus verschieden, bräuchten sich aber gegenseitig, denn “nur so kann ein harmonisches Zusammenleben funktionieren.“ Die “moderne und konservative Frau” sei von ihrer Rolle als Ehefrau, Hausfrau und Mutter gänzlich erfüllt. Der böse Feminismus, vor allem der dritte-Welle-Feminismus, hätte die heile Welt der traditionellen Familie und klassischen Geschlechterrollen zerstört. Er hätte Männer und Frauen zu Gegner_innen und letztere zu Opfern gemacht.

Nun braucht es, laut “radikal feminin”, also den Antifeminismus, um die Frauen aus der vom Feminismus zugeschriebenen Opferrolle und von der Bevormundung durch Feministinnen zu befreien und die klassischen Rollenbilder zu rehabilitieren.

Dazu veröffentlichen sie Artikel in den Rubriken “Ehe & Partnerschaft“, “Feminismus zum abgewöhnen“ und “Alltag und Gesellschaft“ unter dem Reiter “Munitionsschrank“ – der Granaten-Teil. Im Rosen-Teil, unter dem Reiter “Nähkästchen”, findet man dann Tipps zu Küche, Haushalt und Handarbeit. Das darf auf einem Blog für die gute, deutsche Hausfrau natürlich nicht fehlen.

Wer ist die Zielgruppe?

Ganz klar: “radikal feminin” richtet sich vor allem an junge Frauen – aber auch Männer sind erklärte Zielgruppe des Blogs, da auch sie “ihren Teil zu diesem Kampf beitragen“ sollen. Mitmachen dürfen sie jedoch nicht, wie Annika S. im Video mit Martin Sellner erklärt, da “radikal feminin” als safe space für Frauen dienen soll.

Aus dem Video geht außerdem hervor, dass sie sich durchaus bewusst sind, dass der Blog – sowie andere Seiten von Akteur_innen der Neuen Rechten – neben der eigentlichen Zielgruppe auch von politischen Gegner_innen verfolgt wird. So dienen die Aufmachung des Blogs und Facebook-Inhalte wie der “Patriarch des Monats” oder der Hashtag “#supportyourlocalpatriarchy” (in Anlehnung an den von linken Gruppen häufig verwendeten Hashtag “#supportyourlocalantifa”) auch der Provokation von Feminist_innen und Antifaschist_innen.

 

Screenshot (Facebook, 12.09.2017): „Patriarch des Monats“

 

Screenshot (Facebook, 12.09.2017): Hashtag „#supportyourlocalpatriarchy“

“Macht abgeben & dafür im Stehen pinkeln”

Der Titel einer ihrer Artikel ist so catchy wie der Inhalt wertvoll. Im Gespräch mit Martin Sellner hat Annika S. noch beteuert, Frauen keineswegs auf die Aufgabe der Reproduktion reduzieren zu wollen. Aus diesem von ihr verfassten Artikel, mit dem sie sich auf einen Bericht des Berliner Kuriers über Pissoirs für Frauen bezieht, geht jedoch ganz klar hervor, dass ihre Vorstellung der modernen, konservativen Frau genau das als Hauptmerkmal setzt. Das Gebären und Aufziehen von Kindern wird hier als DIE erfüllende Aufgabe im Leben einer Frau dargestellt – und dabei ganz bewusst als eine Form von Macht inszeniert.

Annika S. geht davon aus, dass die laut ihr von Penisneid geplagten Feministinnen lieber Männer sein wollen, um leichter an Macht zu kommen, zum Beispiel in Politik oder Wirtschaft. Dass Frauen auch einfach als Frauen in Führungspositionen gelangen möchten, zieht sie nicht in Betracht, da diese in ihrem Weltbild schlichtweg nicht die Fähigkeiten dazu besitzen. Frauen sollten sich ihr zufolge also gar nicht erst um “die zweifelhafte Macht, die ihnen Geld und Erfolg im Beruf verspricht”, bemühen, sondern sich lieber auf die “natürliche Macht” der Reproduktion konzentrieren. Diese sei ja auch viel grundlegender, da Frauen dadurch entscheiden könnten, “welche Männer mit welchen Eigenschaften sich fortpflanzen dürfen”. Die Rolle der Frau als Garant des Fortbestehens der Menschheit wird hier betont positiv dargestellt – und der Artikel mit pathetischen Zitaten untermalt.

Screenshot vom Blog (13.09.2017)

Dennoch nagelt sie die Frau auf einen Lebensweg fest, in dem individuelle Entwicklung und Unabhängigkeit keine Optionen mehr sind. Inwiefern das also modern sein soll, ist unbegreiflich.

Victim-Blaming vom feinsten

Auf ihrer Facebook-Seite teilen “radikal feminin” nicht nur Blog-Artikel sondern auch andere Inhalte. So zum Beispiel ein Foto vom Schaufenster eines Modegeschäfts. In der Beschreibung empört sich die Verfasserin über die Outfits, die sich ihrer Meinung nach nur “für den nächsten Slutwalk in München oder Berlin” eignen.

 

Screenshot von Facebook-Post (12.09.2017) 

 

Die Kommentare reichen von Empörung bis Verschwörungstheorie. Interessant ist eine Diskussion zwischen “radikal feminin” und einer Facebook-Userin, die mit Ausdauer und Argumenten gegen die anti-feministischen, frauenfeindlichen Äußerungen hält. So führt sie zum Beispiel aus, dass nicht die Frau mit einem “zu kurzen Rock”, die Schuld trägt, wenn sie sexuell belästigt wird – sondern der, der sie sexuell belästigt. Ziemlich klarer Fall. Sollte man meinen. “radikal feminin” sehen das anders und nehmen damit eine typische Täter-Opfer-Umkehr vor:

“… Die Lösung dieses Problems ist nicht, die Menschheit umzuerziehen sondern diese Situation vorzubeugen. Indem man sagt “Du Kannst machen was du willst aber das kann unschöne Konsequenzen haben also zieh vielleicht doch lieber etwas anderes an.” …”

Ein männlicher Facebook-User treibt das ganze dann noch auf die Spitze:

 

Screenshot Facebook-Kommentar (12.09.2017)

Dass dieser Kommentar in höchstem Maße sexistisch und frauenfeindlich ist, scheint “radikal feminin” nicht im geringsten zu stören. Sie lassen ihn einfach unkommentiert stehen.

Fazit

“radikal feminin” inszenieren sich als starke, selbstbestimmte Frauen, mit ihren Positionen zeigen sie aber ganz klar, wo ihrer Meinung nach der Platz der Frau sein sollte: im Heim am Herd. Die Rolle als Hausfrau, Ehefrau und Mutter wird geradezu glorifiziert. Natürlich ist es vollkommen legitim, wenn Frauen darin ihre Erfüllung finden. Doch während “radikal feminin” auf der einen Seite dem Feminismus vorwerfen, Frauen vorzuschreiben, wie sie ihr Leben zu gestalten haben (nämlich: Abitur – Studium – Karriere), machen sie auf der anderen Seite genau das gleiche – nur mit dem gegensätzlichen Lebensentwurf.

Neben den fragwürdigen Inhalten zeigen auch die Verstrickungen in die Neue Rechte, dass es sich bei “radikal feminin” nicht um einen harmlosen Blog konservativer Hausmütterchen handelt. Zwar sind sie (noch) nicht außerhalb des Internets aktiv, mit ihrer Aufmachung passen sie aber bereits in die zeitgemäße Ästhetik, die sich die Identitäre Bewegung bei ihren Aktionen und Auftritten in sozialen Netzwerken zu nutze macht.

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